Aneta Jansen (46) mit Shih Tzu-Hündin Ronja, Nachbarin Karin Gebauer (65) und Thomas Jansen (51) mit Hündin Daisy. Sie sitzen auf der Wohnzimmer-Couch in  der Wohnung an der Pankower Straße 20. Am 29.3. muss die Familie Jansen, zu der noch Tochter Michelle (12), der geistig behinderte Sohn Dustin (20) und Sohn Jan (21) gehören, dort ausziehen und in die städtische Obdachlosenunterkunft.

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Familie Jansen sitzt bald auf der Straße – mit drei Kindern ins Hertener Obdachlosenasyl

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Zwischen Verzweiflung, Angst und Wut schwankt die Stimmung bei Familie Jansen in Herten. Sie müssen raus aus ihrer Wohnung. Ihre neue Bleibe: die Obdachlosenunterkunft. Wie konnte es dazu kommen?

Paschenberg

, 25.03.2022, 18:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Aneta (47) und Thomas (51) Jansen hoffen auf ein Wunder. Doch so recht glauben können die Eheleute von der Pankower Straße 20 auf dem Paschenberg in Herten nicht, dass sich das Blatt für sie jetzt noch zum Guten wendet. Sie sitzen auf dem Sofa im fast leergeräumten Wohnzimmer ihrer Wohnung, zwischen sich Nachbarin Karin Gebauer (65). Die alte Dame ist voll des Mitgefühls und empört darüber, dass Familie Jansen den Räumungsbescheid bekommen hat. Am Dienstag, 29.3., um 8.30 Uhr müssen sie raus aus ihrem Zuhause. „Fünf Personen werden auf die Straße gesetzt – einfach so!“, sagt Karin Gebauer.

Wegen Ruhestörung die Miete gekürzt

„Einfach so“ ist relativ, tatsächlich hat die Angelegenheit eine lange Vorgeschichte. Sie begann vor vier Jahren, als Aneta Jansen und ihre Angehörigen die Nase voll hatten vom Lärm aus der Wohnung über ihnen. „Ständig war da oben Getrampel und Geschrei – oft auch spät abends“, klagt die dreifache Mutter. Karin Gebauer, die nebenan im Haus Nummer 18 wohnt, nickt mit dem Kopf: „Es stimmt, das kann ich bestätigen und die anderen Nachbarn hier auch.“ Da Beschwerden bei den Verursachern nicht fruchteten, wandte man sich an den Vermieter. „Der sagte, das sei nur ein Nachbarschaftsstreit und wir sollten das selbst regeln.“ Unternommen habe er nichts. Sie hätten sich verhöhnt gefühlt.

Da beschließen die Jansens, die Miete zu kürzen – zunächst um 10 Prozent, später um 20. „Wir wollten, dass man unsere Beschwerde endlich ernst nimmt.“ Was dann folgt ist eine Lawine aus Klagen und Prozessen, die der Vermieter allesamt gewinnt. Die Jansens seien nie zu den Verhandlungen erschienen und lange nicht in der Lage gewesen, ein ordnungsgemäßes Lärmprotokoll vorzulegen, berichtet Dr. Achim Schaub, der Rechtsanwalt des Vermieters. Als dann ein solches Protokoll erstellt wurde, hätten es die Mieter von oben widerlegen können. In einem weiteren Verfahren sei dann plötzlich von Schimmel und verstopften Rohren die Rede gewesen. Irgendwann habe es dem Vermieter gereicht.

Aneta Jansen packt die Umzugskisten. Am 29.3. muss die fünfköpfige Familie in Folge einer Räumungsklage aus ihrer Wohnung an der Pankower Straße 20 ausziehen.

Aneta Jansen packt die Umzugskisten. Am 29.3. muss die fünfköpfige Familie in Folge einer Räumungsklage aus ihrer Wohnung an der Pankower Straße 20 ausziehen. © Carola Wagner

Mietrückstände summieren sich auf 6000 Euro

Ein Vollstreckungsversuch scheitert, weil kein Geld da ist. Die Mietrückstände haben sich da schon auf rund 6000 Euro summiert. Es geht Schlag auf Schlag: fristlose Kündigung am 7.9.2021, Räumungsklage am 23.9.2021. Dann der Räumungsbescheid: Am 29.3. sollen die Jansens mit ihren drei Kindern, zwei Hunden, vier Wellensittichen und zwei Meerschweinchen raus sein aus der Wohnung. Der Versuch, beim Vermieter eine Verlängerung der Frist bis zum Herbst zu erwirken, scheitert. Dem will er nur zustimmen, wenn die ausstehenden Mietschulden nebst Verfahrenskosten beglichen werden: 13.000 Euro, die haben die Jansens nicht. Ihr Einkommen ist überschaubar: Thomas Jansen ist bei der Müllabfuhr, seine Ehefrau Hausfrau.

