Kulturhauptstadt will kein Strohfeuer sein

Besucheransturm, positive Presse und Begeisterung in den Ruhrgebietsstädten - das Kulturhauptstadtprogramm im einstigen Kohle- und Stahlrevier hat viel Zuspruch gefunden. Rund 4,8 Millionen Gäste - etwa ein Fünftel aus dem Ausland - konnten sich selbst überzeugen, dass zwischen Duisburg und Dortmund die Luft schon lange nicht mehr schwarz ist vor Kohlenstaub.

Essen (dpa)

von Von Rolf Schraa, dpa

, 28.06.2010, 17:37 Uhr / Lesedauer: 2 min

Ein Feuerwerk strahlte während der Eröffnungsfeier der Kulturhauptstadt "Ruhr.2010" in Essen.

Ein Feuerwerk strahlte während der Eröffnungsfeier der Kulturhauptstadt "Ruhr.2010" in Essen.

Als größten Erfolg sieht Ruhr.2010-Chef Fritz Pleitgen, dass Theater, Museen und Konzerthäuser der in 53 Städte zersplitterten Region erstmals gemeinsame Programme präsentieren und die Bevölkerung mitzieht. Doch diesen Geist in die Zukunft zu retten wird schwer - gemeinsame Töpfe oder gar eine Fortsetzung der Ruhr.2010 GmbH als dauerhafte Steuerinstanz für Netzwerkprojekte der ganzen Region sehen die einzelnen Kommunen mit Skepsis.

Die Kulturdezernenten der vielfach überschuldeten Städte möchten das wenige Geld, das ihnen in der Krise bleibt, nach dem Ausnahmejahr mit hohen Abgaben in den Ruhr.2010-Topf künftig wieder selbst verplanen. Erfolgreiche 2010-Projekte wollen die Kommunen unter ihrer Fahne weiterführen.

Das führte vergangene Woche zum öffentlichen Schlagabtausch: Kommunalvertreter ließen ein Ruhr.2010-Papier, das mögliche künftige, erweiterte Aufgaben beschreibt, aus einer internen Sitzung an die Presse durchsickern. Pleitgen sah sich genötigt klarzustellen, dass die Ruhr.2010 keineswegs ein «Kulturdezernat für das ganze Ruhrgebiet» oder eine neue Bürokratie-Instanz anstrebe.

Erfolgreiche Kulturarbeit für das Ruhrgebiet funktioniere aber nur im Zusammenwirken der Region, betonte Pleitgen in einer Erklärung mit der Überschrift «Wider die Rosinenpicker». «Sonst war das hier alles nur ein Strohfeuer», sagt ein 2010-Mitarbeiter. Die Entwicklung «nachhaltiger Strukturen» für die Zeit nach dem Kulturfest gehört schließlich zu den Satzungsaufgaben der Ruhr.2010.

An diesem Montag (28.6.) hat Pleitgen aber erst mal Grund zum Feiern: Er legt für das erste Halbjahr 2010 Zahlen vor, die die Erwartungen weit übertreffen. Rund 4,8 Millionen Besucher sind bis Ende Juni gekommen - so viele wie für das ganze Jahr eingeplant. Im «Kulturhauptstadtfieber» wurden viele zusätzliche Konzerte, Lesungen oder Kunstaktionen angesetzt - die Organisatoren rechnen jetzt mit 5000 statt 2500 Veranstaltungen für das ganze Jahr. Zum Teil sind aber auch die Kapazitätsgrenzen erreicht: Am Ruhrmuseum an der Zeche Zollverein in Essen oder an den Kunstinstallationen «Ruhr-Atolle» am Baldeneysee sorgen Wartezeiten gelegentlich schon für Verstimmung.

Manche Kulturkritiker hielten einen gemeinsamen Gesangstag mit «Glückauf Glückauf» oder eine lange Tafel auf der gesperrten A 40 für beliebig und niveaulos - geschenkt, meint Pleitgens. «Wir sind kein Mega-Kunstfestival für Wenige, wir müssen die Bevölkerung mitnehmen.» Das habe die Kulturhauptstadt erreicht, ohne billig zu werden, sagt Pleitgen und verweist dabei gern auf den zeitgenössischen Komponisten Hans Werner Henze. Dessen Musik, die gewiss nicht im Verdacht der Massenware steht, ist einer der Ruhr.2010-Schwerpunkte und lockte schon im ersten Halbjahr 40 000 Menschen in die Konzertsäle.

Im zweiten Halbjahr gibt es wieder einen Mix aus stillen Projekten und «Blockbustern» - etwa eine Tagung mit Mitmach-Konzerten über Wiegenlieder aus der ganzen Welt und andererseits die Loveparade in Duisburg, eine große Impressionistenschau im Folkwangmuseum oder Mahlers «Sinfonie der Tausend» im Duisburger Landschaftspark. Wenn im Herbst genauso viele Menschen kommen wie im Frühjahr, kann das Ruhrgebiet sogar den Kulturhauptstadtrekord knacken. «Nach Liverpool kamen 9,7 Millionen - wenn wir das übertreffen, sind wir die erfolgreichste Kulturhauptstadt aller Zeiten», sagt Ruhr.2010- Sprecher Marc Oliver Hänig.

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