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Schaf zu Tode gefüttert: Menschliche Ignoranz macht Lämmer zu Waisen
Schäferin traurig und wütend
Knapp sechs Wochen durften sie mit ihr auf der Weide stehen, nun ist das Mutterschaf tot. Das macht Schäferin Michaela Schultz-Franck sauer, denn die Schuldigen finden sich wohl abseits der Weide.
Viel spricht dafür, dass einem jungen Schaf von Michaela Schultz-Franck das lange Osterwochenende zum Verhängnis wurde. Die Aue der Rasse „Black Welsh Mountain“ war jung und vital, hatte dieses Frühjahr ihre ersten beiden Lämmer geboren. Zur Mitte der vorigen Woche aber verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand rapide.
„Am Dienstag und Mittwoch schien sie noch gesund. Am Donnerstagvormittag habe ich sie auf der Weide in Opherdicke im Unterstand schnell atmend und mit Schaum vorm Mund gefunden“, schildert die Schäferin und Pädagogin.
Die hinzugerufene Tierärztin aus Fröndenberg diagnostizierte eine mögliche Pansenazidose. Dabei übersäuert quasi der erste der drei Schafsmägen und in akuter Form verweigern die Tiere die Nahrungsaufnahme, leiden unter Durchfall und Erbrechen, werden apathisch.
Lämmer-Waisen fressen immerhin trotz Verlust des Muttertieres
Trotz Behandlung mit Antibiotikum und Schmerzmitteln erholte sich die Aue nicht mehr, „sie starb am Samstagabend quasi in meinen Armen“, so Schultz-Franck. Und hinterlässt nun zwei gut sechs Wochen alte Lämmer, die durch die Holzwickederin nun mühsam an die Flasche gewöhnt werden müssen – auch wenn sie bereits in einem Alter sind, in dem Gras und Heu langsam zum Futter gehören. „Das klappt immerhin ganz gut mit den beiden“, sagt die Schäferin.

Das Mutterschaf, auch Aue genannt, wie es von Michaela Schultz-Franck am Donnerstag vor dem Tod gefunden wurde: Das Tier atmete schnell, wirkte apathisch und hatte säuerlichen Schaum vorm Mund. © privat
Den Fall des toten Mutterschafes hat sie auch in sozialen Netzwerken öffentlich gemacht, weil sie den Kadaver beim Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamt in Arnsberg hat untersuchen lassen. Hier gab es die Pansenazidose-Bestätigung. „Es gab keine Futterumstellung und Überfressen ist nicht möglich, weil ich füttere und dabei kontrolliere, wer wie viel zu sich nimmt.“
Bei elf Alt- und 15 Jungtieren, von denen nur eines erkrankt, ist entsprechend wahrscheinlich, dass von außen zugefüttert wurde. Die Tiere sind auf einer Weide unterhalb von Haus Opherdicke untergebracht.
Hier im ländlichen Teil Holzwickedes finden sich auch die Tiere anderer Halter, ebenso wie viele Pferdekoppeln. Und hier nutzen auch Spaziergänger die Wege durch Feld und Flur, so dass es wahrscheinlich erscheint, dass über das lange Osterwochenende entsprechend zugefüttert wurde.

Michaela Schultz-Franck hat sich am Emscherquellhof kürzlich den Traum einer Erlebnis- und Naturpädagogik erfüllt. Der Vorfall in Opherdicke bestärkt sie darin, Wissen über Tiere und Pflanzen zu vermitteln. © Angelina Zander
Aus den Kommentaren in den sozialen Netzwerken lässt sich wie aus den Schilderungen von Michaela Schultz-Franck schließen, dass das Zufüttern für Tierhalterinnen und -halter ein weitverbreitetes Problem ist. „Ich höre das immer wieder. Altes Brot, Obst, Grünschnitt, eimerweise Walnussschalen oder was die Leute eben gerade in den Taschen haben. Am Emscherquellhof habe ich einen Radfahrer gestellt, der seine Bananenschale zu den Tieren warf. Der dachte noch, der tut ihnen damit was Gutes.“
Mit Aprilbeginn hat die Holzwickederin am Hof der Emschergenossenschaft einen Lernort für Kinder, Erwachsene und die ganze Familie geschaffen. Ignoranz und Unwissenheit, die wahrscheinlich der Grund für das Ableben eines ihrer Rasseschafe war, bestärkt sie in ihrem Naturerlebnis-Emscherquell-Angebot. Wobei das mit dem Zufüttern an der Weide einfach und durch entsprechende Beschilderung deutlich gemacht wird: Es ist verboten.

Die Lämmchen wenige Tage nach der Geburt: Für das junge Muttertier waren die Zwillinge die ersten Nachkommen – und tragischerweise auch die letzten. © privat
Tiere in Ruhe lassen – einfache Regel wird oft missachtet
Die Tiere beobachten, sich an ihnen erfreuen – kein Problem. Streicheln und Füttern sind aber in vielerlei Hinsicht problematisch: „Am Quellhof habe ich drei Ziegen. Die wurden natürlich auch schon durch den Zaun gefüttert, sind dann darauf konditioniert und meckern, um auch von anderen Passanten gefüttert zu werden. Die denken dann, die Tiere hätten Hunger“, beschreibt die Erlebnispädagogin einen Teufelskreis, der darin endet, „dass sich die Ziegen benehmen wie offene Hose und ich sie zu pädagogischen Zwecken etwa mit Kindern nicht mehr nutzen kann.
25 erwachsene Schafe, 18 Lämmer, drei Ziegen und einige Hühner gehören derzeit der Holzwickederin. Unter den Schafen finden sich neben der Rasse „Black Welsh Mountain“ auch Heidschnucken oder „Scottish Blackface“. Den Sachwert der nun gestorbenen Aue beziffert die Schäferin zwischen 140 und 180 Euro. Dazu kommen Tierarzt- und Laborkosten sowie Kosten für weitere Hinweisschilder, die Schultz-Franck aufstellt. Auch wenn die Aussicht auf Erfolg gering ist: Sie will künftig konsequent Anzeige gegen Unbekannt stellen.
Traurig und wütend macht sie in erster Linie aber, dass ein junges Rasseschaf qualvoll eingehen musste, keine weiteren Nachkommen in die Welt setzen wird und zwei Lämmer nun ohne Mutter sind.
Jahrgang 1985, aufgewachsen auf dem Land in Thüringen. Fürs Studium 2007 nach Dortmund gekommen. Schreibt über alles, was in Holzwickede passiert. 17.000 Einwohner mit Dorfcharakter – wie in der alten Heimat. Nicht ganz: Dort würden 17.000 Einwohner locker zur Kreisstadt reichen. Willkommen im Ruhrgebiet.
