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Lockdown-Folgen: „Manchen Jugendlichen ist mittlerweile fast alles egal“
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Der Lockdown in der Corona-Pandemie macht allen zu schaffen. Für Kinder und Jugendliche ist er besonders schlimm, findet Streetworkerin Imke Vogt. Zwei 16-Jährige aus Oberaden erklären, warum.
Wenn Manjana Malchow und Sidney Grundmann danach gefragt werden, wie es ihnen geht, dann fällt ihnen nur ein Wort ein. Es ist nicht ganz druckreif und bedeutet übersetzt „schlechter geht es kaum“.
Die beiden 16-Jährigen plagen sich wie alle Menschen seit einem Jahr durch die Corona-Pandemie mit einem Lockdown nach dem anderen – und der raubt ihnen die Jugend.
Dabei geht es nicht nur um die Schule. „Wir brauchen auch einfach einmal den Kontakt zu Freunden“, sagt Manjana Malchow. Doch statt gemeinsam etwas zu unternehmen, mit den Freunden am Kanal abzuhängen, zum Tanz-Workshop ins Jugendheim Yellowstone zu gehen oder mit anderen Sport zu treiben, bleibt ihnen nur eins: Zuhause bleiben, lernen und versuchen, den Rest der Zeit irgendwie totzuschlagen.

Die beiden 16-Jährigen zeigen einige Schritte aus der Choreografie, die sie einstudieren wollen. © Marcel Drawe
Ihre Freunde sehen die beiden Oberadenerinnen nur noch im Videochat. Manche ihrer Freunde versuchen die Zeit an der Playstation herumzubringen. „Ich schlafe manchmal einfach, weil ich nicht weiß, was ich machen soll“, sagt Sidney Grundmann. Ihre Freundin Manjana trifft sich manchmal mit einer Nachbarin im Garten zum Badminton-Spielen – und das war´s.
„Manchen Jugendlichen ist mittlerweile fast alles egal“
Sie beide kennen Jugendliche, die sich nicht an die Regeln halten, sich in der Gruppe treffen, mit der Musikbox abends durchs dunkle Bergkamen ziehen. Da machen sie nicht mit, versichern beide. „Wir wollen ja niemanden anstecken.“ Aber manchen Jugendlichen sei mittlerweile fast alles egal. „Wenn die Polizei kommt, rennen die weg und treffen sich später wieder.“

Manjana Malchow möchte gerne Erzieherin werden. © Marcel Drawe
Auch die Bergkamener Streetworkerin Imke Vogt ist davon überzeugt, dass die Pandemie und der Lockdown Kinder und Jugendliche viel härter treffen als Erwachsene.
Dabei geht es nicht nur darum, was sie an Stoff in der Schule verpassen. „Alle reden immer nur von der Schule. Kinder und Jugendliche habe aber nicht nur ein Recht auf Bildung, sondern auch ein Recht auf Freizeit“, sagt Vogt.
Jugendliche benötigen Kontakt, um ihre Persönlichkeit zu entwickeln
Damit meint sie nicht die Zeit, in der sie nichts zu tun haben – denn davon haben sie zurzeit genug. Es geht um die Zeit, in der sie die Möglichkeit haben, zusammen mit Gleichaltrigen ihre Persönlichkeit zu entwickeln – oder mit anderen Worten: eigenständig und erwachsen zu werden.
Sie sieht auch kaum Chancen, dass Jugendliche das im Lockdown verlorene Jahr noch später nachholen. Die Erfahrungen und Entwicklungen, die sie in der Pubertät machen, lassen sich nicht einfach nachholen, wenn die Pubertät vorbei ist.
Angst, den Traumberuf nicht ergreifen zu können
Es ist auch nicht so, dass die Schule den beiden Jugendlichen keine Sorgen macht. Beide haben Angst, dass sie den Abschluss nicht schaffen, den sie machen wollen, um ihren Traumberuf zu ergreifen.
Manjana Malchow möchte Erzieherin werden. Sidney Grundmann strebt die Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr an und will dafür das Abitur machen.

Sidney Grundmann träumt von der Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr. Im Moment macht sie sich aber Sorgen ums Abitur. © Marcel Drawe
Sie ist jetzt in der elften Klasse. „Es heißt immer, dass man in der Elf die Grundlagen für Abitur lernt“, sagt sie. Aber im Moment lernt sie trotz Online-Unterricht zu wenig, hat sie das Gefühl.
Ihr fehlt, dass ihr die Lehrer einfach etwas zeigen und nicht nur per Video erklären und den Austausch mit den anderen. Was man allein nicht versteht, versteht man oft gemeinsam, hat sie festgestellt.
Keiner jubelt mehr, dass er frei hat
Auch die Haltung der Jugendlichen zur Schule hat sich verändert. Am Anfang des Lockdowns hätten noch alle gejubelt, dass sie frei hatten, erinnern sich beide. Auch bei der ersten Verlängerung sei das noch so gewesen. „Mittlerweile kenne ich keinen mehr, der nicht zurück in die Schule will“, sagt Sidney Grundmann.
Die beiden freuen sich schon darauf, wenn sie irgendwann mit ihrem Tanzprojekt im Yellowstone weitermachen können und träumen von einem Auftritt vor Publikum.
Am Ende des Gesprächs haben die beiden Jugendlichen selbst eine Frage und die ist erstaunlich: Ob Erwachsene eigentlich auch Angst um ihre Zukunft haben. Ja, natürlich haben sie das. Aber mit 16? Kein Gedanke. Da stand einem doch noch die ganze Welt offen. Früher jedenfalls.