Nach der Bluttat in Recklinghausen Oberstaatsanwalt ermittelt wegen versuchten Mordes

Nach Bluttat: Oberstaatsanwalt ermittelt wegen versuchten Mordes
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Kaum 24 Stunden nach der blutigen Messer-Attacke auf einen 48-Jährigen aus Recklinghausen wurde der Untersuchungshaftbefehl gegen dessen dringend tatverdächtigen Nachbarn (31) vollstreckt. Die Ermittlungen laufen inzwischen nicht mehr unter dem Vorwurf des versuchten Totschlags, vielmehr geht es jetzt um versuchten Mord, wie Polizeisprecherin Corinna Kutschke mitteilt. Im Falle einer Anklage und späteren Verurteilung steht somit sogar eine lebenslange Haftstrafe im Raum.

Bei Andreas Bachmann von der Staatsanwaltschaft Bochum laufen die Fäden der Mordkommission zusammen. Viel gibt der Oberstaatsanwalt auf Nachfrage nicht preis. Der Verdächtige hülle sich bislang in Schweigen. Hinsichtlich eines Motivs für die Bluttat stünden die Untersuchungen ganz am Anfang: „Noch tappen wir im Dunkeln.“ Gerüchte, wonach der Messer-Angriff einen (sexuellen) Beziehungshintergrund haben könnte oder auf Eifersucht zurückzuführen sei, werden von offizieller Seite nicht bestätigt.

Der Zustand des 48-Jährigen, der notoperiert werden musste, sei unverändert kritisch, teilt die Polizeisprecherin mit. Nach Informationen dieser Redaktion erlitt der Recklinghäuser unter anderem schwerste Gesichtsverletzungen.

Standbild eines Handy-Videos zeigt das fast nackte Opfer und den mutmaßlichen Täter mit einem Messer in der Hand auf der Bochumer Straße in Recklinghausen
Gewalt auf offener Straße: Eine Sequenz des Handy-Videos zeigt das fast nackte Opfer und den mutmaßlichen Täter mit einem Messer in der Hand. © 7aktuell.de/Marc Gruber

Unterdessen hat sich ein Handy-Video der Tat weiter über soziale Medien verbreitet – trotz des dringenden Appells der Polizei, den knapp 20-sekündigen Clip nicht zu teilen. Denn wegen Verstoßes gegen Persönlichkeitsrechte drohen gar strafrechtliche Konsequenzen. Das Video zeigt das fast nackte und blutende Opfer, das von einem Mann mit großem Messer zwischen parkenden Autos und unmittelbar vor einem Wohnhaus verfolgt und wiederholt angegriffen wird. „Man sieht ein versuchtes Tötungsdelikt, einen äußerst brutalen Akt der Gewalt – das macht ganz sicher etwas mit den Leuten, die sich das anschauen“, sorgt sich Polizeisprecherin Corinna Kutschke vor allem um Kinder und Jugendliche, denen das Video über WhatsApp zugespielt wurde. „Die Bilder sind heftig.“

Die Kriminalhauptkommissarin ärgert sich außerdem über Gaffer und „das scheinbar zunehmende Bedürfnis einiger“, Unfälle und Straftaten mit dem Smartphone zu filmen und via Internet und Social Media zu streuen. Keine Frage: Den Beamten wäre es lieber, wenn solche Bilder, also mögliche Beweismittel, wenn sie nun mal existieren, ausschließlich der Polizei zur Verfügung gestellt würden. „Uns fällt es schwer, Täter zu überführen, wenn bereits alles öffentlich gemacht worden ist.“


Polizei mahnt: „Das Internet vergisst nie“

Das Bildmaterial könne Folgen haben – für die Betrachter sowie für diejenigen, die darauf zu erkennen sind, und deren Angehörige. Corinna Kutschke: „Bevor man einfach etwas postet, muss man sich immer vor Augen führen, dass dort echte Menschen zu sehen sind, die auch Familie und Freunde haben. Jede und jeder sollte sich fragen, ob er oder sie will, dass alle Welt den eigenen Vater oder Sohn so sieht.“ Sie erinnert sich mit Schrecken daran, dass bei einem Unfall vor einiger Zeit in Marl, bei dem drei junge Menschen ums Leben kamen, die Familien der Opfer übers Netz von dem Unglück erfuhren. Einmal online, seien Videos kaum zu tilgen: „Das Internet vergisst nie.“

Hilfe für Opfer und Zeugen von Gewalt

Über den Opferschutz bietet die Polizei Hilfe an. „Das gilt für unmittelbar Betroffene, aber auch für Zeugen von purer Gewalt“, betont Corinna Kutschke. Schließlich könnten auch Unbeteiligte unter dem Erlebten leiden. „Wir lassen die Menschen damit nicht allein.“ Eine direkte psychologische Betreuung für Außenstehende gibt es bei der Polizei zwar nicht, doch könnte das Team Kontakte, etwa zum „Weissen Ring“, vermitteln. Die Opferschützer sind unter Tel. 02361/553344 zu erreichen.

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