Mitbewohner gequält und ausgeplündert? Ehepaar aus Gladbeck verteidigt sich

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Mitbewohner gequält und ausgeplündert? Ehepaar aus Gladbeck verteidigt sich

rnLandgericht Essen

Ein Ehepaar aus Gladbeck soll zwei minderbegabe Mitbewohner monatelang misshandelt und finanziell ausgebeutet haben. Die Angeklagten sagen: Das stimmt nicht. Ein hochkomplizierter Fall.

von Jörn Hartwich

Essen/Gladbeck

, 14.09.2021, 11:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Anklage hat es in sich. Im Sommer 2019 wurden die Behörden auf zwei minderbegabte Personen aufmerksam, die angeblich nicht nur ausgehungert, sondern auch finanziell völlig ausgeplündert waren. Seit Montag steht ein Ehepaar aus Gladbeck in Essen vor Gericht. Die Anklage lautet unter anderem auf Misshandlung von Schutzbefohlenen.

Die Angeklagten hatten die beiden Personen 2017 bei sich aufgenommen. Ihre Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung hatte zwar nur 48 Quadratmeter, doch das soll nach ihren eigenen Angaben kein Problem gewesen sein. „Die beiden haben im Wohnzimmer auf der Couch geschlafen“, so der 32-Jährige. Das hätten sie auch so gewollt. „Alles war immer freiwillig.“

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Genau das sieht die Staatsanwaltschaft allerdings anders. Sie geht davon aus, dass die beiden hilfsbedürftigen Personen die Wohnung nicht verlassen durften und kaum etwas zu essen bekommen haben. Im Prozess war von zwei Scheiben Brot die Rede – eine morgens, eine abends.

Außerdem hätten sich die Angeklagten eine Generalvollmacht geben lassen, um eine Lebensversicherung ihrer Mitbewohner zu kündigen und auf öffentliche Leistungen zugreifen zu können. Laptops, Handys und Geld seien den mutmaßlichen Opfern weggenommen worden. Beide Personen würden noch heute unter den Folgen des angeblichen Albtraums leiden.

Ehemann soll IQ von unter 60 haben

Was allerdings auffällig ist: Auch die Angeklagten sollen minderbegabt sein. In der Anklage ist bereits von verminderter Schuldfähigkeit die Rede. Die Frau befindet sich aktuell in der Psychiatrie, bei ihrem Ehemann wurde bei einer früheren Begutachtung ein IQ von knapp unter 60 festgestellt.

Trotzdem kennt sich der 32-Jährige gerade mit Behördenangelegenheit offenbar bestens aus. Im Prozess konnte er sogar Gesetzes-Paragraphen nennen, nach denen er gehandelt haben will. Er hatte auch einen Aktenordner mitgebracht, in dem alles sauber abgeheftet war. „Das Juristische ist sein Ding“, so einer der Verteidiger.

Dass sich der Angeklagte um die finanziellen Angelegenheiten der Mitbewohner gekümmert hat, ist wohl richtig. Von Ausbeutung könne aber keine Rede sein. „Ich habe das angeboten, um zu helfen“, sagte der 32-Jährige den Richtern am Essener Landgericht. „Sie durften auch alles benutzen – Internet und Telefon.“ Der Kühlschrank sei ebenfalls jederzeit zugänglich gewesen. Und auch die Wohnung hätten sie jederzeit verlassen dürfen. „Sie mussten nur anteilig Miete zahlen.“

Im Prozess müssen nun wohl die mutmaßlichen Opfer aussagen, damit die Richter die Vorwürfe überprüfen können.