Moschee auf Adventskalender? Stimmung ist gespalten
Abstimmung zu Lindt-Motiv
Um das orientalische Motiv eines Adventskalenders der Firma Lindt ist in dem sozialen Netzwerk Facebook wie berichtet eine große Diskussion entbrannt. Über 1000 Kommentare streiten auf Lindts Facebook-Account über die Frage: Zeigt er eine Moschee, oder nicht? Und wenn, ist das passend für einen Adventskalender? Auch wir haben Sie gefragt, und so haben Sie abgestimmt.

Dieses orientalische Motiv auf dem Weihnachtskalender der Firma Lindt hat in den sozialen Netzwerken eine große Diskussion losgetreten.
698 Leser haben sich an der Abstimmung beteiligt und das Ergebnis zeigt: Knapp weniger als die Hälfte der Teilnehmer (48,85 Prozent) sagen: "Ich habe null Verständnis für diese Kritik und halte sie für völlig unsinnig. Viele scheinen nicht zu wissen, in welcher Region das Christentum entstanden ist."
Immerhin 40,55 Prozent sind der Meinung: "Ich kann schon verstehen, dass viele Kunden durch dieses Motiv verstört sind. Sieht wirklich aus wie eine Moschee und passt nicht auf einen Adventskalender." Dazwischen liegt eine Minderheit von 10,60 Prozent, die sagt: "Deswegen würde ich mich nicht aufregen, aber ein eindeutig christliches Motiv fände ich schöner."
"Antimuslimischer Rassismus"
„Es ist interessant, dass Lindt das Kalendermotiv seit Jahren verwendet und es nie irgendwelche Probleme gab. Diese Diskussion jetzt zeigt, wie sich die Stimmung in Deutschland radikalisiert hat und wie soziale Netzwerke zu dieser Radikalisierung beitragen können. Es handelt sich hier um einen klassischen antimuslimischen Rassismus“, sagt Julia Schramm Expertin für Rechtsextremismus bei der Amadeu-Antonio-Stiftung. Die Amadeu Antonio Stiftung ist eine gemeinnützige Stiftung des bürgerlichen Rechts, deren Ziel es ist, die Zivilgesellschaft zu stärken und einer rechtsextremen Alltagskultur entgegenzutreten.
Der Kalender zeigt ein orientalisches Motiv - einen Kuppelbau, mit Ornamenten verziert, im Hintergrund verschiedenfarbige Türme, am Nachthimmel prangt ein Halbmond. Der Adventskalender trägt den Namen "1001 Weihnachts-Traum" und enthält 281 Gramm Schokolade. Viele Kunden erkennen in dem Gebäude eine Moschee.
Das Motiv ist nicht neu, Lindt verwendet es bereits seit über zehn Jahren ausschließlich in Deutschland, aber die aktuellen Reaktionen scheinen zu zeigen, wie sich die Befindlichkeiten hierzulande geändert haben. "Wir sind schon sehr überrascht, zu welcher Diskussion der Kalender dieses Jahr geführt hat", sagt Nathalie Zagoda, Sprecherin der Lindt & Sprüngli-Gruppe.
Rechtspopulistischer Blog
"Losgetreten wurde die Debatte durch den Blog 'Politically Incorrect'", sagt Zagoda. Auf dieser Website, die sich der Selbstbeschreibung nach gegen eine "Islamisierung Europas" richtet, wurde ein Foto des Adventskalenders gezeigt und mit dem Titel "Lindt islamisiert den Advent" versehen. Über den darunter angefügten Link der Lindt-Facebook-Seite wurde die Diskussion dann lanciert. Der Blog wird von verschiedenen Stellen dem rechtsextremen oder rechtspopulistischen Spektrum zugeordnet.
Und nicht wenige sind auf den Zug dieses islamfeindlichen Blogs aufgesprungen. Die Terror-Anschläge von Paris, der große Zustrom von Flüchtlingen, gleichzeitig das Wiederaufleben der Pegida-Bewegung und gute Umfragewerte für die populistische Partei Alternative für Deutschland (AFD): Die Diskussion um den Adventskalender zeigt, wie sich das Klima gewandelt hat.
Kirche: Diskussion ist "absurd"
Michael Bodin von der katholischen Pressestelle in Dortmund findet die Diskussion um den Kalender "absurd". Das Interesse von rechten Gruppen sei "immer, in der aktuellen Situation die rechte Stimmung anzuheizen. Eine Stimmung, der wir uns als katholische Kirche in Dortmund klar entgegenstellen." Bodin stellt klar: "Ich sehe überhaupt kein Problem in dem Motiv."
Thomas Pfeiffer, Dozent an der Uni Bochum zum Thema Rechtsextremismus, findet, dass die Kritik an dem Kalender "mehr über die Kritiker aussagt als über das Produkt selbst, einen völlig harmlosen Adventskalender". Diese "massive antimuslimische Stimmung, die in den Kommentaren zutage tritt, ist schon bemerkenswert", sagt Pfeiffer.
Warnsignal
Die Reaktionen zeigten "eine Kette von Assoziationen und Vorurteilen und eine völlig undifferenzierte Sichtweise des Islam. In den Kommentaren wird der Islam gleich gesetzt mit Steinigungen und Menschenrechtsverletzungen - eine ganze gesellschaftliche Gruppe wird mit einem Negativ-Klischeebild überzogen. Und das wegen eines Schokoladenkalenders, der Kindern eine Freude machen soll", sagt Pfeiffer.
Der Rechtsextremismus-Experte sieht in der Diskussion aber durchaus ein "Warnsignal" und findet, dass dringend "Aufklärung nötig ist, um die Verbreitung eines solch undifferenzierten Islambildes zu verhindern".
Ironischer Kommentar
Mit Blick auf den Vorwurf der Islamisierung markierte ein Facebook-Nutzer als Gegenreaktion den Geburtsort im Heiligen Land auf einer Karte. Ein anderer schreibt: „Die Menschen werden immer dümmer, sie glauben, Jesus wäre Deutscher, genauso deutsch wie seine Jünger, Bethlehem wär Buxtehude, und Nazareth läge in Bayern.“
Mehr als 500 „Gefällt mir“-Klicks bisher erhielt ein ironischer Kommentar: „Natürlich hieß Jesus Kevin-Ronny und kam aus Freital, und die heiligen drei Könige kamen mitm Trabbi um's Eck gefahren, um ihm Bautzner Senf und Pulsnitzer Pfefferkuchen zu überreichen...“
"Moschee nicht angemessen"
Bei Facebook wird Lindt mit Kommentaren zugeschüttet - nicht wenige davon sind kritisch. Eine Nutzerin schreibt: "Sie haben einen Adventskalender kreiert mit einer Moschee, in die man durch Türchen gelangt. Das finde ich mehr als seltsam. Aus meiner Kindheit kenne ich Adventskalender mit Häusern und Kirchen - und zu Heiligabend schaute man durch die Kirchentür auf eine Krippe. Das finde ich angemessen. Eine Moschee nicht."