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LKA: Es gibt nur eine wirksame Vorbeugung gegen Automaten-Sprengungen
Kriminalität
Die Serie von Geldautomaten-Sprengungen in der Region ist beängstigend. Das LKA erklärt, warum Deutschland für die sogenannten „Plofkrakers“ aus den Niederlanden so attraktiv ist.
In Deutschland wird jeden Tag ein Geldautomat von Kriminellen gesprengt und an manchen Tagen sogar zwei – zumindest statistisch gesehen. In Deutschland hat es im Jahr 2020 insgesamt 414 Automatensprengungen geben, davon 176 in NRW. Auch in diesem Jahr sind allein in NRW 94 Versuche dokumentiert, Geldautomaten zu sprengen – Stand 8. Oktober. In 57 Fällen blieb es beim Versuch. Das heißt: Die Täter kamen nicht an das Geld im Automaten heran, richteten aber erheblichen Schaden an.
Das hält die Kriminellen freilich nicht davon ab, es wieder zu versuchen, sagt Udo Rechenbach vom Landeskriminalamt (LKA) in Düsseldorf. Dabei setzen sie im Zweifel immer mehr Sprengstoff ein – und das ist extrem gefährlich für Menschen, die sich in der Umgebung aufhalten.
Erst am vergangenen Mittwoch versuchten Unbekannte, den Geldautomaten in der Filiale der Sparkasse Bergkamen-Bönen im Ortsteil Rünthe mit Sprengstoff zu knacken. Der Geldautomat widerstand zwei Sprengversuchen. Die Filiale ist komplett verwüstet. Die Bewohner der Wohnungen über der Sparkasse konnten erst wieder zurück, nachdem ein Statiker das evakuierte Gebäude untersucht hatte.

Wie in der Mehrzahl der Fälle konnten die Kriminellen den Geldautomaten nicht knacken, richteten dafür aber erheblichen Schaden an. © Sparkasse Bergkamen-Bönen
Die Automatensprengung in Bergkamen war nicht die einzige in der Region in vergangenen Tagen: Allein im Oktober gab es außer in Bergkamen zweimal in Dortmund, in Marl und in Bochum Sprengungen. Die Ursache dafür, dass sie sich speziell in Deutschland so häufen, ist für LKA-Sprecher Rechenbach einfach: die Liebe der Deutschen zum Bargeld, die so ausgeprägt ist wie in fast keinem Nachbarland.
In keinem anderen Land wird noch so oft bar bezahlt, in keinem anderen Land gibt es so viele Geldautomaten. Das sind nicht nur die fest eingebauten in den Filialen der Geldinstitute, sondern auch etliche, die dort stehen, wo der Geldbedarf besonders groß ist – zum Beispiel an Bau- oder Supermärkten. „Da steht oft der Name einer Bank dran, aber Betreiber ist ein privater Dienstleister“, sagt Rechenbach.

Auch in Dortmund nahmen die Automatensprenger wenig Rücksicht. Dieser Automat befand sich neben einer Pflegeeinrichtung und in unmittelbarer Entfernung von Wohnungen. © Jörg Bauerfeld
Das hat dazu geführt, dass kriminelle Banden aus dem Ausland die vielen deutschen Geldautomaten ins Visier nehmen. Die meisten Täter kommen aus den Niederlanden über die Grenze. Dort gibt es viel weniger Geldautomaten, die sich deshalb auch besser sichern lassen. Das Landeskriminalamt hat seit 2015 sogar eine eigene Ermittlungskommission (EK) mit dem Namen „Heat“ eingerichtet, um den Tätern beizukommen.
Bei den Tätern handele es sich meist um junge Leute zwischen 18 und 35 Jahren aus dem Raum Utrecht/Amsterdam. Im Niederländischen gibt es ein eigenes Wort für sie: „Plofkrakers“, was wörtlich übersetzt „Knallknacker“ heißt.

Viele Automaten in Deutschland befinden sich nicht in einer Bankfiliale, sondern dort, wo oft Bargeld benötigt wird – wie hier im Münsterland. © Victoria Garwer
Es handelt sich offenbar nicht um feste Banden, sondern um einen Personenkreis von bis zu 500 Menschen, aus dem sich die Täter und ihre Helfer rekrutieren. Nach den Erkenntnissen der Polizei gibt es Spezialisten für Sprengsätze, für Autodiebstahl und Werkstattmeister, die an der Elektronik des Fluchtfahrzeugs Manipulationen vornehmen, sodass es nicht geortet werden kann.
Die „Plofkrakers“ bevorzugen schnelle Audis, mit denen sie mit bis zu Tempo 250 fliehen. Meist sind sie unbewaffnet, weil Waffen das Strafmaß erhöhen würden, falls sie erwischt werden.
Die Sicherheitsmaßnahmen, die Banken ergreifen, um Automaten zu sichern, halten sie bisher nicht davon ab, es wieder zu versuchen. Selbst ein Mechanismus im Automaten, der das Geld bei einer Sprengung einfärbt, hilft nicht, wie Rechenbach sagt. Es gebe in Südosteuropa Kriminelle, die mit eingefärbtem Geld etwas anfangen können und es kaufen, erklärt der LKA-Sprecher.

In der Commerzbank in Kamen sprengten Kriminelle 2016 den Geldautomaten. In den vergangenen Jahren haben die Fälle von solchen Sprengungen deutlich zugenommen. © Marcel Drawe
Aus der Sicht der Polizei gibt es nur eine wirksame Vorbeugung gegen die Automatensprengungen: wenn die Deutschen das bargeldlose Zahlen lernen und deutlich weniger Geldautomaten notwendig sind.
Ansonsten laufe es auf ein Wettrüsten zwischen Banken und Kriminellen heraus. Für jede neue Sicherungsmaßnahme suchten die Kriminellen Möglichkeiten, sie zu überwinden – im Zweifel mit immer mehr Sprengstoff. Rücksicht auf Unbeteiligte in der Umgebung nähmen sie erfahrungsgemäß nicht.