Medikamenten-Mangel ist Thema im NRW-Landtag Kinder-Antibiotika-Importe sicher, aber keine Lösung

Medikamenten-Mangel für Kinder ist Thema im Landtag: Versorgungsengpässe bei Fieber-Säften
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Wenn bei Kindern die Temperatur klettert und die Apotheke keinen Fieber-Saft mehr hat, geraten Eltern in Bedrängnis. Seit Monaten kämpft Deutschland mit Versorgungsengpässen bei mehreren wichtigen Medikamenten. Das ist ein Anlass für eine Aktuelle Stunde im NRW-Landtag. Arzneimittel-Engpässe in der Kinder- und Jugendmedizin sind am Mittwoch (3.5.) Thema im Düsseldorfer Landtag.

Die Versorgung sei akut gefährdet, deshalb müsse sich das Parlament in einer Aktuellen Stunde mit dieser Frage beschäftigen, begründen CDU und Grüne ihren Vorstoß. „Es fehlen Fiebersäfte für Kinder, die Antibiotika enthalten, teilweise auch Blutdruckpräparate oder Tumormedikamente“, beklagen die Regierungsfraktionen in ihrem Antrag. Die Situation habe sich deutlich zugespitzt.

Besonders antibiotikahaltige Fieber-Säfte für Kinder, die etwa bei Mittelohr- oder Halsentzündungen benötigt würden, seien schwer zu bekommen. Dies sei nicht hinnehmbar. Immer mehr Bundesländer ergreifen Notmaßnahmen gegen den Mangel bei Antibiotikasäften für Kinder. Nach Bremen, Bayern und Nordrhein-Westfalen hatte zuletzt auch Baden-Württemberg am Dienstag mitgeteilt, entsprechende befristete Regeln zur Abweichung vom Arzneimittelgesetz erlassen zu haben.

Die Verwendung von eigentlich nicht in Europa zugelassenen Antibiotika beeinträchtigt laut Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) nicht die Arzneimittelsicherheit. Die Amtsapotheken vor Ort genehmigten und kontrollierten diese Einfuhren, versicherte Laumann am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde des Düsseldorfer Landtags zum Mangel an Arzneien für Kinder. Bei Großimporteuren überprüften die Bezirksregierungen, auch anhand von Proben, ob die Medikamente in Ordnung seien und wie sie hergestellt wurden.

Antibiotika fehlen: Weltweiter Mangel

Die Oppositionsfraktionen kritisierten, längst absehbare Engpässe seien politisch zu lange ignoriert worden. Nachdem die Arzneimittel-Lieferketten über Jahrzehnte funktioniert hätten, gebe es jetzt ernstzunehmende Engpässe, räumte der Minister ein. Bei Fiebersäften für Kinder sei dies schon länger festzustellen gewesen, nun auch bei Antibiotika für Kinder und Jugendliche. Da der Bund den Versorgungsmangel offiziell festgestellt habe, seien die Importe der bislang hier nicht zugelassenen Arzneien nun als befristete Ausnahme möglich, sagte Laumann. Mehrere Bundesländer lockern jetzt die Einfuhr-Regeln bei Antibiotika-Säften für Kinder.

Er müsse allerdings die Erwartung dämpfen, dass damit alle Probleme gelöst würden. „Wir haben es bei Antibiotika mit einem weltweiten Mangel zu tun“, sagte der Minister. Das betreffe auch die Grundsubstanzen, aus denen Apotheker Säfte herstellen könnten. Daher seien die Mengen beschränkt, die über die zunächst bis zum 30. September befristete Abweichung vom Arzneimittelgesetz zu besorgen seien. Auch die im geplanten Bundesgesetz zur Arzneimittelversorgung vorgesehenen Mechanismen könnten erst mittelfristig wirken.

