Jesus-Darsteller Yvan Sagnet führt Migranten an, die gegen ihre Ausbeutung protestieren.

© Fruitmarket/Armin Smailovic

Im Film „Das Neue Evangelium“ geht Jesus unter die Flüchtlinge

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Milo Raus „Das Neue Evangelium“ ist eine im Heute angesiedelte Passionsgeschichte zwischen Spielfilm, Sozialreportage, Making Of-Doku. Ungewohnt, aber vielschichtig und intelligent.

von Kai-Uwe Brinkmann

Dortmund

, 22.12.2020, 17:20 Uhr / Lesedauer: 1 min

Dieser Jesus (Yvan Sagnet) hat eine dunkle Hautfarbe, seine Jünger sind Afrikaner. Das letzte Abendmahl findet in einer Betonruine statt. Die römischen Häscher fahren im Auto vor und führen den Messias ab, nachdem er den Verräter-Kuss des Judas empfangen hat.

Passion Christi trifft auf Misere afrikanischer Flüchtlinge

„Das Neue Evangelium“ nach Milo Rau mag etwas bizarr wirken, wenn der Theater- und Filmemacher Antike und Moderne kollidieren lässt, wenn historische Kostüme auf Outfits von heute treffen und in der Menge vor Pontius Pilatus Handyfotos geschossen werden.

Für Verfremdungen hat Milo Rau sowieso ein Faible, hier öffnen sie die Tür zu einer Bedeutungsebene, in der die Passion Christi auf die Misere afrikanischer Flüchtlinge trifft.

Rau hat im italienischen Matera gedreht, Schauplatz der Jesusfilme von Pasolini und Mel Gibson. Vor Ort reifte die Idee, das Historiengenre zu sprengen und den Erlöser zum Kämpfer für die Rechte der Erntehelfer zu machen.

Migranten schuften für einen Hungerlohn als Tomatenpflücker, sie werden schikaniert, die Mafia verdient mit an ihrer Ausbeutung.

Appell an Solidarität und Mitgefühl

Wir sehen Rau bei Castings für Laiendarsteller, die die biblische Geschichte nachspielen wie in Oberammergau. In Kostüm- und Sprechproben reflektiert der Film seine Entstehung, sein „Making Of“.

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Im Doku-Stil einer Sozialreportage fängt er das Leben der Flüchtlinge ein: Die Polizisten, die deren Bretterbuden abreißen, sind echt. Am Mikrofon führt der Jesus-Darsteller den Protestzug der armen Teufel an. Die Ebenen vermischen sich zu einem Appell an Solidarität und Mitgefühl.

Seine Agenda zu Flüchtlingspolitik und Rassismus verpackt Milo Rau aber auch in meditative Landschaftsbilder, unterlegt mit Musik von Bach, Mozart, Wagner, die für gravitätische Feierlichkeit sorgt. Kino trifft Agitprop, Bibelstoff trifft Wirklichkeit: Intelligent und vielschichtig.

Digitale Tickets

Kinos verdienen mit

Zu sehen ist der Film online, Kinos sind am Erlös beteiligt. Digitale Tickets gibt es hier: www.dasneueevangelium.de