Kopenhagen: Mutmaßlicher Amokläufer wird in Psychiatrie eingewiesen

Großeinsatz

Nach den Schüssen in einem Einkaufszentrum in Kopenhagen mit drei Toten herrscht Entsetzen. Der mutmaßliche Täter muss in die Psychiatrie. Viele Fragen sind aber noch offen.

Kopenhagen

04.07.2022, 06:15 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der mutmaßliche Täter des Amoklaufs von Kopenhagen mit drei Toten wird für 24 Tage in eine geschlossene psychiatrische Abteilung eingewiesen. Das berichtete die Polizei in Kopenhagen nach einer Anhörung des Verdächtigen vor einer Haftrichterin. Damit verbringe der Tatverdächtige die Untersuchungshaft in der Psychiatrie.

Dem 22-jährigen Dänen werden den Ermittlern zufolge vorsätzliche Tötung in drei Fällen und der Versuch der vorsätzlichen Tötung in sieben Fällen vorgeworfen. Bei dem Angriff in einem Einkaufszentrum in der dänischen Hauptstadt waren am Sonntagabend drei Menschen getötet und vier Menschen angeschossen und schwer verletzt worden.

Keine Hinweise auf ein terroristisches Motiv

Darüber hinaus seien drei Personen mit Verletzungen durch mögliche Streifschüsse behandelt worden, teilte die Polizei mit. Die Ermittler rätseln über das Motiv des mutmaßlichen Täters. Sie sehen keine Hinweise auf ein terroristisches Motiv. Regierungschefin Mette Frederiksen sprach am Montag von dem „schlimmsten Alptraum“ für ihr Land.

In einem blauen T-Shirt zeigte sich der blonde Mann am Montag vor Gericht. Das Verhör des mutmaßlichen Täters fand auf Wunsch der Anklage hinter verschlossenen Türen statt. Eine öffentliche Anhörung könne der Aufklärung des Falls im Wege stehen, hieß es zur Begründung. Nach Angaben seiner Verteidigerin hat der Däne zu den Vorwürfen noch keine Stellung bezogen. Zuvor hatte der Kopenhagener Polizeichef Søren Thomassen am Vormittag bei einer Pressekonferenz gesagt: „Wir haben den Verdächtigen abgehört. Er hat angegeben, dass er es war, der dort draußen war.“

Schüsse auf anscheinend zufällige Opfer

Gegen 17.35 Uhr waren bei der Polizei die ersten Meldungen über Schüsse in dem Einkaufszentrum eingegangen, das zu den größten Dänemarks gehört. An dem Sonntag in den Sommerferien hatten sich viele Menschen in dem Zentrum aufgehalten, zu dem neben zahlreichen Geschäften auch Restaurants und ein Kino gehören. An zwei Stellen im Gebäude feuerte der Täter nach bisherigen Erkenntnissen Schüsse auf anscheinend zufällig ausgewählte Opfer ab.

Dabei starben ein 47-jähriger Russe, der in Dänemark lebte, sowie zwei dänische 17 Jahre alte Jugendliche, ein Mädchen und ein Junge. Vier Menschen wurden schwer verletzt: eine 40-jährige und eine 19-jährige Dänin sowie ein 50 Jahre alter Mann und eine 16-Jährige aus Schweden. Drei der Verletzten waren am Montagmittag außer Lebensgefahr.

20 Menschen wurden leicht verletzt

Bei der Flucht aus dem Einkaufszentrum hätten sich 20 Menschen leicht verletzt. Ein Sprecher der Hauptstadtregion sagte, es handle sich bei den Verletzungen etwa um Arm- und Beinbrüche.

