Juristen kritisieren geplantes Fahrverbot für Straftäter
Überflüssig, ungerecht, rechtlich bedenklich: Autoclubs und Juristen schelten die Bundesregierung für den Plan, Fahrverbote als Strafe auch für Delikte wie Körperverletzung und Diebstahl einzuführen.

Fahrverbote könnten nur gegen Führerscheinbesitzer verhängt werden. Sie würden verschiedene Täter verschieden treffen. Foto: Oliver Berg
Der Plan der Bundesregierung, das Fahrverbot als mögliche Strafe für Allgemeinkriminalität einzuführen, stößt beim Deutschen Verkehrsgerichtstag (VGT) auf erheblichen Widerstand.
Damit habe sich das Bundeskabinett "gehörig vergaloppiert", sagte VGT-Präsident Kay Nehm bei der offiziellen Eröffnung des Experten-Kongresses, der bis zu diesem Freitag in Goslar tagt.
Auch Automobilclubs, der Deutsche Verkehrssicherheitsrat und Verkehrsjuristen äußerten zum Teil massive Kritik am Vorhaben der Großen Koalition. Der Autoclub Europa beispielsweise nannte den Plan "überflüssig, ungerecht und rechtlich bedenklich".
Das Kabinett hatte kurz vor Weihnachten einen Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) beschlossen, wonach Straftäter künftig auch den Entzug ihres Führerscheins fürchten müssen. Fahrverbote von bis zu sechs Monaten sollen als neue mögliche Sanktion künftig für alle Straftaten verhängt werden können.
Bisher können Straftäter nur für Verkehrsdelikte zu Fahrverboten von bis zu drei Monaten verurteilt werden. Zudem kann ein Führerschein eingezogen werden, wenn ein Auto bei einer schweren Straftat eine wichtige Rolle spielte, etwa bei einem Banküberfall oder einem Mord.
VGT-Präsident Nehm wies darauf hin, dass sowohl der Verkehrsgerichtstag als auch der Deutsche Juristentag das Fahrverbot als allgemeine Strafe in der Vergangenheit wiederholt verworfen haben. Ihm sei unklar, was die große Koalition jetzt zur Wiederbelebung des Plans veranlasst habe, sagte der frühere Generalbundesanwalt. "Tote werden nicht dadurch lebendig, dass man sie alle paar Jahre wieder ans Licht zerrt", sagte Nehm.
Laut Maas gäbe das Fahrverbot Strafgerichten "ein zusätzliches Mittel an die Hand, um zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den Täter einzuwirken". Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, Fahrverbote als eine neue Sanktion bei Kriminellen zu schaffen, "für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt".
Er sehe bei den derzeitigen Möglichkeiten keine Defizite, sagte Nehm. "Bei einem Höchstsatz von 360 Tagessätzen zu jeweils 30 000 Euro möchte ich denjenigen sehen, der dies nicht als Strafe empfindet."
Der ADAC machte rechtliche Bedenken geltend. Fahrverbote könnten nur auf die Inhaber einer Fahrerlaubnis angewendet werden, die auch Besitzer eines Kraftfahrzeugs sind, sagte der Leiter der juristischen Zentrale, Markus Schäpe. Die Folgen des Fahrverbots könnten zudem - je nach Täter - unterschiedliche wirtschaftliche und soziale Auswirkungen haben. Sie reichen nach Darstellung des ADAC im Einzelfall bis zum Existenzverlust. So sieht es auch VGT-Präsident Nehm: "Straftäter müssen durch Strafe gleich getroffen werden. Nur so erreicht man Akzeptanz in der Bevölkerung."
Anders als von der Bundesregierung erhofft, würde ein Fahrverbot auch keine abschreckende Wirkung auf Straftäter haben, sagte ACE-Rechtsexpertin Yasmin Domé. "Wen nicht einmal Haft und hohe Geldstrafen von einer Straftat abhalten, der interessiert sich erst recht nicht für Fahrverbote."
Der Automobilclub von Deutschland (AvD) sieht "eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung" von Tätern. "Bewohner von Städten mit gut ausgebautem öffentlichen Nahverkehr trifft eine solche Maßnahme weniger als Bewohner ländlicher Regionen. Wer auf seinen Führerschein angewiesen ist, um seine Arbeitsstelle zu erreichen, ist ungleich härter bestraft", sagte AvD-Sprecher Herbert Engelmohr.
Der Deutsche Verkehrsrat (DVR) sprach sich dafür aus, Fahrverbote weiterhin nur an besonders gefährliche Verkehrsdelikte zu knüpfen. Die von der Bundesregierung vorgesehene Regelung sei kontraproduktiv.
Verkehrsrechtler des Deutschen Anwaltvereins bezweifeln, dass man Fahrverbote kontrollieren kann. "Die Polizei ist in ihrer derzeitige Situation nicht in der Lage, Verkehrskontrollen im notwendigen Umfang auszuweiten", sagte DAV-Anwalt Gerhard Hillebrand. "Ein Fahrverbot, dessen Einhaltung nicht kontrolliert wird, ist sinnlos."
Unabhängig davon drohe den Gerichten eine Flut zusätzlicher Verfahren, warnte ADAC-Jurist Schäpe. Denn wer als Straftäter zusätzlich ein Fahrverbot auferlegt bekomme, werde dagegen voraussichtlich Berufung einlegen und durch die Instanzen gehen.