Hauskauf nur für die obersten 10 Prozent: Der Immobilienmarkt wird immer exklusiver

Bausparvertrag-Comeback?

Am Immobilienmarkt zeigt sich derzeit ein paradoxes Bild: Die Nachfrage sinkt wegen steigender Kreditkosten – doch die Preise fallen auf lange Sicht wohl nicht. Eigenkapital wird wieder wichtig.

Berlin

15.07.2022, 21:03 Uhr / Lesedauer: 3 min

Mehr als eine Dekade lang kannten Immobilienpreise in Deutschland nur eine Richtung: Nach oben. Nun mehren sich die Anzeichen, dass die Sause abflaut: „Die Zinssteigerungen sind angekommen, wir bekommen deutlich weniger Anfragen als in den ersten Monaten des Jahres“, berichtet etwa Henning Ludwig, Baufinanzierungsspezialist bei Dr. Klein. Auch der Finanzberater FMH kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass das die Zinswende den Preisanstieg bei Immobilien durchaus bremst. Aber auf lange Sicht können sich demnach womöglich immer weniger Menschen ein eigenes Haus oder eine Wohnung leisten.

Dabei zeichnet sich aktuell Entspannung ab: Immobilienscout24 berichtete jüngst, dass die Angebotspreise in zahlreichen Metropolen im zweiten Quartal gefallen seien. „Erstmals seit der Finanzkrise 2008 sehen wir so deutliche Preiskorrekturen, vor allem bei Neubau-Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern in Bestand und Neubau“, erklärte Geschäftsführer Thomas Schroeter. „Die Immobilienpreise werden nicht wie bisher weiter steigen“, prognostiziert auch FMH.

Nicht mehr jeder Preis wird bezahlt

Ob die Preise für Häuser und Wohnungen geringer als bislang steigen oder gar fallen könnten, ist indes nicht klar: In Gesamtdeutschland legten sie laut Immobilienscout24 um 2 bis 3,5 Prozent zu, die Prognose sieht auch in Zukunft mindestens „moderate“ Steigerungen im Bundesdurchschnitt. Bei FMH will man bei Anfragen der letzten Monate schon ein Absinken der Kaufpreise beobachtet haben, wie es im jüngst erschienen Marktkompass heißt. „Es wird nicht mehr jeder Preis bezahlt“, sagt auch Finanzierungsspezialist Ludwig.

Über die Ursachen herrscht weitgehend Einigkeit: Die sich abzeichnende Zinswende hat die Finanzierungskosten in die Höhe getrieben, bei Neubauten können sich längst nicht mehr alle die steigenden Preise für Material und Handwerker leisten. „Im Wohnungsbau kommt die Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Fördermöglichkeiten dazu“, erklärt Felix Leiss vom Münchener Ifo-Institut. Das berichtete am Freitag, dass zuletzt sowohl im Tief- als auch im Hochbau so viele Projekte storniert worden seien wie in den vergangenen 30 Jahren nicht.

Neubau und Hauskauf nur für die Wohlhabendsten

Indes sind demnach die Auftragsbücher weiterhin prall gefüllt, während Baumaterial ebenfalls noch eine Weile teuer bleibt. Auf sinkende Baukosten braucht also vorerst niemand zu hoffen – was man auch bei FMH sieht. Und so dürften, wie zuletzt auch die Spitzenverbände der Wohnungswirtschaft befürchtet hatten, vorerst weniger Wohnungen und Häuser auf den Markt kommen. Die FMH-Fachleute sehen langfristig aufgrund des geringeren Angebots sogar erneute Preissteigerungen kommen.

Für Immobilienbesitzerinnen und ‑besitzer ist das eine gute Nachricht – für Käuferinnen und Käufer hingegen nicht: Die Kombination aus hohen Zinsen und hohen Baukosten führt sowohl laut FMH als auch laut Immobilienscout24 dazu, dass Eigenkapital eine immer größere Rolle spielt. „Neubau oder Kauf von Immobilien wird zunehmend zu einem exklusiven Markt, auf dem sich nur noch das wohlhabendste Dezil der Bevölkerung tummelt“, befürchten die Finanzberater von FMH.

Eigenkapital gewinnt an Bedeutung

Ihnen zufolge hat sich die Entwicklung allerdings schon vor der Zinswende eingesetzt. Seit 2016 stieg der Anteil des Eigenkapitals beim Immobilienkauf mehr oder weniger kontinuierlich von 24 auf 29 Prozent. Wegen der gestiegenen Hauspreise gab es in absoluten Zahlen sogar eine Verdoppelung auf 190.000 Euro. Ein Drittel aller für den Marktkompass Befragten profitierte demnach von Schenkungen und Erbschaften, während Einkommen und Immobilienpreise immer weiter auseinanderklafften: Löhne hätten seit 2016 um etwa 13 Prozent zugelegt, die Preise für Häuser und Wohnungen um 61,7 Prozent.

Für diejenigen, die weniger Eigenkapital einbringen können, wird die Zinswende dementsprechend immer problematischer: „Oft sind Kunden von der Höhe der Raten überrascht. Eine mit den Kaltmieten vergleichbare monatliche Zahlung ist nicht mehr drin“, berichtet Berater Ludwig aus der Praxis. Zuletzt hätten sich zwar noch viele günstige Konditionen gesichert, nun aber würden wegen steigender Kosten Projekte auf Eis gelegt.

Comeback des Bausparvertrags?

Offen ist, wie lange die hohen Baukosten noch das Immobilienangebot verknappen – irgendwann werden auch die Auftragsbücher im Handwerk wieder leerer. Zugleich erwarten nach Ludwigs Angaben viele Beraterinnen und Berater aber weitere Zinsanstiege. Und so könnte nach seiner Einschätzung eine altbekannte Finanzierungshilfe reizvoller werden: „Das macht auch Bausparverträge wieder interessanter – weniger wegen des Guthabenzinses als wegen des langfristig garantierten Darlehenszinses.“

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