Für Tobias Hoffmann aus Herten geht ein Traum in Erfüllung, als sich Deutschlands Theater aus der Pandemie-Zwangspause zurückmelden. „Als es hieß, dass Corona vorbei ist, der Revuepalast wieder öffnet und Roxy dort der neue Star ist …“ Er lächelt. „Das war das Großartigste in meinem Leben – ich war unglaublich stolz, dass mein jahrelanger Kampf endlich Früchte getragen hatte.“
Seitdem ist er festes Ensemble-Mitglied im Hertener Travestie-Theater. Als Roxy führt er durch das Programm, singt und tanzt auf der Bühne in seiner Heimatstadt – bis jetzt. Am Sonntag, 26. Januar, hebt sich ein letztes Mal der Vorhang auf der ehemaligen Zeche Ewald. Danach gehen im Revuepalast die Lichter aus – zumindest in Herten. „Das ist schon traurig …“, sagt er und zupft die blonde Perücke zurecht, die er in seinen Händen hält.
Die Anfänge seiner Bühnenkarriere liegen mittlerweile 14 Jahre zurück: Als Tobias Hoffmann den Travestie-Star Chris Kolonko auf der Bühne erlebt, denkt er sich: „Das will ich auch mal ausprobieren.“ Der Rosenmontagszug in Köln ist für ihn die ideale Gelegenheit: „Ich habe mir eine schöne Perücke aufgesetzt, mich ins Make-up geschmissen, gemeinsam mit Freunden Party gemacht – und bin einfach mitgelaufen.“ Er lächelt. „Damals habe ich den Grundstein für meine Laufbahn gelegt.“
„Guten Tag, ich möchte mich hier bewerben“
Durch Chris Kolonko lernt er auch das Künstler-Leben kennen – und lieben. „Ich hatte ihn nach der Vorstellung via Facebook gefragt, ob er mir Schminktipps geben könnte.“ Beide treffen sich in Münster, gehen gemeinsam einkaufen und freunden sich an. „Er hat mich damals zu seinen Auftritten mitgenommen, ich verbrachte viel Zeit hinter den Kulissen“, erinnert er sich. „Auf der Bühne bejubelt zu werden, sagen zu können, was man möchte, frei zu sein … – das hat mir total gefallen.“

In einer Essener Bar wagt er seine ersten Gehversuche vor Publikum. „Als Bingo-Fee.“ Er lacht. Dann nimmt er all seinen Mut zusammen und stellt sich im Revuepalast vor. „Ich bin zur Kasse gegangen und habe gesagt: Guten Tag, ich möchte mich hier bewerben.“ Zu diesem Zeitpunkt sitzt Regisseur und Ensemble-Leiter Ralf Kuta gerade in der Garderobe. Er bittet Tobias Hoffmann zu sich. „Ich glaube, er fand meine Aktion ziemlich gut.“
Für festes Engagement reicht es noch nicht
Wie schnell er sich fertig machen könne, möchte Kuta von ihm am Ende des Gesprächs wissen. „Und dann habe ich am Abend die Gäste begrüßt – komplett im Fummel, mit großer Perücke und solchen Absätzen.“ Die Besucher möchten Fotos mit ihm machen und fragen ihn, ob er im Revuepalast angestellt sei. „Nee, noch nicht“, antwortet er. „Aber ich arbeite daran.“ Das ist im Jahr 2013.
„Als Carlos, unser Michael Jackson, gerade in Brasilien war, hatte ich meinen ersten Auftritt“, erinnert sich Tobias Hoffmann. „Ralf wollte, dass ich mal ein Wochenende spiele, um mich an die Bühne zu gewöhnen – ich glaube, dass ich ganz gut angekommen bin.“ Doch für ein festes Engagement reicht es noch nicht. „Ich war zu neu, musste mir erst die Hörner abstoßen – das habe ich auch gemacht.“
Schöne Zeiten und Schicksalsschläge im Revuepalast
Er gewinnt einen Talentwettbewerb in Hamburg, arbeitet daraufhin in Nürnberg und wird in Köln engagiert – bis er vor rund drei Jahren festes Mitglied des Ensembles im Hertener Revuepalast wird. „Nach mehr als elf Jahren Kampf bin ich hier gelandet.“

Schöne Zeiten und Schicksalsschläge durchlebt er während seiner Zeit auf Hertens Bühne. „Bei einer Nummer habe ich mich mal zu oft gedreht und bin auf die Bühne gestürzt.“ Er lacht. „Mein Kleid war so eng, dass ich nicht mehr hochkam, und den Rest meines Auftritts im Sitzen absolviert habe – mit einer großen Geste bin ich dann von der Bühne gerobbt.“ Unter Tränen schminkt er sich, als am Tag der Vorstellung sein Hund verstirbt. „Beim Auftritt habe ich 100 Prozent abgeliefert, mich abgeschminkt und dann wieder geheult.“
„Roxy ist ein sehr wichtiger Teil meines Lebens“
Auf der Bühne könne er einen Schalter umlegen, um sich nicht verletzlich zu machen. „Am Anfang meiner Karriere habe ich geglaubt, dass Tobi durch Roxy ersetzt wird, sobald ich in der Garderobe sitze und mir meinen Bart abrasiert habe.“ Doch mittlerweile verschwimmen die Grenzen. „Die Sprüche, die ich auf der Bühne bringe, bringe ich genauso im wahren Leben – Roxy ist ein sehr wichtiger Teil meines Lebens geworden.“
Mit dem Hertener Travestie-Theater verbindet er seinen Traum. „Der Traum, für den ich so lange gekämpft habe“, sagt er. „Die Zeit hier wird mir immer in Erinnerung bleiben – und es erfüllt mich mit großem Stolz, dass ich drei Jahre Teil des Revuepalastes sein durfte.“
„Der Revuepalast wird nicht sterben“
Direktor Marvin Boettcher leitet auch den Mondpalast Wanne-Eickel, wo Tobias Hoffmann derzeit nebenbei im Büro und an der Kasse arbeitet. „Ich vertraue Marvin Boettcher zu 100 Prozent.“ Tobias Hoffmann ist überzeugt, dass die Show weitergeht. „Der Revuepalast wird nicht sterben und Roxy erst recht nicht – ich mache weiter.“