Vollgelaufene Stauseen, aufgeweichte Deiche und Sandsackbarrieren: Große Teile Deutschlands haben sich über die Weihnachtsfeiertage in Hochwasser- und Überschwemmungsgebiete verwandelt. Vorbei ist die Lage noch nicht. Der Kampf gegen die Wassermassen läuft vielerorts noch. Es ist in diesem Jahr nicht das erste Mal, dass so ein Extremwetter mit gigantischen Wassermassen Schlagzeilen macht. 2023 reihte sich, global betrachtet, ein Extrem an das nächste.
In Neuseeland etwa stand das Wasser im Februar zeitweise in einigen Gebieten so hoch, dass nur noch die Häuserdächer aus den Fluten ragten. Heftige Niederschläge und dramatische Überschwemmungen gab es im Mai in Italien. Die Feuerwehr rettete Menschen, die in ihren Häusern vom Wasser eingeschlossen waren, oder in Wassermassen stecken gebliebene Autofahrer. Österreich und Slowenien im August: Starke Niederschläge führten zu überfluteten Orten, gekappten Verkehrsadern, Überschwemmungen und Erdrutschen. Gleichzeitig wütete sintflutartiger Regen im Südwesten der USA.
Im September dann traf es mit Sturmtief „Daniel“ besonders heftig Griechenland und Libyen. Autos wurden von Wassermassen weggetragen, Menschen mussten mit Schlauchbooten aus ihren Häusern gerettet werden. In Hafenstädten stand das Wasser teilweise hüfthoch. Auch Staudämme brachen. Außergewöhnlich starker Regen legte schließlich auch die US‑Metropole New York teilweise lahm. Autobahnen und Straßen verwandelten sich in seenartige Landschaften, auch ein Flughafenterminal wurde überflutet und gesperrt.
Hochwasser: Der Klimawandel verschärft die Lage
Sind derartige Hochwasserlagen also künftig ganz alltäglich? Extremwetter gab es zwar schon immer. Aber, und das ist keine neue Erkenntnis, es wird zukünftig häufiger und heftiger auftreten. Das Wasser wird zunehmend zur Gefahr, bedingt durch den Klimawandel. Darauf machen Klimaforschende auch anlässlich der aktuellen Hochwasserlage in Deutschland aufmerksam. Etwa der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf. „Extremniederschläge nehmen durch die #Erderwärmung weltweit und auch bei uns zu. Davor warnen Klimaforscher seit über 30 Jahren; längst bestätigen das die Daten von Wetterstationen“, schrieb der Wissenschaftler an Heiligabend auf der Plattform X.
Ein einzelnes Hochwasserereignis lässt sich zwar nicht mit dem Klimawandel erklären. Auch besondere Witterungskonstellationen und Wetterlagen spielen eine Rolle. Ebenso, wie stark die Böden versiegelt sind, wie es um Deiche und Überflutungsflächen bestellt ist. Darauf weisen Experten und Expertinnen auch hin. Aber: Modellierungen, die der Weltklimarat (IPCC) regelmäßig in seinen Sachstandsberichten veröffentlicht, zeigen ganz klar, wo die Reise in den kommenden Jahrzehnten tendenziell hingeht. Es wird deutlich wahrscheinlicher, dass Starkregen und Überschwemmungen häufiger und intensiver vorkommen. Vor allem, wenn das 1,5‑Grad-Ziel überschritten wird.
Starkregen, Sturmfluten, Hochwasser - auch in Deutschland
Für Deutschland bedeutet das konkret: Es gibt eine Verschiebung der Niederschläge vom Sommer in den Winter. Es gibt vermehrt Starkregen. Durch die milderen Winter wird der Anteil des Schnees am Gesamtniederschlag abnehmen. Das heißt, dass Niederschlag seltener in Form von Schnee gespeichert wird, sodass die Wahrscheinlichkeit von Hochwasser steigt. In den letzten Jahren haben bereits die jährlichen Hochwasserstände an vielen Pegeln im Süden und Westen Deutschlands zugenommen. Insbesondere in den Mittelgebirgen sowie in Ostdeutschland sei zukünftig mit einer Zunahme von Hochwasserabflüssen zu rechnen. So fasst es das Umweltbundesamt zusammen.
Der Anstieg des Meeresspiegels bedroht insbesondere die Küstengemeinden. Auf die deutsche Nordseeküste kommen aber auch mehr Sturmfluten zu. Simulationen des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie zeigen etwa, dass ohne weitere Klimaschutzmaßnahmen gegen Ende des Jahrhunderts in der Deutschen Bucht im Mittel etwa 10 Prozent mehr Tage pro Jahr mit atmosphärischen Bedingungen auftreten, die zu Sturmfluten führen könnten. Im Gegensatz dazu gebe es jährlich durchschnittlich etwa 25 Prozent weniger Tage mit Bedingungen, die Sturmebben verursachen könnten. Der steigende Meeresspiegel verstärke diese Entwicklung zusätzlich. Das heißt also: Heutige extrem hohe Wasserstände werden häufiger, sowie extrem niedrige Wasserstände seltener.
Hochwasser mit fatalen Folgen
Die Folgen? „Extreme Hochwasserereignisse können die bestehenden Hochwasserschutzeinrichtungen überfordern und zu erheblichen ökologischen und ökonomischen Schäden führen“, fasst es das Umweltbundesamt zusammen. „Gebäude und Infrastrukturen können zerstört werden, in extremen Situationen sind auch Menschenleben gefährdet.“ Schadstoffe wie Dünge- und Pflanzenschutzmittel oder Heizöl könnten in Grundwasser und Oberflächengewässer gelangen und die Trinkwasserqualität dadurch erheblich beeinträchtigen.
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