Nach Tierquälerei-Skandal: Wie erkenne ich Fleisch, das ich guten Gewissens essen kann?

© Ulrich Breulmann

Nach Tierquälerei-Skandal: Wie erkenne ich Fleisch, das ich guten Gewissens essen kann?

rnHilfe für Verbraucher

Angesichts der schrecklichen Bilder von gequälten, kranken Tieren aus Werne stellt sich die Frage: Welches Fleisch kann ich noch guten Gewissens essen? Wir stellen die wichtigsten Logos vor.

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, 30.07.2021, 09:33 Uhr / Lesedauer: 4 min

Die Videoaufnahmen von geschundenen, mit Schlägen und Tritten gemarterten Tiere aus Werne sind schockierend. Viele Menschen stellen sich angesichts solcher Bilder die Gewissensfrage: Kann ich überhaupt noch Fleisch kaufen? Und wenn ja, woher weiß ich dann, ob von der Aufzucht des Tieres bis zu seiner Schlachtung wirklich durchgängig das Tierwohl beachtet wurde? Wie erkenne ich Fleisch- und Wurstwaren, die aus einer verantwortungsvollen, artgerechten Haltung stammen?

Bereits seit etlichen Jahren gibt es Forderungen nach einem staatlichen Tierwohl-Label. Damit sollen tierische Produkte gekennzeichnet werden, die höhere Tierwohlstandards festlegen, als sie gesetzlich gefordert werden. Beschlossen ist dem Grunde nach bisher nur die Einführung eines dreistufigen Labels, das freiwillig geführt werden und zunächst nur für Schweine gelten soll.

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Noch kein staatliches Gütezeichen

Der Beschluss ist zwei Jahre alt. Wann allerdings tatsächlich die ersten mit diesem stattlichen Label markierten Produkte auf den Markt kommen, ist derzeit noch immer offen, denn die Details sind noch immer umstritten. Zuletzt scheiterte im Juni eine Einigung innerhalb der Bundesregierung.

Also muss man sich an die anderen, nicht-staatlichen Labels, Marken-Kennzeichen und Logos halten, von denen es eine Vielzahl gibt. Doch was verbirgt sich hinter der einzelnen Kennzeichnung? Welches Label gibt mir die größte Sicherheit, dass das Fleisch tatsächlich von Tieren stammt, die anständig und respektvoll ihnen gegenüber gehalten wurden?

Die Einordnung der Verbraucherzentrale

Die Verbraucherzentrale hat die diversen Labels, die derzeit in den Geschäften zu finden sind, untersucht und in drei Kategorien eingeordnet: hohes, mittleres und niedriges Tierwohl-Niveau. Wir stellen vor, mit welchem der in Deutschland am häufigsten verwendeten Label welches Tierwohl-Niveau gekennzeichnet ist.

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1. Hohes Tierwohl-Niveau

In diese höchste Kategorie, was Qualitätsstands angeht, fallen Fleisch- und Wurstwaren, die folgendermaßen gekennzeichnet sind:

Das EU-Bio-Logo.

Das EU-Bio-Logo. © picture alliance / dpa-tmn

Mit dem EU-Bio-Logo werden Produkte aus ökologischer Landwirtschaft gekennzeichnet. Tiere haben dabei viel Platz im Stall und stehen auf Stroh, Heu oder einer anderen Einstreu. Die Aufzucht erfolgt langsamer und schonender als in anderen Haltungsformen. Die Tiere haben zudem einen Auslauf im Freien. Das Logo garantiert die Einhaltung der EU-Öko-Verordnung. Seit Juli 2010 müssen alle verpackten Bio-Lebensmittel, die innerhalb der EU hergestellt werden, dieses EU-Bio-Logo tragen.

Das deutsche Bio-Siegel.

