
© Schmidt
Helga Krieger aus Unna berichtet: Darum sind Bürgerräte so wichtig
Direkte Demokratie
Bürgerräte als demokratisches Mittel stärker zu nutzen, wenn es nach den Initiatoren geht, soll das in den nächsten Koalitionsvertrag. Helga Krieger aus Unna war dabei und findet das auch.
Bürgerrat, das muss man vielleicht zu Beginn des Artikels erklären, sind - wie der Name schon sagt - Räte, die sich aus der Bürgerschaft der Bundesrepublik Deutschland zusammensetzen. Die Idee dahinter ist, dass die Besetzung der Räte nach den Faktoren Wohnort, Wohnortgröße, Alter, Geschlecht, Bildungsgrad und Migrationshintergrund ein relativ gutes Abbild der Bevölkerung im Querschnitt darstellt. Dazu werden die Mitglieder dieser Räte per Losverfahren aus den Einwohnermeldedaten ausgewählt und postalisch angeschrieben und eingeladen teilzunehmen.
Eine dieser Einladungen landete am 18. November 2020 auch im Postkasten von Helga Krieger aus Unna. „Ich muss zugeben, ich war zu Anfang ein wenig skeptisch, was es mit dem Brief auf sich hat und habe zunächst im Internet recherchiert, ob das alles seine Richtigkeit hat“, erinnert sich die Unnaerin. „Dort habe ich dann auf der Seite von ‚Mehr Demokratie‘ die nötigen Informationen bekommen und mich auch direkt angemeldet.“
Bürgerrat trat an zehn Terminen zusammen - online
Zehn Termine werden ihr darauf hin genannt, an denen der Bürgerrat tagt. Die Konferenzen Anfang dieses Jahres finden alle online statt. „Deutschlands Rolle in der Welt“ lautet das Überthema des Bürgerrates unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, an dem Helga Krieger teilnimmt. Die Teilnehmer werden in fünf Schwerpunktgebiete aufgeteilt - bürgerratsintern „Reisegruppe“ genannt: „Ich bin zu meiner Freude in der Gruppe Nachhaltigkeit gewesen, das hatte ich mir auch am meisten gewünscht.“

Eine solche Einladung zur Teilnahme am Bürgerrat „Deutschlands Rolle in der Welt“ erreichte Helga Krieger im vergangenen November. © Schmidt
In den Gruppen werden an den Online-Terminen Vorträge von Experten aus der Wirtschaft oder Wissenschaft gehört und im Anschluss diskutiert. „Zunächst haben wir uns nur in Kleingruppen von fünf Personen ausgetauscht und das Gehörte aufgearbeitet. Dann noch einmal in einer größeren Gruppe und dann im gesamten Plenum des Bürgerrates, um unsere Vorschläge zu formulieren.“
Nachhaltigkeit als Schulfach liegt Helga Krieger besonders am Herzen
An einem Punkt hat sich Helga Krieger ganz besonders intensiv beteiligt: „Mein Baby ist Schule. Ich bin der Meinung, dass man Nachhaltigkeit von unten nach oben begrifflich erklären sollte, also in den Grundschulen anfangen. Ich hätte ganz gern, dass Nachhaltigkeit in den Lehrplan aufgenommen wird, dass Kinder das lernen müssen. Was als Ergebnis auch haben wird, dass sich die Eltern damit auseinandersetzen müssen. Durch Kinder mit Migrationshintergrund wird das dann ja vielleicht auch sogar an die Familien in den Heimatländern weitervermittelt.“
Ein verpflichtendes Unterrichtsfach „Nachhaltigkeit“ einzuführen, ist auch in den finalen Katalog der Empfehlungen des digitalen Bürgerrates (Seiten 58/59) aufgenommen worden, der am 19. März 2021 an den Bundestag übergeben worden ist. In diesem Katalog findet sich die Essenz des Bürgerrates als detaillierte Ausarbeitung.
Feedback der Teilnehmer fällt sehr positiv aus
Aber auch Feedback der Teilnehmer findet seinen Platz. „Ich habe mich zum ersten Mal als ‚mündiger‘ Bürger gefühlt, dessen Meinung gefragt ist. Ich hoffe sehr, dass unsere gemeinsame Arbeit die nötige Aufmerksamkeit und Wertschätzung erfährt, die wir alle uns erhoffen, und dass die leise Kritik, die unsere Empfehlungen ja auch enthalten, zum Nachdenken und Handeln anregt“, ist dort abgedruckt. Es ist das Statement von Helga Krieger.

Dieses Zitat von Helga Krieger wurde sogar in die endgültige Fassung des Vorschlagskataloges übernommen. © Schmidt
Bislang hat es vier zivil organisierte bundesweite Bürgerräte gegeben. In nächster Zeit sind keine weiteren in dieser Größe geplant, heißt es seitens „Mehr Demokratie“. Wohl gebe es einige kommunale Bürgerräte oder auf Länderebene, aber auch nicht in Nordrhein-Westfalen. Grundsätzlich wolle man das demokratische Mittel der Bürgerräte gerne in einem zukünftigen Koalitionsvertrag aufgenommen sehen. Das würde auch heißen, dass den Bürgerräten ein höheres Maß an politischer Wahrnehmung zuteil würde, und zudem für die Durchführung nicht mehr in dem Umfang auf Spenden angewiesen wären, wie es bisher der Fall war.
Mit den erarbeiteten Vorschlägen etwas bewegen können
Helga Krieger ist jedenfalls Bürgerrat-Fan geworden, würde es sehr begrüßen, wenn sie fortgesetzt würden. „Egal, wen man anspricht, es kommt immer wieder vor, dass die Menschen von den Bürgerräten noch nie etwas gehört haben. Ich denke, das ist erst einmal wichtig, dass alle wissen, dass es so etwas überhaupt gibt.“ Dass es weitergeht mit diesem Mittel der unmittelbaren Demokratie, das hofft Helga Krieger inständig. Für sie war die Teilnahme am Bürgerrat Anfang des Jahres eine tolle Erfahrung. Daraus nimmt sie nicht nur ein wieder gestiegenes Interesse an Politik mit, sondern auch das Gefühl, mit den erarbeiteten Vorschläge wirklich etwas bewegen zu können.
1982 in Dortmund geboren. Abi in Holzwickede, Journalistik-Studium wieder in Dortmund. Seit 2013 Redakteur beim Hellweger Anzeiger. Freut sich über die spannende Herausforderung, den Wandel eines Traditionsverlags hin zu einem modernen, familiengeführten Multimedia-Unternehmen zu begleiten.
