Meldeverzug über die Feiertage: Was die Omikron-Datenlücke bedeutet
Coronavirus
Omikron breitet sich aus. Doch die aktuelle Lage in Deutschland ist diffus – die Daten sind aufgrund der Feiertage nicht vollständig. Wie konnte es dazu kommen und welche Konsequenzen hat das?

Eine Mitarbeiterin bereitet in einem Labor Teströhrchen für einen PCR-Test vor (Archivbild). © picture alliance/dpa
Deutschland bewegt sich, was Corona angeht, aktuell im Nebel. Die Inzidenz der Infektionsfälle ist zwar über die Weihnachtstage gesunken, doch belastbar sind die Zahlen nicht. So haben einige Gesundheitsämter Daten verzögert weitergegeben – und alles in allem wurde weniger getestet.
Corona-Lage: Das sagen die Daten
Das Robert Koch-Institut (RKI) hat am Mittwoch eine niedrigere Inzidenz als am Vortag veröffentlicht – mit der Einschränkung, dass die Daten ein unvollständiges Bild abgeben könnten. So lag der Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner bei 205,5. Zum Vergleich: Am Vortag hatte die Inzidenz bei 215,6 gelegen, vor einer Woche bei 289,0 – im Vormonat bei 442,9. Die Gesundheitsämter meldeten 40.043 Neuinfektionen.
Zugleich war die Zahl der bisher nachgewiesenen und wahrscheinlichen Omikron-Fälle am Dienstag stark gestiegen: um 45 Prozent im Vergleich zum Vortag. Für die laufende Woche rechnet das RKI mit einer „hohen Anzahl an Neu- und Nachmeldungen“.
Der Deutsche Städtetag zieht geringere Testkapazitäten als Erklärung für die unklare Lage heran. „Die Gesundheitsämter der Städte arbeiten auch zwischen Weihnachten und Neujahr, veranlassen Tests und melden die Testergebnisse weiter“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die meisten PCR-Tests werden allerdings von der niedergelassenen Ärzteschaft durchgeführt. Da viele Arztpraxen und Labore jetzt im Weihnachtsurlaub sind, wird dort weniger getestet.“
Zudem sei der Zeitaufwand größer, um bei positiven Proben durch Sequenzierung eindeutig die Omikron-Variante festzustellen.
Omikron wohl viel verbreiteter als angenommen
Laut dem Epidemiologen Hajo Zeeb von der Universität Bremen dürfte Omikron schon jetzt einen größeren Teil der Neuinfektionen ausmachen. „Das heißt, ich traue den Zahlen nur bedingt“, sagte der Wissenschaftler dem RND. Auch der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte am Mittwoch, es sei davon auszugehen, dass die tatsächliche Inzidenz in Deutschland derzeit zwei- bis dreimal so hoch sei wie ausgewiesen.
Omikron könnte also schon viel verbreiteter sein als momentan angenommen. Besonders mit Blick auf die sprunghaften Anstiege der Infektionsfälle in anderen europäischen Ländern scheint das wahrscheinlich.
Wann die Daten wieder belastbar sind
Lauterbach will die Gesundheitsämter dazu bringen, schnell die Kapazitäten für Tests und Kontaktnachverfolgungen wieder hochzufahren. Anfang 2022 erwartet die Bundesregierung ein klareres Bild. „Die Zahlen werden sich zu Beginn des Jahres wieder normalisieren, es wird zu Nachmeldungen kommen“, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Mittwoch.
So dürften Nachmeldungen einzelner Ämter einige Tage brauchen. Das heißt auch, dass die Zahlen an einigen Tagen sprunghaft steigen könnten – je nachdem, wann die Gesundheitsämter Infektionen nachmelden.
Dedy vom Deutschen Städtetag forderte sofortige Maßnahmen: „Um Meldelage und verlässliche Datenlieferungen weiter zu verbessern, sollten Bund und Länder dafür sorgen, dass die niedergelassenen Praxen die nötigen PCR-Tests auch an Feiertagen wie Weihnachten und Neujahr sicherstellen und auch genügend Laborkapazitäten an diesen Tagen zur Verfügung stehen.“
Union: Dunkelziffer muss schnell ausgeleuchtet werden
Kritik an der aktuellen Situation kommt vom stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion für Gesundheit, Sepp Müller. „Das Problem ist da. Der Bundesgesundheitsminister wusste, dass die Testkapazitäten über die Feiertage deutlich reduziert werden“, sagte der Politiker dem RND. „Anstatt wie beispielsweise in Wien mit Gurgel-PCR-Test zu arbeiten, rennen wir nun der Welle wieder einmal hinterher.“
Müller ergänzte: „Wir brauchen schnellstmöglich die Feststellung der epidemischen Lage nationaler Tragweite, um den Instrumentenkasten vollständig zur Verfügung zu haben. Einreisen aus Hochinzidenzregionen sollten nur mit PCR-Test möglich sein.“ Die Schulen und Kitas sollten PCR-Testungen in der ersten Woche durchführen lassen, um die Dunkelziffer schneller auszuleuchten, sagte Müller weiter.
RND
Der Artikel "Meldeverzug über die Feiertage: Was die Omikron-Datenlücke bedeutet" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.