Im März 2022 war die Welt scheinbar noch in Ordnung. Damals führten Reinhard Giese (Geschäftsführer Aldi, l.) sowie Felix Regehr (Geschäftsführer Markus Kaffee (2.v.r.) den Hertener Bürgermeister Matthias Müller (r.) und Stadtbaurätin Janine Feldmann durch die Kaffeerösterei in Herten-Süd.

Im März 2022 war die Welt scheinbar noch in Ordnung. Damals führten Reinhard Giese (Geschäftsführer Aldi, l.) sowie Felix Regehr (Geschäftsführer Markus Kaffee (2.v.r.) den Hertener Bürgermeister Matthias Müller (r.) und Stadtbaurätin Janine Feldmann durch die Kaffeerösterei in Herten-Süd. © Stadt Herten

Aldi schließt Großbetrieb in Herten – Massenentlassungen sind die Folge

rnDiscounter-Konzern

Der Discounter-Konzern Aldi Nord plant eine gravierende Umstrukturierung an seinem Traditionsstandort Herten. Ein bedeutender Großbetrieb wird geschlossen. Es zeichnen sich Massenentlassungen ab.

Herten-Süd

, 10.06.2022, 14:58 Uhr / Lesedauer: 2 min

Noch im März 2022 waren Hertens Bürgermeister Matthias Müller sowie die Erste Beigeordnete und Stadtbaurätin Janine Feldmann zu Besuch bei der für 90 Filialen zuständigen Aldi-Regionalgesellschaft in Herten-Süd. Da war die Welt offenbar noch in Ordnung. Müller und Feldmann besichtigten das Logistikzentrum und die Rösterei der Tochtergesellschaft Markus Kaffee. Die beiden Geschäftsführer Reinhard Giese (Aldi) und Felix Regehr (Markus Kaffee) hatten die Gäste eingeladen, führten sie persönlich.

Die Kaffeerösterei der Aldi-Tochtergesellschaft Markus Kaffee in Herten-Süd an der Ecke Hohewardstraße/Im Emscherbruch.

Die Kaffeerösterei der Aldi-Tochtergesellschaft Markus Kaffee in Herten-Süd an der Ecke Hohewardstraße/Im Emscherbruch. © Frank Bergmannshoff

Wo die Aldi-Entführung 1971 ihren Lauf nahm

Aldi und die Stadt Herten sind eng miteinander verknüpft. Einst befand sich in dem Gewerbegebiet an der Hohewardstraße – gelegen zwischen den Halden Hoheward und Hoppenbruch im Norden sowie der Emscher und der Herner Stadtgrenze im Süden – der Konzernsitz. Hier nahm am 29. November 1971 die spektakuläre, bundesweit beachtete Entführung des Firmen-Patriarchen Theo Albrecht ihren Lauf. Er selbst war es, der 1964 das erste Aldi-Zentrallager im Hertener Süden errichten ließ – und 1966 direkt nebenan auf zunächst 1000 Quadratmetern eine Kaffeerösterei.

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27 Jahre später gehen dort bald die Lichter aus. Die heute zur Aldi-Gruppe gehörende Markus Kaffee GmbH & Co. KG schließt den Hertener Standort zum 31. März 2023. „Aus reiner Profitgier!“, wie ein wütender und zugleich trauriger Mitarbeiter gegenüber unserer Redaktion beklagt. Auf Nachfrage hat der Aldi-Konzern die Pläne am Freitagnachmittag (10.06.) bestätigt. Unternehmenssprecher Dr. Axel vom Schemm erklärt: „In den vergangenen Jahren standen die Standorte von Markus Kaffee zunehmend vor wirtschaftlichen Herausforderungen. Eine Analyse sämtlicher Prozesse hat ergeben, dass der Röstereistandort Herten in seinen bisherigen Strukturen nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Daher ist beabsichtigt, den Standort Herten zu schließen.“

Die Aldi-Regionalniederlassung im Hertener Süden mit dem großen Verwaltungs- und Logistikkomplex (Bildmitte unten) und der Kaffeerösterei (rechts daneben). Oben rechts im Bild ist die AGR/RZR-Müllverbrennungsanlage zu erkennen.

Die Aldi-Regionalniederlassung im Hertener Süden mit dem großen Verwaltungs- und Logistikkomplex (Bildmitte unten) und der Kaffeerösterei (rechts daneben). Logistikkomplex (Bildmitte unten) und der Kaffeerösterei (rechts daneben). Oben rechts im Bild ist die AGR/RZR-Müllverbrennungsanlage zu erkennen. © Regionalverband Ruhr

Markus Kaffee betreibt zwei Röstereien in Deutschland, die andere befindet sich in Weyhe bei Bremen. Dort soll künftig die Kaffee- und Teeproduktion gebündelt und weiterentwickelt werden – verbunden mit entsprechenden Investitionen.