In dieses Haus an der Branderheide 4 in Herten-Süd soll Familie Jansen am 29.3. einziehen. Es wird von der Stadt Herten als Notunterkunft genutzt.

In dieses Haus an der Branderheide 4 in Herten-Süd soll Familie Jansen am 29.3. einziehen. Es wird von der Stadt Herten als Notunterkunft genutzt. © Carola Wagner

Juristisch korrekt - menschlich eine Katastrophe

Ihr Rechtsanwalt Arnd Schneiker sagt: „Juristisch ist das alles korrekt, menschlich ist es eine Katastrophe.“ Sein Eilantrag, den Auszug bis zum 31.5. zu verschieben, sei abgewiesen worden. Das Gericht fand nicht, dass es schon wegen der Kinder eine „sittenwidrige Härte“ sei. Alle Versuche der Jansens, eine neue Wohnung zu finden, sind gescheitert. Die Stadt hat lediglich eine Unterkunft im Obdachlosenasyl an der Branderheide 4 zu bieten – da müssen sie am Dienstag einziehen, wenn nicht das erhoffte Wunder geschieht und jemand ihnen eine ausreichend große Wohnung vermieten kann.

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Elend durch Corona und hohe Energiekosten

Dass der Verlust der Wohnung eine ganze Familie trifft, habe er noch nicht erlebt, sagt Arnd Schneiker. „Leider ist das aber im Moment ein großes Problem und ich fürchte, dass es noch viel schlimmer wird.“ Es baue sich eine regelrechte Welle auf, befeuert durch die Verschuldung vieler Menschen in Folge der Corona-Pandemie und aufgrund der aktuell hohen Energie- und Lebenshaltungskosten.

In einer Zimmerecke in der Wohnung von Familie Jansen hat sich schwarzer Schimmel gebildet. Auch das führt Familie Jansen als Grund für die Mietminderung an, die ihnen letztlich den Rausschmiss aus ihrer Wohnung eingebrockt hat.

In einer Zimmerecke in der Wohnung von Familie Jansen hat sich schwarzer Schimmel gebildet. Auch das führt Familie Jansen als Grund für die Mietminderung an, die ihnen letztlich den Rausschmiss aus ihrer Wohnung eingebrockt hat. © Carola Wagner

Tiere der Familie dürfen nicht mit in die Unterkunft

Bei Familie Jansen ist die Stimmung äußerst gedrückt. Besonders traurig ist die 12-jährige Tochter Michelle, die ohnehin mit Angstzuständen zu kämpfen hat. Sie besucht die Achtenbeckschule – einer der Gründe, warum die Jansens gerne an der Pankower Straße wohnen, denn die Schule ist nebenan. Der geistig behinderte Sohn Dustin (20) wird täglich zur Behindertenwerkstatt, in der er arbeitet, gebracht und abgeholt. Sohn Jan (21) ist Koch und sucht Arbeit.

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„Als Michelle gehört hat, dass wir ausziehen müssen und die Tiere nicht mitnehmen dürfen, ist sie komplett ausgerastet“, erzählt Mutter Aneta. Besonders die beiden Shih Tzu-Hündinnen Ronja und Daisy seien wichtig für ihre psychische Gesundheit. Doch in der städtischen Notunterkunft sind Tiere nicht gestattet. Die beiden Meerschweinchen Candy und Charly wurden bereits abgegeben. Nachbarin Karin Gebauer hat die Wellensittiche Rocky und Luna genommen. Deren Artgenossen Wendy und Rocco mussten ins Tierheim.

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Bitte melden: Wer hat eine Wohnung für Familie Jansen

Familie Jansen hofft inständig, dass die Stadt ein Einsehen hat und ihnen wenigstens die beiden Hunde lässt. „Sie sind auch ganz lieb und bellen nicht!“ Auf Nachfrage unserer Redaktion gab es seitens der Verwaltung zumindest das Versprechen, das Ansinnen noch einmal eingehend zu prüfen.

Und dann ist da die große Hoffnung auf das Wunder – eine neue Wohnung für Familie Jansen. Angebote bitte direkt an Aneta Jansen, Telefon: 0179/4899525.

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