"Mitten in Deutschland": ARD widmet sich dem NSU
Spielfilm-Reihe
Täter, Opfer, Ermittler. Mit ihrem Projekt "NSU: Mitten in Deutschland" widmet sich die ARD dem Nationalsozialistischen Untergrund aus verschiedenen Blickwinkeln. Der erste Teil mit Anna Maria Mühe als Beate Zschäpe läuft diesen Mittwoch (30.) um 20.15. Das erwartet Sie.
Komplex sind die Ermittlungen über das nationalsozialistische Untergrundtrio NSU. Zwischen 2000 und 2007 erschoss die Gruppe um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe nach Erkenntnissen der Ermittler zehn Menschen, neun davon ausländischer Herkunft. Zschäpe steht seit Mai 2013 vor Gericht. Vieles ist noch ungeklärt.
Die Täter, die Opfer, die Ermittler - allen wird ein Film gewidmet
Die ARD versucht nun den großen Komplex zu entwirren, indem sie in insgesamt drei Filmen verschiedene Seiten beleuchtet. Los geht es mit "Die Täter" (Mittwoch 20.15 Uhr in der ARD), danach geht es um "Die Opfer" (Montag, 4.4.) und schließlich um "Die Ermittler" (Mittwoch, 6.4.).
Alle drei Filme sind von unterschiedlichen Regisseuren, es gibt aber vereinzelt Verbindungen. Zum Beispiel zwischen dem ersten Teil, in dem der Zuschauer verfolgen kann, wie aus der jungen Beate Zschäpe (Anna Maria Mühe) eine rechtsradikale Terroristin wird und Teil drei, in dem sie sich schließlich den Ermittlern stellen muss. Auch die anderen Teile der Serie sind ausgezeichnet besetzt, zum Beispiel mit Tom Schilling als Hauptkommissar Bronner, der seinen Kollegen beweisen will, dass die Täter entgegen vorheriger Annahmen aus dem rechten Milieu kommen (Teil 2) oder Florian Lukas als Ermittler des LKA-Thüringen (Teil 3).
- umfasst drei Spielfilme und eine Dokumentation.
- Die Täter (20.3.): Beschäftigt sich mit dem Werdegang von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe
- Die Opfer (4.4.): Ist die Verfilmung des Buchs von Semiya Simsek, deren Vater Enver 2001 in Nürnberg ermordet worden war.
- Die Ermittler (6.4.) : Nimmt mögliche Pannen bei der Aufklärung der Mordserie um fiktionale Ermittler in den Blick.
- "Der NSU-Komplex" (6.4.): Eine Dokumentation von Stefan Aust (Autor von "Der Baader Meinhof Komplex") und Dirk Labs
- Vergangenheit oder aktueller denn je? In einer werden die Filme außerdem in einem aktuellen Kontext gesetzt.
Der erste Teil setzt bei der Frage an, wie aus Menschen rechte Gewalttäter werden können. Der Film versucht, einen Ansatz zu liefern, warum es so gekommen sein könnte. Sie wollten nicht eine historische Geschichte aufarbeiten, erklärt Produzentin Gabriela Sperl. "Wir erzählen eine deutsche Geschichte", sagt sie. "Wir werfen Fragen auf." Ist Zschäpe da so reingerutscht, wie man halt in dem Alter in so einiges hinein rutscht? Was hat dazu geführt, dass sie in Parolen, Hass und Gewalt – so zeigt es zumindest der Film - aufgeht?
"Willste mal mitkommen?"
Der Zuschauer lernt zunächst die Beate Zschäpe des Jahres 1989/1990 kennen. Da trägt sie eine rosafarbene Jacke und freut sich, als Fremde ihr einen Walkman schenken. Bei Mutti im Plattenbau gibt es Geburtstagskuchen und im Supermarkt nach der Wende neue Waschmittelpackungen, gegen die sie mit ihrer Freundin die Nase presst.Dann taucht Beates Cousin mit kurz geschorenen Haaren und Bomberjacke auf: "Willste mitkommen, mal 'ne Aktion machen?"
Was sich dann entwickelt, ist in manchen Szenen schwer auszuhalten. Uwe Mundlos (gespielt von Albrecht Schuch) redet bald von Ariern, die in ihrer in Reinkultur bedroht seien. Und auf einer Neonazi-Party singt dann irgendwann einer, dass die Beate Geburtstag hat, da "knallen wir den Ali mit 'nem Schießgewehr" ab.
Für Schauspielerin Mühe war es nach eigenen Angaben schwer, beim Dreh abzuschalten. "Schwierig war für mich, einen ruhigen Schlaf zu finden. Tagsüber 'Heil Hitler' durch Jena zu grölen, lässt sich nicht so einfach abschütteln", sagte die 30-Jährige. Mühe, sonst blond, sieht Zschäpe mit dunklen Haaren ein wenig ähnlich, aber sie sieht doch so anders aus, dass man sie wenig mit den Bildern aus dem Gericht zusammenbringt.
"So etwas darf sich nie wieder wiederholen"
Auch das ZDF hatte sich bereits dem Thema NSU angenähert, in dem Spielfilm mit dem Titel "Letzte Ausfahrt Jena", der im Januar lief, ging es allerdings nur um Beate Zschäpe. Für die ARD seien die Filme nun "eines der aufwendigsten, auch eines der schwierigsten Fernsehfilmprojekte", die die ARD in den vergangenen Jahren gezeigt habe, sagte Fernsehfilmkoordinator Jörg Schönenborn bei der Vorstellung des Projekts in Berlin. Sie seien sehr persönlich, sehr nah.
Regisseur Schwochow sagt, sich den Personen wie Mitschülern zu nähern, sei auch ein in Teilen empathisches Vorgehen. Wenn es darum gehe, erstmal ganz nüchtern zu gucken, wo Rechtsextremismus wachse. Bis heute werde Rechtsextremismus als ostdeutsches Randphänomen beschrieben. "Wir wissen, dass es nicht stimmt." Der Zuschauer soll aufgefordert werden zum Mitdenken und Fühlen. Produzentin Sperl: "Wir müssen selber eine Haltung haben zu dem, was da stattfindet."
Auch Semiya Simsek wünscht sich Haltung. Ihr Vater war 2011 das erste Opfer der NSU; auf ihrem Buch beruht der zweite Spielfilm der Reihe. Sie hatte es geschrieben, um auch den Opfern der NSU eine Stimme zu verleihen. "Ich hatte insgeheim immer gehofft, dass mein Buch verfilmt werden würde", sagt Simsek. "Der Film bietet die besondere Chance, noch sehr viel mehr Menschen zu erreichen und ihnen vor Augen führen zu können, was hier Schlimmes passiert ist. So etwas darf sich nie wieder wiederholen".
mit Material von dpa