Männer, nehmt den Barbie-Film nicht zu schwer! Ihr seid „kenough“, sagt Dagmar Hornung

Männer, nehmt den Barbie-Film nicht zu schwer!: Ihr seid „kenough“, sagt Dagmar Hornung
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Seit es Barbie gibt, müssen Frauen nicht mehr nur Mütter sein, sondern können auch beruflich alles erreichen. Toll. Wer das allerdings für feministisch hält, wird direkt zu Beginn des aktuellen Kinofilms eines Besseren belehrt. Denn man (oder Frau) bedenke, dass Barbie auch als Pilotin perfekt sein, noch dazu gut aussehen muss – und in der realen Welt ja dann doch alles viel komplizierter ist.

Eines ist aber Fakt: In Barbies Universum herrscht ein Matriarchat, Ken spielt die Nebenrolle. Das regt so manche Frau nach dem Kinobesuch nun offenbar zum Nachdenken an. Die vermeintlich Erleuchteten bemühen nicht nur ihre grauen Zellen, sondern gehen weiter: Sie trennen sich reihenweise von ihren Partnern. Diese Entscheidung hat ihnen eine TikTokerin vorgelebt. Nein, kein Witz! Darüber berichteten in den vergangenen Tagen verschiedene Medien.

Für eine Trennung, deren Anlass der Barbie-Film ist, kann es aus meiner Sicht – soviel vorweg – nur zwei Gründe geben: Entweder war die Beziehung schon vorab zum Scheitern verurteilt. Oder bei den sich Trennenden piept es gewaltig...

Ich habe den Film gesehen, finde ihn klasse – und die Beziehung hält. Geschenkt: Der Spielzeughersteller Mattel poliert auf der Leinwand das Image seiner aus der Zeit gefallenen Puppe auf. Aber ich verspüre jetzt nicht den Drang, mir eine Barbie zu kaufen. Und wenn die Kleinen bald Feministin-Barbie spielen, ist das doch toll.

Ein kleiner Wermutstropfen: Der Film forciert selbstverständlich unser binäres Geschlechterbild, auch mit allem Negativen, das dazugehört. Doch das Männer-Frauen-Charakteristika-Unterschiede-Ding braucht es im Film einfach, um Humor und Message (Kampf gegen das Patriarchat) zu transportieren. Ich habe trotz sinnvoller Botschaft lange nicht mehr so viel im Kino gelacht. Die Balance stimmt.

Hätte der Barbie-Streifen politisch korrekt etwa deutlicher zwischen biologischem und sozialen Geschlecht getrennt, oder gar noch all das dazwischen angesprochen, wäre es für die breite Masse wohl zu kompliziert geworden. Denn auch so ist der Film schon vielschichtiger, als viele TikTokerinnen ihn wohl verstanden haben.

Auf den ersten Blick kommt Ken gar nicht gut weg: Barbies Welt wird von Frauen regiert, die alles können. Ken kann nur gut aussehen und Barbie anhimmeln. Bei seinem Ausflug in die reale Welt trifft Ken erstmals auf echte Männer und eine patriarchale Gesellschaft, die ihn auch nicht mitspielen lässt. All diese Frustration und sein unerfülltes Verlangen nach Barbie lässt Ken vom hübschen Beachboy zum Bilderbuch-Macho-Arschloch mutieren. In der einen erscheint er so lächerlich wie in der anderen Rolle.

Klar feiert der Barbie-Film Frauen, und betrachtet „den Mann“ mit ernstzunehmender Kritik wie auch mit sehr viel Augenzwinkern. Das müssen alle Vertreter dieses Geschlechts aushalten! Im Grunde hat Ken aber das gleiche Problem wie Barbie – wie Männer und Frauen im echten Leben. Jedes Individuum sollte sich selbst finden, anstatt zu versuchen, eine (Geschlechter-)Rolle zu spielen. Ken muss genauso wie Barbie weder schön, noch erfolgreich noch beliebt sein, noch brauchen Menschen einen Partner oder eine Partnerin, um als komplett zu gelten.

Wenn junge Frauen jetzt über sich und ihre Rolle in der Beziehung wie in der Gesellschaft nachdenken, ist das richtig. Wenn sie erkennen, dass ihr Partner wirklich ein Macho-Arschloch ist, ist das gut. Wenn sie ihren Partner aber abservieren, weil er so „albern“, wahrscheinlich tatsächlich eher unsicher, rüberkommt wie Ken, sollten sie den Barbie-Film vielleicht ein zweites Mal schauen. Viel Spaß im Kino!

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