Ein Mann steht vor einer Müllsortieranlage.

Dr. Axel Schweitzer ist Chef der neuformierten Interzero-Gruppe. Er will die Müllsortieranlage in Marl für ein Recyceling-System nutzen, das ein klares Ziel hat: Eine Welt ohne Müll. © Thomas Brysch

Video: Nach Müll-Mief und Bränden: Das soll bei Alba künftig besser werden

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Aus Alba wird Interzero: Der neue Firmenchef Dr. Axel Schweitzer erklärt am Standort Marl die Zukunft der Müllsortieranlage. Er setzt auf Transparenz und gute Nachbarschaft.

Marl

, 13.06.2022, 17:47 Uhr / Lesedauer: 2 min

Dr. Axel Schweitzer hat eine Vision: eine Welt ohne Müll. Doch um dieser Vision näher zu kommen, führt kein Weg vorbei an den Bergen von übelriechenden Abfällen, die unsere Wegwerfgesellschaft täglich produziert. Und die türmen sich in der Müllsortieranlage der Alba Group im Chemiepark Marl. Unter dem Namen Interzero wird die Anlage künftig geführt. Nachhaltigkeit und Klimaschutz hat sich Schweizers neue Firmengruppe auf die Fahnen geschrieben. Und sie will konsequenter als bisher das Misstrauen vieler Anwohner im unmittelbaren Umfeld abbauen.

Es ist eine Halle, die ihresgleichen sucht: 30.000 Quadratmeter Grundfläche, 400.000 Kubikmeter umbauter Raum. 330 Transportbänder mit einer Gesamtlänge von zehn Kilometern bewegen bis zu 700 Tonnen Müll pro Tag, insgesamt 200.000 Tonnen pro Jahr. Die Marler Anlage der Interzero Plastics Recycling sichert im Bereich Gelbe Tonne/gelber Sack die Entsorgung für etwa 6,4 Millionen Menschen. Überwiegend in NRW. Die Sortierung in der Halle läuft vollautomatisch über sieben Überbandmagneten, vier Windsichter, fünf Nahinfrarot-Trenner, drei Pressen und fünf Roboter. Niemand der etwa 100 Mitarbeiter am Standort Marl muss am Band noch mit Händen in den Müll greifen. Dennoch: Schon der Aufenthalt in der gigantischen Halle im Vier-Schicht-Betrieb ist hartes Brot. Es ist laut, es ist heiß, Fliegen schwirren um den Kopf und der Geruch ist nichts für empfindliche Nasen. Wer die Halle verlässt und draußen die frische Luft einatmet, weiß, was er hinter sich hat, sehnt sich nach Kleidungswechsel und Dusche.

Im Bild ist die Halle einer Müllsortieranlage zu sehen.

Lärm, Hitze und Geruch: In der gigantischen Halle der Müllsortieranlage von Interzero (bislang Alba) im Chemiepark Marl wird der Müll über ein Fließbandsystem mechanisch getrennt. © Thomas Brysch

In Marl war die seit 2017 laufende Sortieranlage lange umstritten. Sie wurde 2019 bei einem Großbrand schwer beschädigt und wiederaufgebaut. Seitdem kam es immer wieder zu Kleinbränden durch entzündete Batterien im Müll, die Werkfeuerwehr des Chemieparks musste regelmäßig ausrücken, Anwohner klagten wiederholt über Geruchsbelästigung und Fliegenschwärme. Ein Mann kam bei Reparaturarbeiten in der Halle ums Leben. Die Standortleitung des Chemieparks verlangte energisch Nachbesserungen, im Marler Stadtrat gab es Überlegungen zu prüfen, ob der Anlage nicht die Betriebsgenehmigung entzogen werden kann.

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Immerhin: Alba hat reagiert. Drei mächtige Luftfilteranlagen mit je 25 Tonnen Aktivkohle wälzen 80.000 Kubikmeter Hallenluft pro Stunde um, die Geruchsbelästigung der Umwelt hat spürbar nachgelassen. In der Halle herrscht Unterdruck, der Mief bleibt drinnen, die Werksfeuerwehr hat Ruhe.

Zuletzt gab es keine Beschwerden mehr

„In den letzten Monaten gab es bei uns keinerlei Beschwerden mehr, weder von Anwohnern noch aus dem Chemiepark“, sagt Firmensprecher Henning Krumrey nicht ohne Stolz, und: „Es wird nach Corona wieder Tage der offenen Tür für alle interessierten Anwohner geben, die Menschen vor Ort sollen wissen, was in unserer Halle geschieht.“ Auch für Interzero-Chef Dr. Axel Schweitzer ist klar: „Wir können unsere Ziele nur mit Transparenz und guter Nachbarschaft erreichen.“

Ein Mann zeigt eine Dose mit Granulat.

Der Marler Standortleiter Stefan Leubner zeigt eine Flasche mit Kunststoff-Granulat, dessen Vorprodukte aus recyceltem Müll des Sortierstandorts Marl gewonnen und in der Kunststoffaufbereitungsanlage in Eisenhüttenstadt hergestellt wurde. © Thomas Brysch

Der Sortierprozess in Marl bewirkt, dass 60 Prozent der Müllmasse recycelt werden können. Stefan Leubner, Betriebsleiter am Standort Marl, zeigt eine Flasche mit Granulat, das aus Marler Müll gewonnen wurde und zu neuen Produkten verarbeitet werden kann. Dass 40 Prozent des Mülls am Ende immer noch in der Verbrennungsanlage landen, ist für Firmenchef Axel Schweitzer absolut unbefriedigend: „Die rein mechanische Trennung reicht nicht mehr aus, wir werden das chemische Recycling weiterentwickeln, um mehr Rohstoffe aus Müll zu gewinnen und die Treibhausgasemissionen weiter zu senken.“

Eine weitere Vision: Der Chemiepark Marl könnte eines Tages für die Produktion auch auf Rohstoffe aus der Müllaufbereitung zugreifen. Dann würde der Interzero-Standort im Chemiepark noch mehr Sinn machen.

Interzero-Manager Markus Müller-Drexel appelliert deshalb an die Bürgerinnen und Bürger in Marl, beim Dualen System konsequent mitzumachen und den Müll korrekt zu trennen: „Bitte vermeiden Sie Fehlwürfe, Sie sind die beste und wichtigste Sortieranlage, die wir haben.“

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