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Missbrauchsstudie benennt auch Fälle aus den 80er-Jahren in Heiden

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In der vor Kurzem veröffentlichten Untersuchung der Uni Münster zum sexuellen Missbrauch im Bistum Münster geht es auch um den Fall eines Pfarrers, der in den 1980er Jahren eine Zeit lang in Heiden tätig war. In den Fallstudien des Berichts ist die Rede von Helmut Behrens, der von 1932 bis 2016 lebte. Die Studie nennt mehrere konkrete Beispiele von Übergriffen in Heiden.

von Gabi Kowalczik

Heiden

, 23.06.2022, 16:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

In der vor Kurzem veröffentlichten Untersuchung der Uni Münster zum sexuellen Missbrauch im Bistum Münster geht es auch um den Fall eines Pfarrers, der in den 1980er Jahren eine Zeit lang in Heiden tätig war. In den Fallstudien des Berichts ist die Rede von Helmut Behrens, der von 1932 bis 2016 lebte. Bekannt geworden seien seine Taten vor wenigen Jahren durch die Initiative eines Betroffenen, heißt es in der Studie. Behrens, der wohl „Grabbel-Pastor“ und „Streichel-Helmut“ genannt wurde, soll Jungen und Frauen unsittlich berührt haben. Anfang 2020 hatte der damalige Heidener Pfarrer Benedikt Ende die Kirchengemeinde St. Georg darüber informiert, nachdem die Pfarrei vom Bistum Münster in Kenntnis gesetzt worden war.

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Die Veröffentlichung der Studie und der darin ausführlich geschilderte Fall des Helmut Behrens sei aktuell in der Kirchengemeinde St. Georg kein großes Thema, sagt Pastoralreferentin Dorothe Deckers auf BZ-Anfrage. Bei ihr zumindest habe sich niemand gemeldet und darüber sprechen wollen. Auch das Bistum Münster meldet aktuell keine neuen Entwicklungen in den Fall, wie Sprecherin Gudrun Niewöhner und der Interventionsbeauftragte Peter Frings berichten. Nach der Bekanntgabe Anfang 2020 in Heiden habe er ebenfalls zu Pfarrer Behrens „keine Infos mehr zugetragen bekommen“, sagt Benedikt Ende. In der Missbrauchsstudie ist auch von Fällen in Heiden die Rede.

In ein Kloster gebracht worden

In der Kirchengemeinde in Neuscharrel im Landkreis Cloppenburg soll Helmut Behrens Anfang der 1980er Jahre zumindest zwei Jungen berührt und Frauen gegenüber zudringlich geworden sein. Als die Vorwürfe im Frühjahr 1983 in Neuscharrel bekannt wurden und der Vater eines Jungen damit drohte, die Polizei einzuschalten, ist Behrens offenbar auf Geheiß des damaligen Weihbischofs Max Georg Freiherr von Twickel in ein Kloster in Dinklage gebracht worden. Auf diese Zwischenstation folgte eine Alkohol-Entziehungskur. Danach war Behrens erneut als Seelsorger tätig, zunächst in Oelde-Stromberg, dann in Heiden.

Wie der damalige Heidener Pfarrer Josef Kösters nach der Zeit von Helmut Behrens in Heiden berichtete, habe er zwar von den Alkoholproblemen seines Kollegen gewusst. Behrens selbst habe mit ihm darüber gesprochen. Die Missbrauchsvorwürfe seien ihm hingegen nicht bekannt gewesen. Zwar hätten Gerüchte kursiert, dass Behrens auf seiner letzten Pfarrstelle Frauen sexuell belästigt habe. Er habe dem aber keine Bedeutung geschenkt, da er dies dem Alkoholproblem von Behrens zugeschrieben habe, wird Kösters in der Studie wiedergegeben.

