
Die 715 Tonnen schwere Brückenplatte rollt los vom Montageplatz an der Autobahn 2. Sie hat eine Strecke von nur 100 Metern zu bewältigen. Das dauert allerdings mehr als zwei Stunden. © Stefan Milk
Jumbo-Brücke rollt zur A2: Viele Schaulustige und plötzlich ein Knacks
Mit Video
Das große Spektakel an der A2 lockt zahlreiche Schaulustige an. Sie sehen, wie eine Autobahnbrücke auf einer fahrbaren Plattform über die Münsterstraße rollt. In der Kurve knackt es plötzlich.
Ulrich Weidlich hat es sich bequem gemacht. Der 78-Jährige sitzt bereits kurz vor sieben Uhr auf einem Gartenstuhl, den er mit gebracht hat, direkt hinter der rotweißen Absperrung auf der Münsterstraße, wo kein Auto mehr rollt.
Der Zaungast aus Overberge hat einen guten Blick auf den Montageplatz, wo die 715 Tonnen schwere Brückenplatte für die A2 geparkt ist. Der Senior ist gespannt, was gleich passiert. Von einem Bauarbeiter hat er erfahren, dass die fahrbare Plattform, auf der das schwere Bauwerk transportiert wird, computergesteuert ist. „Ich bin ein Technikfreak. Solche Sachen interessieren mich besonders“, sagt er und schmunzelt, bevor er seinen Blick wieder auf die Brücke konzentriert.
Der Anblick ist ein Spektakel
Der Anblick ist wirklich ein Spektakel. Fast zehn Meter hoch ist das seltsame Gebilde, das einerseits aus der schweren Betonplatte besteht, andererseits aus feuerroten Plattformen mit unzähligen Rädern. Insgesamt sind es 16 Achsen auf jeder Seite, sprich: insgesamt 64 Räder, die die Brückenplatte nun Zentimeter für Zentimeter auf den Weg zur Autobahn bringen. Die liegt etwa 100 Meter entfernt.

Die Baustelle aus der Vogelperspektive. Links rollt die Brückenplatte an. Rechts ist die Autobahn, wo die Lücke zu erkennen ist, die das Bauwerk schließen soll. © Stefan Milk
Über 1000 Tonnen schweres Gebilde per Joystick gesteuert
Die Fachkraft der Firma Wagenborg steuert das Ensemble, das mit den stützenden Stahlträgern mehr als 1000 Tonnen wiegt, von leichter Hand mit einem Joystick. An der ersten und einzigen Kurve kommt es allerdings zu einem Problem. Der Baum, der an der Ausfahrt vom Montageplatz zur Münsterstraße steht, ist im Weg. Zumindest einige Äste. Es knackt gewaltig in der Baumkrone. Rasch kommen weitere Arbeiter mit einer Hebebühne angeflogen, die mit der Motorsäge mehrere Äste kappen.

Das „Synchronschwimmen“ der Reifen. Durch das gleichzeitige Eindrehen der Räder dreht die Brücke fast auf der Stelle. © Stefan Milk
64 Räder schlagen synchron ein – ein Ballett auf Rädern
Der Jumbo-Transport bleibt aber nur einige Minuten auf der Stelle stehen. Dann geht es weiter. Die 64 Räder schlagen synchron ein – „wie ein Ballett der Räder“, sagt ein Beobachter andachtsvoll. Auch Franz Fischer, Projektleiter bei der Autobahngesellschaft Westfalen, ist beeindruckt. Der 65-jährige Ingenieur, der seit 1984 Bauarbeiten an Westfalens Autobahnen steuert, erlebt solche Augenblicke auch nicht so oft. „Das ist etwas ganz Außergewöhnliches. Und wenn man diese Technik sieht, dann ist das sehr beeindruckend.“

Franz Fischer an der A2, wo gerade die Brücke eingeschoben wird. Auch für den 65-jährigen Projektleiter ist der Brückenbau etwas Besonderes. © Stefan Milk
Die schwere Brückenplatte muss noch einmal angehoben werden
Der Schwertransport rollt weiter. Immer wieder werden Äste weggeschnitten, die noch im Weg sind. Nach etwa zwei Stunden ist das Ziel erreicht. Die schwere Brückenplatte muss jetzt noch einmal um 70 Zentimeter angehoben werden, damit die Endlage erreicht werden kann. Das liegt daran, dass die Brücke etwas schräg eingebaut wird. „Sie hat eine leichte Neigung für die Entwässerung“, erläutert Fischer.
Dann ist auch das erledigt. Die Brücke liegt in ihrer Endposition. „Wir sind im Zeitplan geblieben“, freut sich Fischer. Er kann sich vorstellen, dass die Münsterstraße deswegen eher freigegeben werden kann als geplant. „Vielleicht schaffen wir es bis zum Samstagmittag“, sagt er.

Ulrich Weidlich (78) sitzt an der Münsterstraße und schaut gebannt zu. © Carsten Janecke
Mit dem Müsliriegel auf dem Zuschauerposten
So lange will Ulrich Weidlich, der den Transport genau verfolgt hat, freilich nicht warten, obwohl er für einige Zeit gerüstet ist. „Ich habe zwar keinen Kaffee dabei, aber dieses hier“, sagt er fröhlich und zückt einen Müsliriegel, den er in der Jackentasche hat.
Jahrgang 1968, aufgewachsen in mehreren Heimaten in der Spannbreite zwischen Nettelkamp (290 Einwohner) und Berlin (3,5 Mio. Einwohner). Mit 15 Jahren erste Texte für den Lokalsport, noch vor dem Führerschein-Alter ab 1985 als freier Mitarbeiter radelnd unterwegs für Holzwickede, Fröndenberg und Unna. Ab 1990 Volontariat, dann Redakteur der Mantelredaktion und nebenbei Studium der Journalistik in Dortmund. Seit 2001 in Kamen. Immer im Such- und Erzählmodus für spannende Geschichten.
