„Corona-Lügen“ im Namen von Kindern: Ihre Mutter hält Masken für „Folter“

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„Corona-Lügen“ im Namen von Kindern: Ihre Mutter hält Masken für „Folter“

rnFlugblatt in Unna

Ein Flugblatt mit Corona-Kritik im Namen von Kindern sorgte in Unna für Aufregung. Nun meldet sich die Mutter zu Wort. Ein Experte bezeichnet ihre Äußerungen als Fehlinformationen und Panikmache.

Unna

, 23.02.2022, 17:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Als „fette Lügen“ bezeichnete eine Unnaerin die Inhalte eines Flugblatts, das sie kürzlich im Briefkasten hatte. Sie richteten sich gegen Coronaschutzmaßnahmen und luden zu Demos ein. Besonders unangenehm fiel der Empfängerin auf, dass das Schreiben im Namen von Kindern verfasst sein sollte. Nun meldet sich die Familie zur Wort, von der das Papier stammt.

Das kritisierte Flugblatt hätten tatsächlich ihre Kinder verfasst, schrieb unserer Redaktion eine Unnaerin, die sich als Veranstalterin von Kundgebungen in Unna zu erkennen gibt. Per E-Mail sendete sie ein weiteres Schreiben ihrer Kinder mit, die darin unter anderem erklären, sie hätten mit ihrem Text niemanden verärgern wollen, „sondern informieren und die Tätigkeit unserer Mutter unterstützen“.

„Spritzen mit gefährlichen Inhalten“

Die Mutter bezieht in einem insgesamt dreiseitigen Schreiben Position zur Pandemie und den Maßnahmen dagegen. Sie schreibt unter anderem: Die mRNA-Impfungen seien „genbasierte Spritzen mit gefährlichen Inhalten, sie setzen im Körper Prozesse in Gang, die bei einer natürlich vorkommenden Infektion niemals geschehen würden, und es finden menschliche Experimente von den 4 bekannten Herstellern unabhängig voneinander statt um zu testen, ab wann, in welcher Dosierung diese Spritzen Schäden am Menschen hervorrufen oder gar töten“. Es gebe „keine wissenschaftlich fundierten Unterlagen zu Langzeitfolgen“, Tatsachen würden verschleiert. Öffentlich-rechtliches Fernsehen und Presse würden die Menschen falsch indoktrinieren und manipulieren, sodass sie sich „freiwillig in ein menschliches Experiment ohne entsprechende Aufklärung“ begäben.

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Für Kinder sei das Atmen durch die Maske „schon nach wenigen Minuten lebensgefährlich“, viele Kinder beklagten Nebenwirkungen, die aufgrund mangelnder Aufklärung von den Eltern nicht wahrgenommen würden. In den Schulen würden Kinder „mit dem Tragen der Masken gefoltert“.

Vergleich mit der NS-Zeit

Die Unnaerin erinnert an die medizinischen Experimente in der NS-Zeit und erklärt, „es geht nicht nur um die damalige Tötung von Menschen, die ebenfalls von einer Regierung ausging, sondern es geht ganz klar um einen weltweiten Genozid an unschuldigen Menschen, der gestoppt und aufgeklärt werden muss, und die Verantwortlichen sind ihrer entsprechenden Strafe zuzuführen“. Es ist ferner von „Kriegsverbrechern“ und einem „Wirtschaftskrieg mit rein finanziellen Interessen“ die Rede. Die Verfasserin sieht sich als Teil eines „Widerstands“ mit dem Ziel, „Menschenleben zu retten“.

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Zum Risiko durch das Coronavirus schreibt die Unnaerin: „Warum sitzen Politiker und Verantwortliche eigentlich nicht in einem für sie immer noch bestehenden Schutzbunker, wenn wir doch angeblich von einer der tödlichsten Pandemien betroffen sind? Weil es gar keine Pandemie gibt, sicher gibt es Sars Viren, sicherlich mutieren diese auch, aber es ist auch nachgewiesen, dass es jedes Jahr mutierende Viren gibt und der tatsächliche Grund ist die Verabreichung von Grippeimpfungen.“

Die Coronaschutzimpfungen (Symbolbild) sind ein Thema, das auch in Unna regelmäßig Menschen zu öffentlichen Demonstrationen veranlasst. Weit größer allerdings ist die Zahl der Menschen, die sich bereits hat impfen lassen.

