Der Wiedererkennungswert ist da: Die stolze, selbstbestimmte Titelheldin trägt ein rotes Kleid. Bei den übrigen Figuren in Johan Ingers „Carmen“-Choreografie von 2015, die das Aalto-Ballett am Samstag im Aalto-Theater neu herausgebracht hat, ist das anders. Da kommt einem – von der Musik einmal abgesehen – nichts wirklich „spanisch“ vor.
Don José mit Nadelstreifenanzug könnte irgendein Geschäftsmann sein, Torero Escamillo im glitzernden Sakko ein x-beliebiger Showstar. Auch das karge Bühnenbild ist bewusst allgemeingültig-abstrakt gehalten.

Johan Inger deutet die aus Bizets Oper bekannte Geschichte zugleich um: Seine Carmen ist keine „männermordende“ Femme fatale mit erotischer Ausstrahlung und besonderen Verführungskünsten – sie ist nicht einmal mehr die Hauptperson.
Alles dreht sich vielmehr um den unsterblich in sie verliebten Don José, der aus verschmähter Liebe zum Gewalttäter wird. Zusätzlich gibt es noch ein Kind, aus dessen „unschuldiger“ Perspektive das Ganze betrachtet werden soll. Es wird Zeuge der Gewalt und dadurch traumatisiert.
Tragischer Held
Kein Sujet, das eine Abfolge traumhaft-schöner Pas de deux erwarten lässt. Und die gibt es auch nicht. Zu erleben ist aber ein spannendes, faszinierend reiches Bewegungsrepertoire, das in Ansätzen noch vom klassischen Ballett geprägt ist.
Wataru Shimizu erfasst als tragischer Held den Don José ausdrucksstark in seiner ganzen Widersprüchlichkeit, sei es im solistischen Kampf gegen sich selbst oder im Tanz mit der verhalten sinnlichen Carmen Yuki Kishimotos, der sich zunächst rund und fließend, dann zunehmend aggressiv und kampfbetont gestaltet. William Emilio Castro Hechavarría rundet das fatale Trio als selbstverliebter Escamillo ab. Grandios sind auch die Leistungen der weiteren Mitglieder der Aalto-Compagnie.
Packender Ballettabend
Angetrieben wird das Ballett von Thomas Herzog und den Essener Philharmonikern. Sie spielen die rhythmusbetonte, auf Bizet bezugnehmende „Carmen-Suite“ von Rodion Schtschedrin. Hinzu kommt, perfekt eingeblendet, elektronisch verfremdete Musik des Spaniers Marc Alvarez. Ein packender Ballettabend!
Termine: 19. / 27. 10., 8. / 27. / 28. 11. 2024,1. / 14. / 27. 3., 5. 4. 2025; Karten: Tel. (0201) 812 22 00.
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