
Das Foto zeigt den Angeklagten zwischen seinen Verteidigern Lars Volkenborn (li.) und Rüdiger Deckers. © Jörn Hartwich
Messerattacke auf Großhochzeit in Bottrop: „Ich war völlig außer mir“
Landgericht Essen
Ein Mann aus Gladbeck mogelt sich auf eine Großhochzeit und sticht einen Gast nieder. Jetzt ist der 22-Jährige verurteilt worden. Vor Gericht hatte er versucht, seine Tat zu erklären.
Es sollte ein rauschendes Fest werden – mit rund 300 Gästen. Doch der Abend wurde zum Albtraum. Ende letzten Jahres ist ein Mann auf einer Großhochzeit in Bottrop am Rande der Tanzfläche niedergestochen worden.
Der Täter kam aus Gladbeck. Am Montag ist er am Landgericht Essen verurteilt worden. Die Strafe: vier Jahre und drei Monate Haft wegen versuchten Totschlags.
Nicht mal eingeladen
Der Angeklagte war nicht einmal eingeladen. Er wusste auch nicht, wer die Braut war. Dass er überhaupt eingelassen wurde, hat er seinem Bruder zu verdanken. Der gehörte zu den offiziellen Hochzeitsgästen. Deshalb war offenbar ein Auge zugedrückt worden, als der 22-Jährige am 27. Dezember 2021 ebenfalls vor der Tür stand.
Die Feier war in vollem Gange, als es plötzlich zum Streit kam. Eigentlich stand gerade einer der Höhepunkte des Abends auf dem Programm. Der Bräutigam war mitten auf der Tanzfläche, die Gäste waren aufgerufen, ein paar Schritte mit ihm zu tanzen. Ein offenbar übliches Ritual.
„Ich wollte ihn nicht töten“
Nur einer weigerte sich: das spätere Opfer. Warum der Mann nicht tanzen wollte, ist nicht ganz klar. Der Bruder des Angeklagten ist darüber auf jeden Fall so in Rage geraten, dass es zu einem echten Streit kam. Erst mit Worten, dann wurde auch geschubst.
In dieser Situation hatte der 22-Jährige schließlich ein Messer gezogen und zugestochen. Die Lunge wurde getroffen. Es bestand Lebensgefahr.
Er sei umklammert worden, hieß es in einer Erklärung, die von einem seiner Verteidiger verlesen worden ist. „Ich war völlig außer mir.“ Er habe aber nur zum Messer gegriffen, um sich befreien zu können. „Ich wollte ihn nicht töten – und auch nicht schwer verletzen.“
Neue Bluttat während des Prozesses
Als der Prozess Anfang Mai begonnen hatte, schienen sich die Wogen auch schon wieder geglättet zu haben. Auch 5000 Euro Schmerzensgeld waren schon angeboten worden. Doch dann ist die Situation weiter eskaliert.
Der Angeklagte, der nach der Bluttat wieder aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, wurde nur wenige Tage nach Prozessauftakt erneut festgenommen. Es hatte eine weitere Messerattacke gegeben – diesmal ins Bein eines anderen Mannes. Der 22-Jährige soll zwar nicht selbst zugestochen haben, aber er dabei gewesen sein. Wie am Rande des Prozesses bekannt geworden ist, war offenbar eine Aussprache geplant, die dann wieder völlig außer Kontrolle geraten ist.
Gerichtssaal von der Polizei bewacht
Die Richter hatten daraufhin sofort reagiert, und den Prozess besonders gesichert. Sogar Polizisten waren hinzugezogen worden. Auch am Tag des Urteils galten schärfste Sicherheitsmaßnahmen. Überall war Polizei. Es waren auch viele Zuschauer gekommen. Doch alles blieb ruhig.
Trotz Strafe und Schmerzensgeld: Für Braut und Bräutigam wird der Abend auf jeden Fall als Katastrophe in Erinnerung bleiben – und nicht als schönster Tag des Lebens.