„Eine Nacht in Venedig“ von Johann Strauß hat – wie viele Operetten – ein grundsätzliches Problem: Ihre eingängigen bis schmissigen Melodien treffen auf in punkto Geschlechterrollen fragwürdige Texte. Michael Schulz geht es deshalb in seiner, bei der Premiere am Samstag stürmisch gefeierten Inszenierung am Musiktheater im Revier wesentlich darum, allen Macho-Männern und Möchtegern-Casanovas die Leviten zu lesen.
Zur Wortführerin macht er Barbara, die junge Frau des alten Senators Delacqua, hinter der nicht nur der Lebemann Guido von Urbino her ist. Resolut stimmt Lina Hoffmann dabei das Chanson „Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben“ an, obwohl das aus der Operette „Eine Frau, die weiß, was sie will“ von Oscar Straus stammt. Später erhebt sie das Wort gegen alle Männer, die immer noch meinen, nach Belieben über Frauen verfügen zu dürfen. In einer eingefügten Barockarie des Venezianers Vivaldi hat sie die Hosen an – neben vier weiteren Sängerinnen, darunter Alfia Kamalova mit perlenden Koloraturen.
Deutscher Karneval
Gelsenkirchens Hausherrn Schulz gelingt in Zusammenarbeit mit Beata Kornatowska (Bühne) und Renée Listerdal (Kostüme) eine fantasievolle, bunte, turbulente Produktion. Venedig-Flair allerdings gibt es kaum, denn Ort der Handlung ist ein „Ristorante di Venezia“, in dem mehr deutscher als venezianischer Karneval gefeiert wird.
„Azzurro“ und „Granada“
Überflüssig und auch nur bedingt witzig sind kurze Sprechpassagen in Dialekten. Erheiternder ist da, wenn die Französin Margot Genet als Fischermädchen Annina eine muttersprachliche Tirade loslässt. Adam Temple-Smith beginnt als Guido von Urbino dynamisch etwas unausgewogen, steigert sich aber im Laufe des Abends. Benjamin Lee als sein Liebeskurier Caramello überzeugt mit warm timbriertem, deutlich artikulierendem Tenor.
Aufgepeppt wird die von Giuliano Betta schwungvoll dirigierte Operette durch Gassenhauer wie „Azzurro“ und „Granada“ sowie weitere Arien. So wird die Rolle des Delacqua aufgewertet durch die Klage „Sie hat mich nie geliebt“ aus Verdis „Don Carlos“, die Urban Malmberg klangvoll auf Italienisch vorträgt. Und, weil sich der Name des Makkaronikochs Pappacoda so schön auf Papageno reimt, darf Martin Homrich mit Bele Kumberger auch noch das Schlussduett aus Mozarts „Zauberflöte“ anstimmen.
Termine: 1. / 3. / 9. / 10. / 14. / 26. / 31.12., 7. / 28.1., 18.2., 6. / 7.4.; Karten: Tel. (0209) 409 72 00.
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