Kurz nach der Tat - um 17.48 Uhr - hatten Polizisten den mutmaßlichen Täter in unmittelbarer Nähe des Einkaufszentrums festgenommen. Bei der Festnahme, die nach Polizeiangaben „relativ undramatisch“ verlief, hatte er ein Gewehr und ein Messer bei sich. Außerdem habe er Zugang zu einer Pistole gehabt, sagte Polizeichef Thomassen am Montag. „Wie es derzeit aussieht, sind die Waffen zulässig, aber er hatte keine Berechtigung dafür.“ Laut der Boulevardzeitung „Ekstra Bladet“ soll der Verdächtige Mitglied eines Schützenclubs in Kopenhagen sein.

Der Mann habe in der Vergangenheit Kontakt zur Psychiatrie gehabt, sagte Thomassen. Laut einem Bericht des dänischen Fernsehens soll sich 22-Jährige kurz vor der Tat an eine Krisen-Hotline gewandt haben. Die Ermittler bestätigten dies aber zunächst nicht.

Menschen helfen einer Frau vor dem Einkaufszentrum Fields in Kopenhagen, Dänemark.

Menschen helfen einer Frau vor dem Einkaufszentrum Fields in Kopenhagen, Dänemark. © picture alliance/dpa/Ritzau Scanpix Foto via AP

Auch zu einem möglichen Motiv wollte sich Thomassen nicht äußern. Bereits in der Nacht zum Montag hatte er betont, dass es keine Anhaltspunkte für einen rassistischen Hintergrund gebe, über den in sozialen Medien spekuliert wurde. Auf Amateurvideos aus dem Gebäude war zu sehen, wie ein Mann mit einer Langwaffe in der Hand an Geschäften vorbei ging. Andere wackelige Aufnahmen zeigten Menschen, die panisch durcheinanderliefen. Schüsse und Schreie waren zu hören.

Ministerpräsidentin Mette Frederiksen zeigte sich bestürzt über die Tat. „Ich glaube, dass wir selten so einen brutalen Kontrast erlebt haben wie gestern“, sagte Frederiksen am Montag. Sie habe selten so viele fröhliche Menschen gesehen wie am Wochenende, als die Dänen den Start der Tour de France im eigenen Land und beim Musikfestival in Roskilde feierten. „Im Bruchteil einer Sekunde stoppten das Fest und die Freude, und das Schlimmste, was passieren konnte, hat uns getroffen.“

Die Regierungschefs der nordischen Nachbarländer boten Dänemark ihre Unterstützung an. Die Bundesregierung sprach den Opfern des Amoklaufs ihr Mitgefühl aus. „Unsere Gedanken sind bei den Hinterbliebenen der Opfer“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin.

Nach und nach wurden am Montag einige Absperrungen rund um den Tatort aufgehoben. Das Einkaufszentrum selbst blieb aber abgesperrt. Es soll mindestens eine Woche lang geschlossen bleiben. Vor dem Zentrum legten im Laufe des Tages viele Menschen Blumen nieder. Die Beamten seien weiter massiv vor Ort, twitterte die Polizei. Kunden konnten aber ihre Autos aus dem Parkhaus abholen.

Auch in der Stadt selbst war am Montag viel Polizei zu sehen. Die Menschen könnten sich weiter sicher in der Stadt bewegen, sagte Justizminister Mattias Tesfaye. Die große Polizeipräsenz soll dieses Sicherheitsgefühl verstärken.

Kopenhagens Oberbürgermeisterin Sophie Hæstorp Andersen teilte auf Twitter mit, die Stadt plane eine Gedenkfeier für die Opfer des Amoklaufs.

Wegen des Angriffs war ein Auftritt des britischen Sängers Harry Styles in einer nahe gelegenen Konzerthalle abgesagt worden. Der Popstar sprach den Opfern und ihren Angehörigen sein Beileid aus. „Ich habe ein gebrochenes Herz, ebenso wie die Menschen in Kopenhagen“, schrieb der 28-Jährige auf Twitter. „Es tut mir leid, dass wir nicht zusammen sein konnten. Bitte kümmert euch umeinander.“

dpa

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