Herrmann: "Schleierfahndung äußerst erfolgreich"
Interview mit Bayerns Innenminister
Es geht um Strategien zur Bekämpfung des Terrorismus, der Cyberkriminalität und um die bundesweite Einführung der Schleierfahndung: Anlässlich der aktuell stattfindenden Innenministerkonferenz in Dresden hat unser Berliner Korresondent mit Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister und CSU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, gesprochen.

ARCHIV - Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) äußert sich am 13.03.2017 auf einer Pressekonferenz im Innenministerium in München (Bayern). Am 19.04.2017 stellt Herrmann in München den Verfassungsschutzbericht 2016 vor. Foto: Alexander Heinl/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit
Drei von 16 Bundesländern sagen Nein zur Schleierfahndung. Darunter versteht man sogenannte verdachtsunabhängige Kontrolle von Personen. Heißt: Ganz egal, ob es einen konkreten Verdacht gibt oder nicht – die Polizei kann jeden nach seinen Personalien fragen und manchmal auch Gepäck oder Taschen untersuchen. In Bremen, Berlin und NRW ist dies bislang nicht möglich. Im Kampf gegen Kriminalität und Terror dringt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf die Einführung der Schleierfahndung in ganz Deutschland. Im Interview erklärt er seine Forderung, zudem spricht er über den Doppelpass, den Abschiebestopp für Iraker und die Überwachung von Messenger-Diensten.
Herr Herrmann, Bayern fordert bei der Innenministerkonferenz in Dresden die bundesweite Einführung der Schleierfahndung. Was versprechen Sie sich davon?
Wir haben die Schleierfahndung in Bayern seit mehr als 20 Jahren. Sie ist überaus erfolgreich. Es gelingt uns, Einbrecherbanden, Drogenkuriere und seit langem per Haftbefehl gesuchte Straftäter festzunehmen. Auch zur Terrorabwehr kann die Schleierfahndung ein sinnvolles Instrument sein. Leider funktionieren die Kontrollen an den EU-Außengrenzen nicht richtig. Deshalb ist es wichtig, dass wir auf Schleierfahndung setzen. Mir ist es absolut unverständlich, dass einige Bundesländer sie nur halbherzig machen oder wie Bremen, Berlin und Nordrhein-Westfalen ganz darauf verzichten.
In Nordrhein-Westfalen haben sich CDU und FDP nun offenbar auf ein Modell für anlassunabhängige Kontrollen geeinigt. Sind Sie damit nicht zufrieden?
Ich will mich nicht im Detail in die Sicherheitspolitik anderer Bundesländer einmischen. Armin Laschet setzt sich stark für eine Verbesserung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen ein. Ich bin für Föderalismus und gegen Zentralismus. Umso wichtiger ist es, dass die Länder ihre Hausaufgaben machen. Defizite bei der Inneren Sicherheit in einem Bundesland bedeuten immer auch Gefahren für ganz Deutschland. Islamistische Gefährder machen nicht vor Landesgrenzen halt.
Muss Deutschlands Sicherheitsarchitektur grundlegend verändert werden? Sollte der Bund hier mehr Kompetenzen erhalten?
Es gibt hier keinen Veränderungsbedarf. Die Kompetenzen des Bundeskriminalamts und des Bundesamtes für Verfassungsschutz sind in den vergangenen Jahren deutlich gestärkt worden. Im Übrigen bringt mehr Zentralismus nicht automatisch mehr Sicherheit. Das zeigt der Blick in unser Nachbarland Frankreich. Bund und Länder müssen optimal zusammenarbeiten. Wir brauchen gemeinsame Standards und eine bessere Kooperation.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) pocht auf eine gezielte Überwachung von Messenger-Diensten wie WhatsApp. Warum ist dieses Instrument unverzichtbar?
Wir haben bei den Anschlägen im vergangenen Jahr in Würzburg und Ansbach erlebt, dass die Täter bis in die letzten Minuten vor ihren Attacken über WhatsApp mit Kontaktpersonen im Nahen Osten in Verbindung standen. Vielen ist nicht bewusst, dass wir hier eine gefährliche Rechtslücke haben. Ein Ermittlungsrichter kann heute bei Terrorverdächtigen die Überwachung des Telefonverkehrs und des SMS-Verkehrs anordnen. Bei WhatsApp und anderen Messenger-Diensten ist das rechtlich nicht möglich. Angesichts der Bedrohungslage in unserem Land kann man das niemanden erklären.
Was fordern Sie konkret?
Für WhatsApp & Co. muss das Gleiche gelten, was für Telefon, Handy und SMS gilt. Hierfür muss das Telemediengesetz geändert werden. Wir wollen die Möglichkeit schaffen, dass nach richterlicher Anordnung die Kommunikation über Messenger-Dienste überwacht werden kann.
Der Bund will bei der Terrorabwehr künftig auch Gesichtserkennungs-Software in Zusammenhang mit Videoüberwachung nutzen. Ein sinnvoller Ansatz?
Natürlich! Wir wollen verstärkt auf den Einsatz von intelligenter Videoüberwachungstechnik setzen. Die Software zur biometrischen Gesichtserkennung soll zielgerichtet weiterentwickelt werden, um Täter schneller identifizieren zu können, die Trefferquote bei Fahndungen zu erhöhen und Verhaltensmuster möglicher Terroristen besser analysieren zu können. Die Speicherfristen von Videodaten wollen wir dazu deutlich verlängern.
Sie dringen darauf, den bestehenden Abschiebestopp für Iraker zu beenden. Warum sehen Sie Handlungsbedarf?
Wir haben noch einmal überprüft, welche abgelehnten Asylbewerber mit schweren Straftaten wir in Bayern haben. Drei davon stammen aus dem Irak und können deshalb nach aktueller Rechtslage nicht abgeschoben werden, obwohl sie so gefährlich sind, dass sie mit einer elektronischen Fußfessel überwacht werden. In solchen Fällen müssen in Zukunft auch Abschiebungen in den Irak möglich sein. Ähnlich wird es auch ja bei Afghanen gehandhabt. Zwar sind Rückführungen nach Kabul vorübergehend ausgesetzt. Gefährder und Straftäter können aber weiter abgeschoben werden.
Thema Doppelpass: Die CDU arbeitet an einem Kompromissmodell. Führende Politiker der Schwesterpartei wollen einen Generationenschnitt – der Doppelpass soll nicht weiter vererbt werden können. Reicht das aus Ihrer Sicht aus?
Wir sind gerade mitten in den Gesprächen über das gemeinsame Wahlprogramm. Ich bin dafür, dass wir wieder zur Regelung von vor vier Jahren mit der Optionspflicht zurückkehren. Jeder muss sich entscheiden, ob er auf Dauer den deutschen Pass oder die ausländische Staatsbürgerschaft seiner Eltern behalten will. Nicht wenige in der CDU scheinen dieser Meinung zu sein.
Ist Ihre Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl der Anspruch, anstelle von Thomas de Maizière das Innenministerium zu besetzen, falls die Union wieder die Regierung führt?
Ich will mithelfen, dass CSU und CDU zu einem starken Ergebnis kommen. Zur Inneren Sicherheit haben wir klare Botschaften. Ein Blick nach Bayern, wo ich bereits seit zehn Jahren Innenminister bin, zeigt, dass mehr Sicherheit in Deutschland möglich ist. Am 24. September haben die Wählerinnen und Wähler das Wort. Wie danach konkrete Aufgaben in Berlin verteilt werden, wird man sehen. Da gibt es keinerlei Absprachen und Zusagen. Ich sehe mich jedenfalls nicht in Konkurrenz mit Thomas de Maizière.