Diebstahl-Opfer im Aldi-Markt Wilma Scheper (88): „Das hat mich echt mitgenommen“

Diebstahl-Opfer im Aldi: „Das hat mich echt mitgenommen“
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Ihre 88 Jahre sieht man Wilma Scheper auf den ersten Blick nicht an. Die Oberadenerin trägt eine moderne Jeanshose und einen modischen Pullover. Die Haare sind zu einer adretten Kurzhaarfrisur geschnitten. Mit flotten Schritten geht sie die wenigen Meter von der Küche bis zum Wohnzimmer.

Doch der Schein trügt. Ihre Knochen sind kaputt, sie ist auf einem Auge blind und hat chronische Krankheiten. „Ich rufe einfach immer hier“, sagt sie selbstironisch. Am vergangenen Wochenende wurde sie auch noch Opfer eines dreisten Diebstahls. „Das hat mich echt mitgenommen. Ich kann nicht mehr schlafen“, sagt die 88-Jährige und schüttelt sich, als könne sie das Erlebte so schneller loswerden. Doch so leicht geht das nicht.

Wenn Wilma Scheper einkaufen geht, nutzt sie den Rollator für den Weg von der Hans-Böckler-Siedlung bis zu Rewe oder Aldi. „Das ist ja nicht weit“, sagt sie. Dank des Rollators brauche sie ihre kleinen Einkäufe dann auch nicht zu tragen.

„Ich muss aber an die frische Luft, sonst fällt mir hier alleine in der Wohnung die Decke auf den Kopf“, sagt die Witwe, deren Mann nach 65 Ehejahren und kurz nach der Eisernen Hochzeit starb.

Eigene Grenzen nicht überschreiten

Wilma Scheper ist aber geistig fit und kennt ihre eigenen Grenzen ganz genau. Geld von der Bank holt sie nicht mehr selbst, sondern schickt ihren Enkel Tim, der sie auch sonst bei allem unterstützt. Auch die EC-Karte trägt sie nicht mit sich herum. Zu groß ist ihre Angst davor, bestohlen zu werden.

Wenn Wilma Scheper weggehen will, legt sie alle wichtigen Dinge, die mitmüssen, zunächst auf den Tisch und packt sie der Reihe nach in die Handtasche. Am vergangenen Samstag entscheidet sie sich für eine schicke moderne Leder-Tasche mit Reißverschluss und breitem Stoffgurt, den sie quer über Kopf und Schulter legt. Die Tasche selbst zieht sie vor den Bauch. So geht sie zu Aldi, und sammelt dort erst Salat und Schnittlauch, dann einen Beutel Äpfel ein, um später Apfelmus zu kochen. Als sie den fertigen Blätterteig gegriffen hat, ist da dieser Mann.

Viele ältere gehen mit Rollator zum Einkaufen.
Tatort war der Aldi-Markt an der Jahnstraße in Oberaden (Symbolfoto). © Rolf Vennenbernd/dpa

„Der kam irgendwie an meinen Rollator. Ob er mit dem Fuß dagegen trat, ich weiß es nicht“, sagt Wilma Scheper. „Auf jeden Fall entschuldigte der sich sofort bei mir. Ich dachte noch, wie nett und freundlich der doch war“, erinnert sie sich.

Wilma Schepers misst der Begegnung nicht viel Bedeutung bei, zumal sich der Mann sofort mit einem anderen unterhält. „Den konnte ich aber nicht sehen, weil ich Probleme mit dem Halswirbel habe und mich nicht gut umdrehen kann“, erklärt sie. Sie kauft weiter ein und geht zur Kasse. „Dort wunderte ich mich, dass die Tasche so leicht war“, erinnert sie sich. Dass der Reißverschluss offen war, registriert sie da noch nicht, das fällt ihr erst später ein. „Ich hatte schonmal mein Portemonnaie vergessen und dachte, das wäre wieder der Fall“, erklärt sie.

Vermeintliche Schusseligkeit war doch ein Diebstahl

Sie lässt die Einkäufe daher vor Ort und geht verärgert über ihre Schusseligkeit nach Hause. Erst dort merkt sie, dass das Portemonnaie wirklich weg ist. Gestohlen. „Ich habe mich so aufgeregt“, gesteht die alte Dame. „Ich war wirklich mit den Nerven runter.“ Ihr Enkel geht nicht ans Telefon, zum Glück aber dessen Frau. Die erreicht ihren Mann und der fährt sofort zum Aldi-Markt.

Beobachtungen kann jedoch niemand mehr schildern, aber immerhin wurde zwischenzeitlich die Geldbörse gefunden und an der Kasse abgegeben – von einem Mann. „Die Kassiererin meinte, der hätte einen guten Eindruck gemacht“, sagt der Enkel, dem aber sofort auffällt, dass das gesamte Geld fehlt und die Ordnung im Portemonnaie eine andere ist. „Da ist alles rausgenommen und wieder einsortiert worden. Vor allem der Schwerbeschädigtenausweis war an ungewöhnlicher Stelle.“ Zum Glück sind alle Papiere noch da. „Vielleicht hatte der Dieb ein schlechtes Gewissen, als er den Schwerbeschädigtenausweis sah“, glaubt der Enkel an einen Gentleman-Dieb. Doch anhand der Sandkörner und Spuren auf dem Leder der Börse sei klar, dass sie weggeworfen wurde.

Wilma Scheper will jetzt diese Handtasche nutzen.
Wilma Scheper will jetzt diese Handtasche nutzen. © Stefan Milk

Wilma Scheper hat ihr Portemonnaie zwar wieder, benutzen will sie es aber nicht mehr. „Was dieser Dieb in der Hand hatte, das will ich nicht mehr“, sagt sie. „Ich habe es sofort in den Sack für die Altkleidersammlung getan.“ Dort holt sie es auf Wunsch der Polizei, bei der sie erst später Anzeige erstattet, wieder raus. „Ich hätte dort geweint, wenn wir sofort dorthin gefahren wären“, gibt sie zu. Sie habe sich erst etwas beruhigen müssen.

Wilma Scheper bekommt professionelle Hilfe

Das ist ihr aber in der ganzen Woche noch nicht so recht gelungen. „Ich schlafe unruhig. Das Ganze verfolgt mich im Traum“, sagt sie. Die Polizei hat ihr eine Opferschutzberatung angeboten. Die nimmt sie in Anspruch. „Es kann nicht schaden, mit jemanden zum reden und Tipps zu bekommen“, sagt sie. „Ich will wieder ruhiger werden.“

Eine weitere Soforthilfemaßnahme hat sie auch ergriffen: Die am Samstag genutzte Handtasche mit dem leichtläufigen Reißverschluss nimmt sie künftig nur noch bei Feiern. Zum Einkaufen nutzt sie künftig eine andere: „Die ist zwar alt“, sagt sie mit einem Hauch von Eitelkeit, aber demonstriert ihre Vorteile: Die Tasche hat einen Lederüberwurf mit Druckknopf, darunter einen Reißverschluss und im Inneren nochmals ein Reißverschlussfach. „Da kommt keiner unbemerkt ran“, sagt Wilma. Weil aber die ganze Tasche noch gestohlen werden könnte, hat sie für den Haustürschlüssel auch einen Plan: „Der kommt jetzt in die Hosentasche.“

Die neue alte Handtasche hat einen Lederüberwurf über dem Verschluss.
Der Lederüberwurf der Handtasche lässt sich mit einem Druckknopf schließen. Darunter befindet sich ein Reißverschluss für den Innenraum und der Tasche und darin nochmals eine Reißverschlusstasche. © Stefan Milk