Zwei Saisons blieb die Grippewelle in Deutschland weitgehend aus - seit einigen Wochen aber und damit vergleichsweise früh werden nun recht hohe Fallzahlen gemeldet. Nach Definition des Robert Koch-Instituts (RKI) habe die Grippewelle in der Woche bis 30. Oktober begonnen, geht aus dem wöchentlichen Bericht zu akuten Atemwegserkrankungen vom Mittwochabend hervor.
Maßgeblich für die Einschätzung sind Ergebnisse aus einem Überwachungssystem, bei dem Proben von Menschen mit akuten Atemwegserkrankungen untersucht werden. Routinemäßig wird dabei nach verschiedenen Erregern geschaut, etwa Rhinoviren, Sars-CoV-2 und Influenza.
Die Definition für den Beginn der Welle erklärt das RKI so: „Stark vereinfacht kann man sagen: Wenn in jeder fünften Patientenprobe tatsächlich Influenzaviren nachgewiesen werden - die sogenannte Positivenrate also bei etwa 20 Prozent liegt - hat die Grippewelle begonnen.“
Besonders viele Grippe-Meldungen aus NRW
„Während der letzten Monate wurden deutlich mehr Influenzameldungen an das RKI übermittelt als in den vorpandemischen Saisons um diese Zeit“, heißt es im Bericht weiter. Wahrscheinlich beruhe dies unter anderem auch auf der Empfehlung seit der Corona-Pandemie, dass bei Atemwegssymptomen auch auf Influenzaviren getestet werden sollte.
Für vergangene Woche seien bislang mehr als 2100 Grippe-Fälle übermittelt worden - und seit Saisonbeginn im Oktober insgesamt rund 8330. Besonders viele Meldungen kamen demnach aus Bayern und Nordrhein-Westfalen. Berichtet wird zudem über 13 Ausbrüche mit mindestens fünf Fällen, etwa an Schulen und Kindergärten. Entsprechend voll ist es derzeit bei den niedergelassenen Ärzten.
Auch wenn es zuletzt Warnungen vor einer nun drohenden schweren Welle gab: Das RKI und andere Fachleute betonen, dass sich der Verlauf nicht vorhersagen lasse. Allerdings ist laut RKI „denkbar“, dass die Bevölkerung in erhöhtem Maß und/oder ein erhöhter Anteil der Bevölkerung anfällig ist für die Erreger, wie es auf der Institutswebseite heißt.
Vor allem Kinder häufiger betroffen
Weitere Fachleute hatten von zu erwartenden Nachholeffekten gesprochen. Das heißt: Wer länger keine echte Grippe hatte, könnte nun wieder fällig sein. Erwachsene machten die Erkrankung in der Regel ohnehin nur alle paar Jahre durch, hatte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, kürzlich gesagt: „Das, was umgangssprachlich als Grippe bezeichnet wird, ist ja meist nur eine Erkältung. Bei Influenza kann man schon mal eine Woche flachliegen.“
Anzunehmen sei, dass nach den grippearmen vergangenen zwei Wintern mehr kleinere Kinder als üblich ohne Immunschutz sind - sie verpassten ihre ersten Grippeinfektionen. Bei der Gruppe verlaufe die Krankheit in der Regel aber auch nicht schwer.
Die Meldezahlen sind nur ein Ausschnitt der tatsächlichen Lage: Die Zahl der Infektionen während einer Grippewelle wird nach RKI-Angaben auf 5 bis 20 Prozent der Bevölkerung geschätzt, was in Deutschland etwa 4 bis 16 Millionen Menschen entspreche. Nicht jeder Infizierte erkranke.
Engpässe bei gängigen Erklältungsmitteln
Problematisch ist allerdings, dass es in diesem Jahr immer wieder Engpässe bei Medikamenten gegeben hat. Klassische Erkältungsmittel wie Fiebersaft sind nach Aussage des Deutschen Apothekerverbandes hierzulande immer häufiger und immer länger nicht erhältlich. „Über 250 Mittel sind aktuell als nicht lieferfähig gemeldet“, sagte der Vizevorsitzende des Verbands, Hans-Peter Hubmann, der Deutschen Presse-Agentur bereits Ende September. „Das Problem ist schon sehr bedeutend, das muss man klar sagen.“
„Lieferengpässe gibt es immer wieder mal, weil ein Produzent ausfällt, aber die Menge und die Länge des Ausfalls ist deutlich dramatischer geworden“, schilderte Hubmann. Vor fünf Jahren seien zahlenmäßig nicht einmal halb so viele Produkte betroffen gewesen. Probleme gibt es dabei nicht nur bei Nischenprodukten, sondern auch gängige Mittel gegen Bluthochdruck und Diabetes oder Schmerzmittel wie Ibuprofen waren phasenweise bereits nicht erhältlich.