Die Coronaschutzimpfungen (Symbolbild) sind ein Thema, das auch in Unna regelmäßig Menschen zu öffentlichen Demonstrationen veranlasst. Weit größer allerdings ist die Zahl der Menschen, die sich bereits hat impfen lassen. © picture alliance/dpa

Immunologe: „Absolute Panikmache vor Impfstoffen“

Unsere Redaktion hat Prof. Dr. Carsten Watzl um eine Einschätzung dieser Stellungnahme gebeten. Er ist Professor für Immunologie an der Universität Dortmund sowie Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Watzl schreibt zum Text der Unnaerin: „Es ist das immer gleiche Bild: Der Politik oder der Wissenschaft wird Panikmache vorgeworfen und behauptet, dass das Coronavirus ja gar nicht gefährlich sei (ich glaube diesen Punkt muss man keinem Fakten-Check mehr unterziehen).“ Gleichzeitig werde aber „absolute Panikmache vor den Impfstoffen“ betrieben, so Watzl, „was für mich schon paradox ist“.

Der Immunologe erklärt: „Die Impfstoffe sind sicher und wirksam! Sie tun in der aktuellen Omikron-Welle genau das, was sie tun sollen: Sie beschützen Personen vor schwerer Erkrankung.“ Das sei der Hauptgrund, warum Omikron so ‚harmlos‘ erscheine. Die mRNA-Impfstoffe seien mittlerweile, was ihre Schutzwirkung aber auch ihre Nebenwirkungen angeht, sehr gut erforscht. „Das Märchen von Langzeitfolgen wird hier auch wieder hervorgeholt. Alles nur, um unbegründete Panik vor der Impfung zu machen.“

Prof. Dr. Carsten Watzl von der Uni Dortmund ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Er stuft die Äußerungen einer Unnaerin zur Coronapandemie als „Fehlinformationen und Panikmache“ ein.

Prof. Dr. Carsten Watzl von der Uni Dortmund ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Er stuft die Äußerungen einer Unnaerin zur Coronapandemie als „Fehlinformationen und Panikmache“ ein. © OliSchaper

„In Verschwörungstheorien gefangen“

Dass die Impfung mit Menschenversuchen in der NS-Zeit verglichen wird, finde er „abscheulich“, so Watzl. „Gegen so einen Vergleich sollte mit allen Mitteln vorgegangen werden!“ Die Verfasserin dieses Briefes sei so tief in Verschwörungserzählungen gefangen, dass sie die Tragweite dieses Vergleichs vielleicht gar nicht mehr sehe.

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„Und nein: Die Masken bringen keine Kinder um! Die Impfung auch nicht!“, betont Watzl. Indem die Verfasserin des Briefes Fehlinformationen und Panikmache aktiv verbreite, verlängere sie aktiv die Pandemie und damit die von ihr so kritisierten Einschränkungen, indem sie andere von der Impfung abhalte. Watzl: „Darin liegt meiner Ansicht nach in unserer aktuellen Situation das eigentliche Problem: Die massenhaften Fehlinformationen und Lügen über die Impfungen haben dazu beigetragen, dass unsere Impfquote gegenüber anderen Ländern in der EU noch zu niedrig ist.“

Hinweis der Redaktion: Wir haben in der ursprünglichen Berichterstattung bewusst nicht die Namen der Kinder auf dem Flugblatt genannt, um diese zu schützen. Aus demselben Grund veröffentlichen wir auch diesmal nicht den Namen der Familie.
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" Die Impfkampagne soll vorankommen – viele Impfstellen und Arztpraxen im Kreis Unna bieten die Corona-Impfung an.

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