Mach’s modern „L’amant anonyme oder Unerwartete Wendungen“ im Essener Aalto-Theater

Mach’s modern
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Das unbekannte französische Singspiel „L’amant anonyme“ (Der anonyme Liebhaber) allein erschien der Essener Intendantin Merle Fahrholz offenbar zu dürftig für eine große Premiere im Aalto-Theater, womit sie durchaus recht hat. Also ließ sie das zwar musikalisch gefällige, aber inhaltlich belanglose Werk des Geigers, Fechters, Komponisten und Offiziers Joseph Bologne von 1780 durch „Unerwartete Wendungen“ ins Heute übertragen. Die Premiere am Samstag kam sehr gut an – und hatte auch einige Überraschungen zu bieten.

„L’amant anonyme“ handelt von dem verliebten Adligen Valcour, der seiner Angebeteten Léontine seine Gefühle nicht zu gestehen wagt und stattdessen nur mit Briefen und Geschenken um sie wirbt – bis es zuletzt durch Vermittlung seines Freundes Ophémon doch noch zum Happy End kommt. Gesungen wird auf Französisch, die Dialoge sind auf Deutsch.

George Virban in der Rolle des Valcour
Grandios, auch als lächerliche Figur: George Virban in der Rolle des Valcour © Jung

Zsofia Geréb inszeniert pointiert-witzig im recycelten Interieur der ebenfalls im Rokoko spielenden, gehaltvolleren Mozart-Oper „Die Gärtnerin aus Liebe“, einer Essener Produktion von 2021. Die drei Hauptcharaktere sind mit dem auch schauspielerisch starken lyrischen Tenor George Virban (Valcour), der ausdrucksstarken Sopranistin Lisa Wittig (Léontine) und dem warm tönenden Bariton Tobias Greenhalgh (Ophémon) typengerecht wie glänzend besetzt. Bei der Premiere wurden sie von den Essener Philharmonikern unter Wolfram-Maria Märtig samtig und fein begleitet.

Für die „Unerwarteten Wendungen“ ist mit Alvaro Schoeck ein zweiter Regisseur zuständig. Er wird gleich auf mehreren Ebenen aktiv. Am schwächsten und nervigsten gerät dabei die Erweiterung dreier Arien der Léontine durch Musik in zeitgenössischer musikalischer Sprache. Die entsprechenden Versuche SJ Hankes erweisen sich nicht nur als kompositorisch dürftig, sondern haben auch einen eher destruktiven Effekt.

Hip-Hop und Alltagssprache

Weitaus charmanter ist es, die Tanzeinlagen in Bolognes Partitur von fünf virtuosen Essener Streetdancern in Hip-Hop-Stilen näher ans heutige Auditorium heranzubringen. Über die Notwendigkeit, die Liebesnöte aus dem Singspiel von den jungen Wortkünstlern Jule Weber und Jan Seglitz zwischendurch in moderner Alltagssprache formulieren zu lassen, lässt sich streiten.

Alvaro Schoecks besonderer Clou für den Opernabend besteht in einer fiktiven Überwindung der Grenze zwischen Künstlern und Publikum. So erobern die beiden Aalto-Solisten Christina Clark und Rainer Maria Röhr als „Zuschauer“ die Bühne und begeben sich die historisch kostümierten Sänger per Videoprojektion in Essens City. Nach jeder Aufführung werden die Besucher zudem aufgefordert, im Opernfoyer für eine halbe Stunde mit den Mitwirkenden ins Gespräch zu kommen. Eine gute Idee.

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Weitere Aufführungen

Termine: 21. 3., 14. / 20. 4., 3. / 15. 5., 7. 6.; Karten: Tel. (0201) 812 22 00. www.theater-essen.de

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