Das deutsche Bio-Siegel. © picture alliance / dpa-tmn

Das sechseckige deutsche Bio-Siegel gibt es schon seit 2001. Es wird vom Bundeslandwirtschaftsministerium vergeben. Im Gegensatz zum EU-Bio-Logo ist die Verwendung des deutschen Bio-Siegels freiwillig. In seinen Anforderungen ist das deutsche Bio-Siegel mit dem EU-Bio-Logo identisch: Beide garantieren die Einhaltung der EU-Öko-Verordnung. Auch hier haben die Tiere viel Platz im Stall und stehen auf Einstreu. Die Aufzucht erfolgt langsamer und schonender. Die Tiere haben einen Auslauf im Freien.

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Das Logo für die höchste Haltungsform-Kategorie 4.

Das Logo für die höchste Haltungsform-Kategorie 4. © picture alliance/dpa

Haltungsform 4: 2019 haben mehrere große deutsche Lebensmittelhändler mit Hilfe der Initiative Tierwohl (Zusammenschluss der Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und des Lebensmitteleinzelhandels) ein einheitliches, vierstufiges Kennzeichnungssystem eingeführt – die Haltungsform. Die Verbraucherzentrale ordnet die Haltungsform 4 dem hohen Tierwohl-Niveau zu.

Das bedeutet: viel Platz und Einstreu im Stall, langsamere, schonendere Aufzucht und Auslauf im Freien. Haltungsform 4 kann sowohl Biofleisch als auch konventionelles Fleisch sein: Biofleisch ist zusätzlich mit dem EU-Bio-Logo gekennzeichnet. Bei konventionellem Fleisch ist die Tierhaltung etwa vergleichbar mit Bio, aber die Tiere erhalten nicht ausschließlich Bio-Futter.

Das Bioland-Siegel.

Das Bioland-Siegel. © picture alliance / dpa-tmn

Bioland ist der größte ökologische Anbauverband in Deutschland, der 1978 gegründet wurde. Der Bioland-Verband führt laut Verbraucherzentrale zusätzlich zu den Anforderungen der EU-Öko-Verordnung regelmäßige Tierwohlkontrollen auf seinen Mitgliedsbetrieben durch. Das Siegel soll für die Tiere garantieren: viel Platz und Einstreu im Stall, langsamere, schonendere Aufzucht und Auslauf im Freien.

Das Demeter-Logo.

Das Demeter-Logo. © picture alliance / dpa-tmn

Auch hinter Demeter verbirgt sich ein deutscher Bio-Anbauverband, dessen Name bereits 1932 in München für bio-dynamische Produkte geschützt wurde. Für die Tierhaltung gilt auch hier: viel Platz und Einstreu im Stall, langsamere/ schonendere Aufzucht und Auslauf im Freien. Im Unterschied zu EU, Bioland und Naturland, wo sechs Legehennen pro Quadratmeter gehalten werden dürfen, sind es bei Demeter nur 4,4. Auch der Demeter-Verband führt zusätzlich zu den Anforderungen der EU-Öko-Verordnung regelmäßige Tierwohlkontrollen auf seinen Mitgliedsbetrieben durch.

Das Naturland-Kennzeichen.

Das Naturland-Kennzeichen. © picture alliance / dpa-tmn

Der Naturland-Verband für ökologischen Landbau e. V. hat in Deutschland rund 4.000 Mitglieder. Auch dieser Verband führt zusätzlich zu den Anforderungen der EU-Öko-Verordnung regelmäßige Tierwohlkontrollen auf seinen Mitgliedsbetrieben durch. Für die Tierhaltung gilt auch hier: viel Platz und Einstreu im Stall, langsamere/schonendere Aufzucht und Auslauf im Freien.

Das Neuland-Logo.

Das Neuland-Logo. © Neuland

Hinter dem Logo Neuland verbirgt sich ein landwirtschaftlicher Fachverband für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung mit Sitz in Bonn. Er wurde 1988 gegründet, ist aber keine Bio-Marke, sondern ein konventionelles Markenfleischprogramm. Mit diesem Logo gekennzeichnetes Fleisch garantiert den Tieren viel Platz und Einstreu im Stall, langsamere/schonendere Aufzucht und Auslauf im Freien; ähnlich wie Bio, aber es gibt keine Bio-Futter-Vorgabe.