Rund 60 Mitarbeiter verlieren den Arbeitsplatz

Die Beschäftigten in Herten werden – so der aktuelle Stand – ihre Arbeitsplätze verlieren. Aldi spricht von rund 60 Betroffenen, der erwähnte Mitarbeiter nennt konkret die Zahl 62. Es sind in erster Linie Fachleute für Maschinenführung und Betriebshandwerk sowie aus den Bereichen Lager, Verwaltung und Qualitätssicherung. Die meisten sind schon seit vielen Jahren oder gar Jahrzehnten für das Unternehmen tätig. Aldi kündigt an, „gemeinsam mit der Arbeitsnehmervertretung sozialverträgliche Lösungen zu entwickeln und die Veränderungen in engem Austausch zu begleiten.“

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Vergrößerung und Modernisierung in den Jahren 2014 und 2017

In den vergangenen Jahren waren von Markus Kaffee in erster Linie positive Signale ausgegangen. 2014 vergrößerte sich das Unternehmen. Acht Anlagen gingen in Betrieb, die frisches Kaffeepulver in Kaffee-Pads füllen und diese für den Versand in Aldi-Märkte bis nach Belgien, Frankreich und in die Niederlande verpacken. 2017 nahm Markus Kaffee an dem Projekt „Ökoprofit“ teil, das darauf abzielt, die ökologische Effizienz und das Umweltmanagement zu verbessern. Im Zuge dessen wurde eine Photovoltaikanlage installiert, die Beleuchtung modernisiert und es wurden zwei alte Röstmaschinen gegen aktuelle Modelle ausgetauscht. In knapp zehn Monaten soll das nun alles Geschichte sein.

An der Hohewardstraße in Herten-Süd, wo heute noch eine Aldi-Regionalgesellschaft und die Immobilienverwaltung ansässig sind, befand sich 1974 die Hauptverwaltung des Discounter-Unternehmens. Hier wurde Theo Albrecht in seinem Auto entführt.

An der Hohewardstraße in Herten-Süd, wo heute noch eine Aldi-Regionalgesellschaft und die Immobilienverwaltung ansässig sind, befand sich 1974 die Hauptverwaltung des Discounter-Unternehmens. Hier wurde Theo Albrecht in seinem Auto entführt. © Frank Bergmannshoff

Was aus dem 23.000 Quadratmeter großen Grundstück und den Betriebsgebäuden wird, darüber sei noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden, teilt Aldi Nord mit. Auf die Aldi-Regionalgesellschaft soll die Rösterei-Schließung nach Unternehmensangaben keine Auswirkungen haben.

Auch Aldi Süd schließt eine Kaffee-Rösterei

Was auffällt: Am selben Tag, an dem die Mitarbeiter der Hertener Rösterei informiert wurden, gab der Schwesterkonzern Aldi Süd bekannt, seine Rösterei in Mülheim Ende 2023 zu schließen. Allerdings sollen die 70 Mitarbeiter dort alternative Stellen im Konzern erhalten.

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Daten und Fakten: Markus Kaffee
  • Die Markus Kaffee GmbH & Co. KG mit Sitz in Herten produziert Filterkaffee, Kaffeepads und Tee für europäische Aldi-Nord-Gesellschaften. Die Rösterei wurde 1966 als eigener Betrieb der Aldi GmbH & Co. KG gegründet. Seit 1980 ist die Gesellschaft eigenständig – die Umfirmierung vom ursprünglichen Namen Albrecht Kaffee in Markus Kaffee GmbH & Co. KG erfolgte im Jahr 2002.
    Kaffee- und Tee-Sorten, die bei Markus Kaffee produziert werden.

    Kaffee- und Tee-Sorten, die bei Markus Kaffee produziert werden. © Carola Wagner (Archiv)

  • Markus Kaffee röstet – neben dem Standort Herten – auch im niedersächsischen Weyhe Kaffee. Mit ihrer täglichen Produktionsmenge gehören die beiden Aldi-Röstereien zu den größten der deutschen Kaffeebranche.
  • In Herten produzieren rund 60 Mitarbeiter Filterkaffee und Kaffeepads der Marken Markus und Moreno sowie Tee für mehr 2.000 Aldi-Nord-Filialen in den Niederlanden, Frankreich, Belgien, Dänemark, Spanien, Luxemburg, Polen und Portugal. In Weyhe hingegen wird für die rund 2.500 Filialen in West-, Nord- und Ostdeutschland produziert.
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