Seit Wochen bereiten Engpässe bei Arzneimitteln Patienten sorgen. Vor allem Eltern müssen schauen, wo sie Medikamente für ihre Kinder bekommen, da manche in Apotheken schwer zu bekommen sind. Hinzu kommt noch die starke Zunahme an Grippe- und RS-Virus-Fällen, die die Nachfrage nach Erkältungsmitteln steigen lassen.
Wie der Apothekerverband Westfalen-Lippe mitteilt, kommt zu den fehlenden Arzneimitteln nun noch ein Problem hinzu: Die Preise vieler Medikamente steigen. Ein Hersteller habe demnach die Preise seiner Antibiotika-Säfte für Kinder erhöht.
Die Preiserhöhung bekommen dann die Eltern zu spüren. Krankenkassen erstatten nur bis zu einer festen Grenze die Kosten. Die Differenz müssen Patienten dann aus eigener Tasche bezahlen. „Die Apotheken sind in vielen Fällen gesetzlich dazu verpflichtet, diese Mehrkosten von den Patienten zu verlangen. Wir sind an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden und haben keinerlei Spielraum, weil wir sonst aufsichtsrechtliche Konsequenzen riskieren“, sagt Jörg Pesch, Vorsitzender der Bezirksgruppe Hagen im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL). Die Apotheke selbst habe nichts von diesen Mehrkosten.
Steigende Produktionskosten sorgen für Lieferengpässe
In aller Regel würden die Apotheken vor Ort in Absprache mit den Ärzten im Falle von Engpässen Lösungen finden, so Pesch. „Das wird allerdings immer schwieriger.“ Es dürfe jedoch nicht sein, dass Familien künftig zusätzlich belastet würden. Dies könne insbesondere für einkommensschwache Eltern in der aktuellen Situation zu einem Problem werden – neben der Sorge um ihr krankes Kind.
Die gestiegenen Produktionskosten können sich auf zwei Arten negativ auf das Arzneimittel-Angebot in Apotheken auswirken. Einerseits wird es für Hersteller unwirtschaftlich, ein Arzneimittel zu den von den Kassen bezahlten Festbeträgen zu produzieren und zu vertreiben. Deshalb steigen die Preise für die Patienten.
Je nach Anbieter müssen Eltern beispielsweise bei einigen Fieberzäpfchen etwas mehr als einen Euro draufzahlen. Bei Paracetamol-Säften sind es dann schon bis zu drei Euro, bei Nasentropfen für Babys könnte es noch teurer werden.
Ein anderes Problem ist bereits seit Wochen zu beobachten. Ist die Produktion für ein Medikament nicht mehr rentabel, ziehen sich Marktteilnehmer zurück. Dadurch können weniger Mittel angeboten werden - was bei den Fiebersäften häufig der Fall ist.
Die Apothekerverbände appellieren deshalb an die Krankenkassen, die Aufzahlungen zu übernehmen, wie die WAZ berichtet. Demnach müsse die Vergütung durch die Kassen gesichert sein, „und zwar ohne Sorge vor Regressen, wenn die Apotheken bei bestehenden Lieferengpässen zum Beispiel paracetamolhaltige Fiebersäfte selbst herstellen“, so Nina Grunsky, Sprecherin des Apothekerverbands Westfalen-Lippe.
Krankenkassen reagieren auf steigende Preise
Erste Krankenkassen haben bereits auf die steigenden Medikamenten-Preise reagiert. Die AOK hat beschlossen, bei ibuprofen- und paracetamolhaltigen Fiebersäften für Kinder ab sofort anfallende Mehrkosten zu übernehmen. Die Ausnahmeregelung soll zunächst für die laufende Erkältungssaison bis Ende März 2023 gelten. Die Krankenkasse BIG mit Sitz in Dortmund hat ebenfalls finanzielle Unterstützung für Patienten angekündigt. Sie übernimmt seit August - ebenfalls zeitlich begrenzt bis März 2023 - bei Schmerz- und Fiebersäften die zusätzlichen Kosten, um Eltern kranker Kinder zu entlasten.
„Eltern mit erkrankten Kindern werden aktuell durch diese Knappheit verunsichert. Wir möchten die Familien unterstützen, indem wir die Mehrkosten, soweit sie anfallen, für unsere Versicherten übernehmen“, heißt es von Seiten der AOK. Laut WAZ-Bericht könnten aber auch Hersteller verpflichtet werden, Basismedikamente trotz der hohen Produktionspreise herzustellen.
Eine Alternative wären auch Paracetamol- und Ibuprofentabletten, die laut Beipackzettel schon ab vier Jahren (Paracetamol) oder ab sechs Jahren (Ibuprofen) gegeben werden dürfen. Wenn die Kinder diese aber nicht schlucken können, sollen die Tabletten nicht einfach in einer Flüssigkeit aufgelöst werden. Darüber sollte die Apotheke beraten.
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