„Hörte Kollegen nachts weinen“: Ex-Mitarbeiter schildert Arbeit bei Tönnies

Fleischindustrie

Nach dem Corona-Ausbruch bei Tönnies kommen immer mehr Informationen über die Arbeitsbedingungen ans Licht. Ein ehemaliger Mitarbeiter berichtet von Überstunden, Kälte und ständigem Druck durch die Vorarbeiter.

Gütersloh

25.06.2020, 20:19 Uhr / Lesedauer: 2 min
Abgesperrte Wohnsiedlung von Tönnies-Mitarbeitern in Verl.

Abgesperrte Wohnsiedlung von Tönnies-Mitarbeitern in Verl. © picture alliance/dpa

Der westfälische Fleischproduzenten Tönnies steht seit dem Corona-Ausbruch in seinem Werk im Kreis Gütersloh für schlechte Arbeits- und Lohnbedingungen in der Kritik. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Unternehmens berichtete nun in einem Interview mit der „Deutschen Welle“ (DW) von den vorherrschenden Zuständen in der Fabrik und in den Unterkünften der Werkvertragsarbeiter.

Für den ehemaligen Arbeitnehmer läge das Problem nicht nur bei Tönnies als Großunternehmen – sondern vor allem bei den Subunternehmen, die für die Anstellung und Unterbringungen der Arbeiter zuständig sind.

Überstunden, Kälte und überfüllte Unterkünfte

Der ehemalige Mitarbeiter sei insgesamt zwei Jahre lang bei Tönnies angestellt gewesen, erzählte er „DW“. Doch während dieser Zeit seien geregelte Arbeitszeiten eine Seltenheit gewesen. Statt acht arbeiteten die Angestellten regelmäßig bis zu 13 Stunden. „Wir haben die Überstunden aufgeschrieben. Doch auf dem Gehaltszettel war am Ende nichts davon zu sehen.“

Dazu sei es sehr kalt und feucht in der Fabrik gewesen, sodass viele Mitarbeiter nach der Arbeit unter starken Schmerzen gelitten hätten. „Ich hörte Kollegen nachts weinen in der Unterkunft. (...) Ihre Hände waren ganz geschwollen. Doch wir machten uns gegenseitig Mut, sagten zueinander: Halt durch.“

Der gebürtige Rumäne, der namentlich nicht genannt werden will, schilderte auch, unter welchen Bedingungen die Beschäftigten in Sammelunterkünften untergebracht wurden: „Einige Unterkünfte, in denen ich gewohnt habe, waren sehr sauber, aber es gab auch Ausnahmen. Es war immer sehr eng, manchmal waren 10, 12 oder zeitweise sogar 14 Leute in einer einzigen Wohnung. Die monatliche Miete lag bei 200 Euro pro Person.“ Der Ex-Tönnies-Mitarbeiter sieht das Problem der Arbeitssituation ganz klar bei den Subunternehmen, die für die Unterbringung und Anstellung verantwortlich seien.

Krankmeldungen waren nicht erlaubt

Regelmäßige Kontrollen im Fleischbetrieb hätten kaum etwas gebracht, um auf die Arbeitssituation aufmerksam zu machen, so der Mitarbeiter. Da sie angekündigt wurden, habe sich der Betrieb ausreichend vorbereiten können: „[Es wurde] die Geschwindigkeit des Fließbandes verlangsamt, dann war unsere Arbeit leichter. Uns wurde nahegelegt, nichts zu sagen. Nach dem Motto: ‚Wenn die Kontrolle kommt, sagt, dass ihr kein Deutsch sprecht.‘ Auch wenn einige von uns die Sprache sprechen.“

Darüber hinaus sei auf die Mitarbeiter vor allem durch die Vorarbeiter konstant Druck ausgeübt worden. „Ganz schlimm war es, wenn wir krank waren: Die Vorarbeiter brüllten uns an, dass wir ihnen bloß nicht mit Krankmeldungen ankommen sollten. Als ich einmal stark erkältet war – was schnell passierte, weil wir immer in der Kälte arbeiteten – und angeschrien wurde, reichte es mir. Da habe ich aufgehört.“

Das Tönnies-Werk Rheda-Wiedenbrück im Kreis Gütersloh gilt als Ausgangspunkt des Corona-Ausbruchs in der Region, auch im Raum Warendorf wohnen viele Tönnies-Mitarbeiter. Mehr als 1500 Tönnies-Beschäftige sind nach bisherigen Angaben des Kreises Gütersloh nachweislich infiziert, insgesamt ist die Zahl der Infizierten im Kreis auf über 2000 gestiegen. Rund 7000 Mitarbeiter wurden schon vor den Tests unter Quarantäne gestellt.

RND