Viele Medikamente in NRW nicht lieferbar Jedes zweite Rezept betroffen

Viele Medikamente in NRW nicht lieferbar
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Der Apothekerverband beklagt einem Medienbericht zufolge einen verbreiteten Mangel an Medikamenten in Nordrhein-Westfalen. „Von den 100 Millionen Rezepten, die jährlich in den Apotheken von Nordrhein-Westfalen eingereicht werden, ist mittlerweile fast jedes zweite von einem Engpass betroffen“, sagte der Chef des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, der „Rheinischen Post“ (Montag). Mal gebe es das Medikament gar nicht, mal nicht in der verschriebenen Dosierung oder Darreichungsform.

Laut Preis hat das auch zur Folge: „Der Hersteller eines Paracetamol-Safts für Kinder liefert nun Packungen nach Deutschland, die eigentlich für die Ukraine bestimmt sind, eine ukrainische Aufmachung und einen ukrainischen Beipackzettel haben.“

Medikamentenmangel in NRW: Hausärzte alarmiert

Auch Hausärzte sind dem Blatt zufolge alarmiert: „Die Engpässe betreffen verschiedene Blutdruckmedikamente, Schmerzmittel, Psychopharmaka und auch Antibiotika. Bestimmte Säfte sind nicht zu bekommen, das trifft besonders Kleinkinder, die keine Tabletten schlucken können“, sagte der Chef des Hausarztverbands Nordrhein, Oliver Funken. „Wir fordern die Rückverlagerung der Medikamenten-Herstellung in den Schengenraum.“

Lieferengpässe gab es zuletzt bei patentfreien Medikamenten wie Fiebersäften für Kinder, aber auch bei Präparaten für Erwachsene wie Antibiotika und Krebsmedikamenten. Um das künftig zu vermeiden, sollen nach Plänen des Bundesgesundheitsministeriums auch neue Regeln für Vorräte als Sicherheitspuffer kommen.

Studie zu Medikamentenmangel: Bevölkerung besorgt

Eine neue Studie des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) hat gezeigt, dass viele Menschen in Deutschland die Knappheiten bei Arzneien fürchten. Insgesamt 38 Prozent der Befragten schätzen die Gefahr von Lieferengpässen als „sehr hoch“ oder „eher hoch“ ein. Auf der anderen Seite steht ein Drittel der Teilnehmer, die die Gefahr für „niedrig“ oder „sehr niedrig“ hält, so die repräsentative Umfrage, an der im Herbst 2000 Menschen teilnahmen.

Dabei schätzten besonders Menschen zwischen 50 und 69 Jahren die Gefahr von Lieferengpässen als groß ein (insgesamt 41 Prozent) sowie Menschen über 70 Jahre (43 Prozent). Schwierigkeiten oder Knappheiten beim Kauf von Arzneien erlebt haben jedoch vor allem die 30- bis 49-Jährigen (37 Prozent) und weniger Menschen über 70 (22 Prozent).

Unter anderem hatten chronisch Kranke Probleme

Insgesamt haben laut Studie 30 Prozent der Befragten binnen zwölf Monaten Schwierigkeiten oder Knappheiten beim Kauf von Arzneien erlebt. Zum Vergleich: Im Juni 2022 waren es 18 Prozent gewesen, so der BAH. Dort glaubt man aber nicht, dass sich die Lage seither deutlich zugespitzt hat, sondern, dass die zunehmende Medienberichterstattung zu einer „gefühlt“ verschlechterten Versorgungslage beigetragen habe.

Generell hätten jüngere Bevölkerungsgruppen sowie Haushalte mit Kindern, Pflegebedürftigen oder chronisch Kranken öfter Probleme beim Kauf von Arzneien erlebt, erklärte der BAH. Doch Angst vor Engpässen haben demnach eher Ältere sowie chronisch Kranke und Menschen, die viele Medikamente brauchen, darunter viele Rentner, obwohl diese Gruppe nicht signifikant häufiger Probleme erlebt habe. Ältere seien aber oft von schweren Krankheiten betroffen und sorgten sich mehr.

Was der Bund gegen die Knappheit unternehmen will

Die Bundesregierung setzt im Kampf gegen knappe Arzneien an mehreren Stellen an. So sollen nach Plänen des Gesundheitsministeriums neue Regeln für Vorräte als Puffer kommen. Zum Auffangen kurzfristiger Störungen in der Lieferkette oder kurzzeitiger größerer Mehrbedarfe werde „eine Pflicht zur mehrmonatigen Lagerhaltung“ eingeführt, heißt es in einem Referentenentwurf für ein geplantes Gesetz.

Der Entwurf folgt auf Eckpunkte, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits Ende vergangenen Jahres vorgelegt hatte. Sie sehen auch neue Preisregeln vor, die Lieferungen nach Deutschland für Arzneihersteller wirtschaftlich attraktiver machen sollen.

Hersteller von patentfreien Arzneien sehen aber weiter hohen Kostendruck bei Arzneien. Sie erwarten teils, Arzneien vom Markt nehmen zu müssen, heißt es in einer Umfrage des Lobbyverbands Pro Generika. Die Hersteller beklagen steigende Kosten bei zugleich strenger Preisregulierung in Deutschland, sodass sich einige Firmen aus der Produktion etwa von Kinder-Fiebersäften zurückgezogen haben.

dpa/seh

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