Das Label „Für mehr Tierschutz“ mit zwei gelben Sternen.

Das Label „Für mehr Tierschutz“ mit zwei gelben Sternen. © picture alliance / dpa

Label des Deutschen Tierschutzbundes „Für mehr Tierschutz“ mit zwei gelben Sternen. Auch hier gilt: viel Platz und Einstreu im Stall, langsamere/schonendere Aufzucht und Auslauf im Freien. Die Haltung ist also ähnlich wie in Bio-Betrieben, es gibt aber nicht ausschließlich Bio-Futter. Aktuell gibt es nur Schweinefleisch mit diesem Tierschutzlabel.

2. Mittleres Tierwohl-Niveau

Das Label „Für mehr Tierschutz“ mit einem gelben Stern.

Das Label „Für mehr Tierschutz“ mit einem gelben Stern. © picture alliance / dpa-tmn

Label des Deutschen Tierschutzbundes „Für mehr Tierschutz“ mit einem gelben Stern. Die Tiere haben in Betrieben mit diesem Label deutlich mehr Platz im Stall als bei anderen Haltungsformen, aber weniger als bei den Labels auf hohem Tierwohl-Niveau. Hähnchen haben Kontakt mit dem Außenklima durch überdachten Außenbereich am Stall. Schweine haben dagegen keinen Kontakt mit dem Außenklima.

Das Label für die Haltungsform 3.

Das Label für die Haltungsform 3. © picture alliance/dpa

Die Haltungsform 3, das vielfach in Supermärkten und Discountern zu finden ist, bescheinigt deutlich mehr Platz im Stall als bei Haltungsform 1 und 2, aber deutlich weniger als bei Haltungsform 4; Kontakt zum Außenklima wird für die Tiere durch einen überdachten Außenbereich am Stall oder eine offene Stallseite garantiert.

3. Niedriges Tierwohl-Niveau

Das Label für die Haltungsform 2.

Das Label für die Haltungsform 2. © picture alliance/dpa

Die Haltungsform 2, das in Supermärkten und Discountern zu findende Logo bescheinigt, dass die in dieser Form gehaltenen Tiere etwa zehn Prozent mehr Platz haben als gesetzlich mindestens vorgeschrieben ist, allerdings deutlich weniger als in Haltungsform 3 oder 4. Außerdem haben sie im Stall etwas mehr als das vorgeschriebene Mindestmaß an Beschäftigungsmaterial im Stall.

Die niedrigste Tierwohl-Stufe, die Haltungsform 1.

Die niedrigste Tierwohl-Stufe, die Haltungsform 1. © picture alliance/dpa

Die Haltungsform 1 bestätigt lediglich eine branchenüblich Tierhaltung nach den gesetzlichen Mindestanforderungen

Das Logo der Initiative Tierwohl.

Das Logo der Initiative Tierwohl. © Initiative Tierwohl

Das eigene Logo der Initiative Tierwohl, die auch für das Logo „Haltungsform“ Mitverantwortlich und von Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und des Lebensmitteleinzelhandels getragen wird, bestätigt, dass die in dieser Form gehaltenen Tiere etwa zehn Prozent mehr Platz haben als gesetzlich mindestens vorgeschrieben ist, allerdings deutlich weniger als in Haltungsform 3 oder 4.

Außerdem haben sie im Stall etwas mehr als das vorgeschriebene Mindestmaß an Beschäftigungsmaterial im Stall.

Die Initiative Tierwohl hat das Ziel, das Leben für möglichst viele Schweine, Hähnchen und Puten zu verbessern. Inzwischen arbeiten nach eigenen Angaben der Initiative 10.200 landwirtschaftliche Betriebe mit ihr zusammen.

Die Anforderungen an die Tierhaltung sind allerdings nach Angaben der Verbraucherzentrale bewusst nicht viel höher gesetzt als der gesetzliche Mindeststandard, damit viele Tierhalter teilnehmen können. 70 Prozent der Hähnchen und Puten sowie 25 Prozent der Mastschweine werden in Deutschland nach den Vorgaben der Initiative Tierwohl gehalten.