Am Sonntag gab’s mit „Fidelio schweigt.“ eine Opernuraufführung im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier – und doch stammte das Gros der Musik von Beethoven. Was die Komponistin Charlotte Seither zu dieser neuen „Fidelio“-Version beigesteuert hat, sind geräuschhaft-illustrative Orchesterpassagen, zwei lautmalerische Frauenchöre sowie ein großes Melodram, welche in der Summe die Handlung näher an die Gegenwart heranbringen sollen.
Fidelio wird nicht gebraucht
Hermann Schneider, der ergänzende Texte geschrieben und das Ganze inszeniert hat, macht aus der Titelheldin Leonore eine selbstbewusste moderne Frau, die es nicht länger nötig hat, sich als Fidelio zu verkleiden, um im finsteren Staatsgefängnis Zutritt zu ihrem eingekerkerten Florestan zu erhalten.
Angedichtet wird ihr zudem ein früheres Verhältnis mit dem tyrannischen Gouverneur Don Pizarro, mit dem sie etwas plakativ über die Gier nach und den Missbrauch von Macht diskutieren darf. Am Ende wird Leonore auch hier mit Beethovens Schlusschor als „Retterin des Gatten“ gefeiert, die Realität jedoch sieht anders aus: Florestan ist tot, sie selbst macht als Justizministerin ihr eigenes Ding.
Beethovens Musik ist derweil auf die Hauptpersonen konzentriert, gestrafft und teilweise auch neu sortiert. So hat hier Martin Homrich als ansonsten eher an den Rand gerückter Florestan mit der Arie „Gott! Welch Dunkel hier“ aus dem zweiten Akt das allererste Wort. Charlotte Seither fokussiert sich auf Leonore (expressiv: Ilia Papandreou) und die liebenden Frauen weiterer Gefängnisinsassen. Die stärksten Momente hat sie, wenn sich aus dem Horrorfilm-Soundtrack ihrer Partitur ein paar Bläsermelodien herausschälen und so etwas wie ein Dialog mit Beethoven entsteht.
Peter Kattermann und die Neue Philharmonie Westfalen überzeugen sowohl in der klassischen als auch in der modernen Klangwelt. Der Opernchor gibt sich kultiviert wie klanggewaltig. Dennoch: Wirklich geglückt ist dieser 110-minütige, pausenlose Opern-Mix nicht.
Termine: 17. / 19. / 25. / 30.5., 2.6.; Karten: Tel. (0209) 409 72 00 oder www.musiktheater-im-revier.de