Märchenoper „Hänsel und Gretel“ Solidarität gewinnt auch im Märchenwald

Solidarität gewinnt im Märchenwald
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Je bekannter ein Stoff, desto größer ist das Verlangen von Regisseuren, diesen betont anders zu erzählen.

Michael Schulz ist dieser Versuchung bei seiner Inszenierung von Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“ am Samstag im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen nur teilweise erlegen. Grundsätzlich bietet der Gelsenkirchener Hausherr in dieser Weihnachtsproduktion für die ganze Familie ein im wahrsten Sinne des Wortes märchenhaftes Vergnügen.

Am 23.11. feiert die Kurzfassung der Humperdinck-Oper, "Hänsel und Gretel im Zauberwald", Premiere im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen.
Am 23.11. feiert die Kurzfassung der Humperdinck-Oper, "Hänsel und Gretel im Zauberwald", Premiere im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen. © Musiktheater im Revier

Lina Hoffmann als burschikoser Hänsel und Heejin Kim als Gretel sind Geschwister aus einer armen Familie, aber aus der „guten alten Zeit“, in der es statt technischem Spielzeug noch Handpuppen gibt.

Natürlich und sympathisch kindgemäß ist ihr Zusammenspiel, wohltönend ihr Gesang. Der Wald, in den sie von ihrer Mutter geschickt werden, könnte faszinierender nicht sein (Bühne: Heike Scheele) mit all den liebevollen Details und den von Martina Feldmann fantastisch als Tiere ausstaffierten Statisten.

Hexe als Drag Queen

Im letzten Bild aber – dem wichtigsten: mit der Hexe! – will Schulz es plötzlich realistisch und zeitgemäß. Tenor Martin Homrichs Knusperhexe kommt mit Vollbart, pink glänzendem Overall und Schnürstiefelchen fast wie eine Drag Queen daher.

Und er sitzt auch in keinem Lebkuchenhaus, sondern in einer Art weihnachtlichem Ausstellungswagen mit bunten Auslagen und blinkenden Lichtern. Zaubern kann er noch, aber statt des Ofens erwartet ihn eine andere Strafe.

Märchenhafte Töne

Wird in der Oper die gute Auflösung der Geschichte der Gnade Gottes zugeschrieben, so ist sie bei Schulz – weil „gesellschaftspolitisch relevanter“ – allein Ausdruck menschlicher Solidarität. So lautet bei ihm die neue, von allen gesungene Schlusssentenz: „Wenn die Not aufs höchste steigt, Mut und Hoffnung uns alle eint!“

Was den Abend tatsächlich eint, ist die hohe musikalische Qualität. Giuliano Betta und die Neue Philharmonie Westfalen lassen Humperdincks suggestives wie üppig-klangvolles Märchenreich mit großem Raffinement erstehen. Fürs besinnliche Wohlfühl-Ende sorgen die feinen Kinderchöre.

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Termine und Karten:

Termine: 24. / 28. / 30. 11., 20. / 26. / 28. 12., 10. / 26. 1., 14. 2.; ab 23. 11. gibt es zusätzlich „Hänsel und Gretel im Zauberwald“, eine gekürzte Fassung für Kinder. Karten: Tel. (0209) 409 72 00.Hier gibt es Karten

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