Auch aktuell gibt es wieder Lieferprobleme bei Erkältungsmitteln, wie die Rheinische Post berichtet. „Nach brancheninternen Hochrechnungen sind derzeit schon über 1000 Arzneimittel nicht lieferbar, Tendenz steigend“, sagt Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, der Zeitung. Magenmedikamente mit Pantoprazol und Codein-Hustenmittel seien demnach für die Apotheken zur Zeit fast gar nicht mehr zu bekommen. „Seit dem Sommer liefern die Hersteller auch fast keine Fiebersäfte für Kinder mit Paracetamol oder Ibuprofen an die Apotheken aus.“
Masken und Impfung können vor Grippe schützen
Damit es im Idealfall gar nicht erst zu einer Infektion kommt, kann jeder für sich Schutzmaßnahmen ergreifen. Um Ansteckungen zu vermeiden rät das RKI dazu, Hygieneregeln wie die aus der Corona-Pandemie zu beherzigen. Dazu gehört regelmäßiges Lüften sowie das Tragen von Masken in Innenräumen oder bei großen Menschenansammlungen.
Zudem empfiehlt das RKI zum Schutz vor einer Infektion eine Influenza-Impfung allen Menschen über 60 Jahren sowie Schwangeren ab dem zweiten Drittel der Schwangerschaft. Für eine ausreichende Immunisierung ist eine jährliche Auffrischung nötig.
Seit Anfang November dürfen auch Apotheken neben Corona-Impfungen auch Grippeschutzimpfungen anbieten. Nach der gesetzlichen Grundlage liegen nun auch alle vertraglichen und fachlichen Voraussetzungen dafür vor, heißt es in einer Mitteilung des Apothekerverbandes. Auf dem Verbraucherportal www.mein-apothekenmanager.de kann nach Apotheken in der Nähe gesucht werden, die die Serviceleistung „Grippeimpfung“ anbieten.
Krank geworden: Was gehört in eine Hausapotheke?
Für die meisten Menschen ist eine Grippe-Infektion zwar nicht gerade angenehm, in der Regel aber auch nicht gefährlich und nach etwa 14 Tagen wieder vorbei. Es bietet sich allerdings an, für den Fall einer Infektion ein paar Arzneimittel im Haushalt zu haben.
Wer bereits Medikamente zu Hause aufbewahrt, sollte allerdings regelmäßig das Haltbarkeitsdatum checken. Insbesondere Flüssigkeiten, Salben oder Cremes sind sehr empfindlich.
Das gehört für den Winter in eine Hausapotheke:
- Zur Vorbeugung: FFP2-Masken und Handdesinfektionsmittel können vor einer Grippe-Erkrankung schützen. Bei ersten Symptomen können auch noch Erkältungssprays hilfreich sein.
- Bei Fieber/Schmerzen: Ein Fieberthermometer sollte in jeder Hausapotheke vorhanden sein. Ansonsten lohnen sich Schmerzmittel mit Ibuprofen oder Paracetamol als Saft, Zäpfchen oder Tabletten.
- Bei Husten: Schleimlösende Präparate mit Ambroxol, Acetylcystein oder mit Efeu-, Thymian- oder Eukalyptusextrakten helfen gegen Husten. Es eignen sich auch Extrakte aus Eibischblättern und Isländisch Moos.
- Bei Halsschmerzen: Eibisch und Isländisch Moos sind auch bei Halsschmerzen hilfreich. Ansonsten eignet sich Salbei - alles als Bonbon oder Tee.
- Bei Schnupfen: Nasensprays mit den Wirkstoffen Xylometazolin, Oxymetazolin oder Tramazolin wirken abschwellend.
rej/dpa
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