
Ein betroffener Mitarbeiter der Rösterei von Markus Kaffee berichtet gegenüber unserer Redaktion, wie er die Betriebsversammlung erlebt hat, in der die Schließung bekannt gegeben wurde. Der als Silhouette abgebildet Kopf hat lediglich eine symbolische Funktion und erlaubt keinerlei Hinweise auf den tatsächlichen Gesprächspartner. © Bergmannshoff / dpa
Aus für Aldi-Kaffeerösterei – Betroffener schildert schockierende Betriebsversammlung
Markus Kaffee
Das Aus der Kaffeerösterei der Aldi-Tochter Markus Kaffee traf die Belegschaft völlig unvorbereitet. Ein Mitarbeiter schildert, wie sich für ihn und viele andere in fünf Minuten das Leben veränderte.
Man stelle sich vor, man kommt wie jeden Tag zur Arbeit – und wird plötzlich mit der Nachricht überrumpelt, bald arbeitslos zu sein. Vielleicht sogar bis zur Rente. Eine Erfahrung, die schon viele Beschäftigte machen mussten, auch in Herten, zum Beispiel bei Ruhrkrone, Herta, Schober Logistik, dem Möbelhersteller Verholt – und jetzt auch bei Markus Kaffee in Herten-Süd, einer Tochtergesellschaft des Discounter-Konzerns Aldi Nord. Wenige Minuten habe die Betriebsversammlung gedauert, berichtet ein betroffener Mitarbeiter. Er schildert gegenüber unserer Redaktion, wie die Hiobsbotschaft sogar Führungskräfte kalt erwischt hat und wie angesichts der Massenentlassungen die Stimmung im Unternehmen ist.
„Es hieß am Eingang: Gleich gibt es eine Versammlung“
Der betreffende Mitarbeiter will nicht öffentlich erkennbar sein, aus Sorge vor Nachteilen. Schließlich muss und will er seinen Job noch bis zum Ende ausüben. „Die Betriebsversammlung war nicht angekündigt“, berichtet er. „Ich kam wie immer um 13.45 Uhr zur Mittagsschicht. Da hieß es am Eingang: Gleich gibt es eine Versammlung. Es müssen sich alle versammeln.“ Das war am Donnerstag, 2. Juni. Bemerkenswert ist, dass am selben Tag auch das Unternehmen Aldi Süd bei einer Betriebsversammlung die Schließung seiner Kaffeerösterei in Mülheim bekannt gab.
In Herten habe Geschäftsführer Felix Regehr die Hiobsbotschaft überbracht. Der Mitarbeiter erzählt: „Er hat gesagt, man habe den Markt beobachtet und schließe den Standort Herten. Dann ist er gegangen. Nach fünf Minuten war alles vorbei.“ Die Belegschaft sei schockiert, aufgebracht und aufgelöst gewesen. Auch die Betriebsleiter seien im Vorfeld nicht langfristig eingeweiht gewesen, sondern erst am Tag vor der Versammlung informiert worden.
Kündigungen offenbar in zwei Wellen
„Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Die Motivation ist gleich null“, schildert der Mitarbeiter die Stimmungslage im Unternehmen. Nach aktuellem Wissensstand sollen die insgesamt 62 Kündigungen in zwei Wellen erfolgen: die erste Ende 2022, der Rest dann im Zuge der endgültigen Schließung am 31. März 2023. Der Betriebsrat bemühe sich darum, das Bestmögliche für die Betroffenen herauszuholen.
Viele Ungelernte und Quereinsteiger betroffen
Einige Mitarbeiter haben vermutlich eine berufliche Perspektive, andere dagegen gar nicht. Der Betroffene erklärt: „Manche haben einen richtigen Beruf gelernt, zum Beispiel Elektriker oder Schlosser. Die kommen sicherlich woanders unter. Für die spezialisierten Maschinenführer wird es schwieriger. Und dann sind da aber auch viele Ungelernte und Quereinsteiger, teilweise 30 der 40 Jahre im Betrieb, manche kurz vor der Rente. Ob die noch was Neues finden?“ Eine Sorge, die Geschäftsführer Felix Regehr wohl nicht haben dürfte. Denn er ist nicht nur für die Rösterei in Herten verantwortlich, sondern auch für den zweiten Standort in Weyhe bei Bremen, der fortbestehen und ausgebaut werden soll.
„Alles aus reiner Profitgier!“, schimpft der Mitarbeiter gegenüber unserer Redaktion über die Schließung des von Aldi-Patriarch Theo Albrecht im Jahr 1966 selbst gegründeten Traditionsstandortes. Naturgemäß hat der Discounter-Riese eine andere Sicht der Dinge. In einer Stellungnahme heißt es: „In den vergangenen Jahren standen die Standorte von Markus Kaffee zunehmend vor wirtschaftlichen Herausforderungen. Eine Analyse sämtlicher Prozesse hat ergeben, dass der Rösterei-Standort Herten in seinen bisherigen Strukturen nicht mehr wettbewerbsfähig ist.“
Kind des Ruhrgebiets, aufgewachsen in Herten und Marl. Einst Herausgeber einer Schülerzeitung, heute Redaktionsleiter, Reporter, Moderator. Mit Leidenschaft für hintergründigen, kritischen Journalismus – mit Freude an klassischer Zeitung – mit Begeisterung für digitale Formate – mit Herz für Herten. Unterwegs mit Block und Kamera, Smartphone und Laptop in allen Themenfeldern, die die Menschen bewegen. Besonders gerne hier: Politik, Stadtentwicklung, öffentliche Daseinsvorsorge, Energiewirtschaft, Gesundheitswesen, Digitalisierung, Blaulicht.