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Zudem, so wird der Pfarrer weiter zitiert, „wurde mir von der Personalstelle des Bistums mitgeteilt, daß man […] zwar einiges erzähle, u.a. auch, daß Behrens einem kleinen Meßdiener zu nahe getreten sei, daß ich aber keine Vorsichtsmaßnahmen zu treffen brauche, und es sich möglicherweise auch um Gerüchte handle“.

Präventive Maßnahmen seien also – soweit bekannt – in Heiden nicht ergriffen worden. In den ersten Monaten auf der neuen Stelle im Westmünsterland scheint Behrens auch tatsächlich ein stabiles Leben geführt zu haben und mit den Anforderungen an seinen geistlichen Beruf klargekommen zu sein, heißt es weiter im Bericht.

Klagen von Gemeindemitgliedern

Ab dem Herbst 1984 sei es dann aber zu Klagen der Gemeindemitglieder gekommen, wie der leitende Pfarrer laut Studie später berichtet hat: So soll Behrens bei einem Hausbesuch eine Witwe sexuell belästigt haben, ebenso die Leiterin eines Kindergartens. Auch einer 80-jährigen Frau sei er zu nahe getreten, zudem bei einer Silberhochzeit der Jubilarin und deren erwachsenen Töchtern.

Sieben oder acht Fälle ähnliche Inhalts soll es gegeben haben, darunter auch ein Vorfall mit einer jungen Krankenhauspatientin, die Behrens in den Arm genommen und der er Komplimente gemacht habe. Die Eltern hätten „von der Sache aber kein Aufhebens machen wollen“, wird Kösters weiter im Bericht zitiert. Auf diese Vorkommnisse angesprochen, habe Helmut Behrens diese bestätigt und gesagt, dass er sich seit einigen Wochen „nicht gegen diese Annäherungen“ wehren könne.

Weiter heißt es im Bericht: „Der verantwortliche Pfarrer muss unmittelbar, nachdem er von diesen Vorgängen erfahren und mit Behrens gesprochen hatte, seine Kenntnisse an das Generalvikariat weitergeben haben.“ Daraufhin sei entschieden worden, dass Behrens zunächst für vier Wochen für einen Kuraufenthalt Heiden verlassen sollte. Da die Gerüchte in Heiden aber auch danach nicht verstummt seien, sei darauf ein längerer Therapieaufenthalt gefolgt und schließlich die Entscheidung, dass Behrens nicht mehr in die Heidener Kirchengemeinde zurückkehren solle.

Während seiner Therapie habe Helmut Behrens dann wohl selbst Zweifel an seiner Fähigkeit, den Priesterberuf ausüben zu können, entwickelt, und sich erstmals mit dem Thema seiner eigenen Laisierung auseinandergesetzt, heißt es weiter. Laisierung bedeutet eine Rückversetzung in den Laienstand.

Das Leben genommen

Nach seiner Behandlung kam Behrens ins Priesterheim nach Neuwied, wo es auch wieder zu sexuellen Grenzüberschreitungen und Belästigungen gekommen sein soll. Eine Laisierung hielten seine Vorgesetzten schließlich für eine sinnvolle Lösung, denn eine solche werde „bei den Gläubigen […] viel weniger Ärgernis hervorrufen als wenn eine zu befürchtende sexuelle Grenzüberschreitung strafrechtliche Folgen haben würde“, wie Spiritual Johannes Bours schrieb. 1986 wurde der Priester aus seinem Amt enthoben. Er arbeitete zunächst in einer Werkstatt für Behinderte, wurde aber auch dort wieder übergriffig. 2016 nahm Helmut Behrens sich das Leben.

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Im Bericht heißt es: „Eine wie auch immer geartete Fürsorge für die Betroffenen lässt sich vonseiten der Personalverantwortlichen des Bistums ausweislich der Akten nicht erkennen. So scheint es weder Gespräche zwischen Betroffenen und Vertretern der Bistumsleitung noch Zahlungen an die Betroffenen gegeben zu haben.“