Das Bundeskabinett hatte im vergangenen Monat einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Arzneimittel-Lieferengpässen beschlossen. Er muss aber noch durch Bundestag und Bundesrat. Das Gesetz soll Herstellern ermöglichen, höhere Abgabepreise für Kindermedikamente in Deutschland zu verlangen, so dass sich Lieferungen nach Deutschland mehr lohnen. Bei wichtigen Medikamenten ist grundsätzlich auch eine Pflicht zur mehrmonatigen Lagerhaltung vorgesehen. Und bei Antibiotika sollen Hersteller, die Wirkstoffe in Europa produzieren, stärker zum Zug kommen. „Wir müssen mehr auf die Sicherheit unserer Lieferketten achten“, mahnte Laumann.

Wenn die Arzneimittelproduktion aus Ländern wie China und Indien zurück nach Europa geholt werden solle, müsse dafür aber auch mehr Geld in die Hand genommen werden. Das werde höhere Krankenkassenbeiträge nach sich ziehen. Zur Wahrheit gehöre zudem, dass entscheidende Produktionsstandortfaktoren in den Jahren, in denen die Arzneimittelversorgung preisgünstig und sicher gewesen sei, „alle schön ignoriert“ worden seien. Dazu zählten etwa Auflagen in der Forschung oder beim Abwasserschutz, „die alle richtig sind, die aber woanders eben lockerer sind als bei uns“. Einig zeigten sich alle Fraktionen, dass grundlegende Lösungen nicht kurzfristig zu haben seien.

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Mangel an Arzneimitteln durch Preis-Dumping

Der aktuelle Mangel sei auf jahrzehntelanges Preis-Dumping zurückzuführen, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Meral Thoms. „Bei patentfreien Arzneimitteln wurde zu einseitig auf die Kosten geschaut und der Aspekt der Versorgungssicherheit vernachlässigt.“ Die SPD-Abgeordnete Lisa-Kristin Kapteinat warf der schwarz-grünen Landesregierung vor, die Bürger lange in falscher Sicherheit gewogen zu haben. Dabei seien die Apothekenregale mit Kinder-Fiebersäften schon im vergangenen Sommer leer gewesen. Jetzt müssten die Eltern seriös aufgeklärt werden, was es mit den in Deutschland eigentlich nicht zugelassenen Importen auf sich habe.

Auch der AfD-Abgeordnete Martin Vincentz unterstrich, Lieferketten-Problem seien mindestens seit zehn Jahren bekannt. „Das ist in der medizinischen Versorgung allgemein bekannt, dass die Rabattverträge genau darauf hinauslaufen werden“, stellte der Mediziner fest. Die Regierung habe nichts aus der einseitigen Energie-Abhängigkeit von Russland gelernt, sondern sich auch im Pharma-Bereich wieder auf ein beschränktes Staatensystem verlassen. Nun müssten dringend Lösungen statt „warme Worte“ präsentiert werden. Die FDP-Abgeordnete Susanne Schneider sprach angesichts der „suboptimalen Bedingungen“ für Forschung, Entwicklung sowie für die Produktionsbedingungen der Pharmaindustrie von einer scheinheiligen Debatte.

Bei preisgünstigeren Nachahmer-Arzneien sei der Kostendruck in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. „Daher war es für viele Hersteller nicht mehr attraktiv, Generika zu produzieren“, stellte die frühere Pharma-Referentin fest. In der Folge sei die Zahl der Produktionsstätten geschrumpft und ein Ausfall an einem einzigen Standort schon enorm spürbar. Der CDU-Abgeordnete Marco Schmitz schlug eine bessere Verteilung der Medikamente auf die derzeit unterschiedlich von Lieferengpässen betroffenen Bundesländer vor.

„Wer freitags nachts mit seinem Kind mit Ohrenschmerzen und Fieber in einer Notfallpraxis steht und froh ist, die richtige medizinische Versorgung und ein Rezept erhalten zu haben, darf nicht am Mangel der Medikamente scheitern“, sagte der Vater zweier Söhne. „Und es kann auch nicht die Lösung sein, dass Eltern nach Holland fahren, um dort Fieber-Saft zu kaufen.“

dpa/bani