Die russische Armee rekrutiert in Moldau – Marschbefehl Richtung Ukraine?
Ukraine-Krieg
Ein moldauisches Nachrichtenportal liefert Belege, dass Russland in der Republik Moldau Soldaten rekrutiert. Die Konditionen sind für die Verhältnisse des armen Landes viel versprechend.
Erste Berichte über russische Rekrutierungsaktivitäten in der Republik Moldau gab es bereits im April. Damals berichtete der britische Geheimdienst darüber. Nun hat das moldawische Nachrichtenportal Rise Belege für die Rekrutierung von Soldaten für die russische Armee in der Separatistenregion Transnistrien gefunden. Die rechtswidrige Rekrutierung läuft schon seit 2019, wird aber aktuell mit verstärktem Aufwand betrieben.
Jakub Bielamowicz vom Institute of New Europe ist der Meinung, dass die in Transnistrien stationierten Soldaten der russischen Armee eine wichtige Rolle im Krieg gegen die Ukraine spielen. Sollte sich die Lage an der südöstlichen Front deutlich zugunsten Russlands entwickeln, könnten die Truppen aus Transnistrien eingesetzt werden, um die Ukraine ganz von der Schwarzmeerküste und von ihrem wichtigsten Hafen des Landes in Odessa abzuschneiden.
Rekrutierung verstößt gegen internationales Recht
Diese Rekrutierung verstößt gegen das Internationale Recht im Sinne der Souveränität, territorialer Integrität und des Neutralitätsstatus der Republik Moldau. Gleichzeitig verletzen diese Maßnahmen die Neutralitätsverpflichtung der russischen Truppen, der die Russische Föderation mit der Unterzeichnung des Abkommens über die Grundsätze der friedlichen Lösung des Konflikts in der Region Transnistrien schon im Jahr 1992 zugestimmt hat.
Die Ansprache der potenziellen Rekruten erfolgt über den Messengerdienst Telegram. Interessierten wurden Dreijahresverträge für russische Verbände, die sogenannte Group of Russian Troops (GOTR) in der Separatistenregion Transnistrien im Osten Moldaus angeboten. Investigativreporter fanden heraus, wie die Rekrutierer arbeiten. Sie versprechen vor allem soziale Sicherheiten, wie regelmäßiges Einkommen, Nahrung, Kleidung und eine Rente, die in dem armen Land keine Selbstverständlichkeit ist.
Soldaten werden Rente und hoher Lohn versprochen
Wer sich verpflichtet, soll nach zehn Dienstjahren eine Ruhestandsrente von umgerechnet 170 US‑Dollar erhalten. Es werden auch Broschüren veröffentlicht, die eine genaue Übersicht der angeblichen Leistungen enthalten, die ein Soldat der GOTR erwarten kann. Handschuhe und winterfeste Unterwäsche werden ebenso präsentiert wie ein monatliches Einkommen von umgerechnet 600 Dollar.
„Die Löhne in Moldau gehören zu den niedrigsten in Europa. Das Gefühl von Perspektivlosigkeit ist unter jungen Menschen sehr stark verbreitet, was viele zum Auswandern in den Westen treibt. Bei einem Nettodurchschnittslohn von lediglich 330 Dollar erscheinen die vom russischen Verteidigungsministerium angepriesenen Vorteile für Rekruten durchaus attraktiv: 600 Dollar Monatslohn, Wohnung nach fünf Dienstjahren, Frühpensionierung. Vor diesem Hintergrund scheinen die Missstände in der russischen Armee und die Lebensgefahr weniger abzuschrecken“, erklärt Bielatowicz.
Marschbefehl Richtung Ukraine nicht verneint
Die Nachforschungen von Rise ergaben aber, dass in der Praxis viele der Versprechungen nicht eingehalten werden. Nach der Dienstverpflichtung müssen viele Soldaten weiterhin um Essen und Pflegeprodukte bei Eltern und Verwandten bitten, da diese nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden. Der Sold wird auf Bankkonten in Russland überwiesen.
Die Rekrutierer vermeiden klare Aussagen, wenn die Kandidaten konkret nach einem Einsatz in der Ukraine fragen. Sie verneinen jedoch nicht, dass ein solcher Marschbefehl erteilt werden könnte.
Bielamowicz: Lage in Moldau fragil
Russland versucht seit Jahren, Moldau mit der abtrünnigen Separatistenrepublik Transnistrien zu destabilisieren. Moldau hat gerade erst den Kandidatenstatus für die EU‑Mitgliedschaft erlangt. „Die innenpolitische Lage in Moldau ist ausgesprochen fragil und die Gesellschaft ist tief gespalten“, erklärt Bielamowicz.
Die prowestliche Regierung in Chisinau habe keine wirkliche Kontrolle über das von Russland finanzierte Separatistengebiet Transnistrien, die Gesellschaft sei in zwei Lager gespalten: „Die prodemokratischen Kräfte, die eine möglichst rasche Annäherung an die EU anstreben, und die sowjet-nostalgischen Kreise, die eine engere Bindung an Russland befürworten.“
Ein weiteres Problem sei die extreme Inflation. „Da Moldau nach wie vor eines der ärmsten Länder Europas ist, verfügt die Regierung über wenig Spielraum, die globalen Inflationsschocks abzufedern“, meint Bielamowicz. „Mit der unverhohlenen Rekrutierung von Soldaten will Russland nur noch einen weiteren Keil in die moldauische Gesellschaft treiben und dadurch die prowestlich ausgerichtete Regierung weiter schwächen.“
RND
Der Artikel "Die russische Armee rekrutiert in Moldau – Marschbefehl Richtung Ukraine?" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.