Ein mutmaßlicher Rechtsextremist aus Bochum ist am Bochumer Landgericht zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Im Mittelpunkt des Prozesses stand eine mehrere Jahre zurückliegende Serie von nächtlichen Brandanschlägen - außerdem ein abgefeuerter Metallkugel-Schuss auf die Bochumer Synagoge im April 2021. Aufgeflogen war der 37-Jährige vor einem Jahr nach einer Autoreifen-Zündelei.
Nach dieser beobachteten Tat war der mutmaßliche Rechtsextremist ins Visier der Ermittler geraten. Ein DNA-Abgleich hatte Treffer bei einer Vielzahl offener Brandgeschehen ergeben. Im Mai 2023 war der 37-Jährige schließlich im Anschluss an eine Wohnungsdurchsuchung festgenommen worden.
Nachgebaute Handgranate gefunden
Neben einer Cannabis-Plantage in einem Grow-Zelt und einer aufgeblasenen Sex-Puppe auf dem Couchtisch stießen die Ermittler in der „völlig verdreckten“ Wohnung auf zahlreiche Waffen (darunter Schlagringe, eine Stahlrute, ein E-Schocker, ein Paintball-Revolver).
Außerdem wurden eine nachgebaute Handgranate, ein voller Benzinkanister und in einem Schrank zahlreiche ausgestellte Nazi-Gegenstände sichergestellt – von Schallplatten mit einschlägig rechtsradikaler Musik über eine Hakenkreuz-Fahne, Messer mit NS-Emblemen, das Hitler-Propagandabuch „Mein Kampf“ bis hin zu einer Büste von Adolf Hitler.
Molotow-Cocktails und Sprengsatz
Einer Sachverständigen hatte der Bochumer erzählt, von der Nazi-Zeit einfach nur fasziniert und interessiert zu sein. Die bei ihm entdeckten sieben Schlagringe will der 37-Jährige angeblich als Briefbeschwerer eingesetzt haben.
Die Brandanschläge durch Molotow-Cocktails und einen selbstgebastelten Sprengsatz – unter anderem auf einen Kindergarten (2017), ein Wohnhaus (2018) und eine DHL-Packstation (2020) - seien mehr oder weniger „aus Blödsinn“ passiert, hatte er behauptet.
Auch der Schuss auf die Synagoge sei reiner Zufall gewesen, aber kein politischer Anschlag. Er habe „einfach mal auf was schießen wollen“. Erwähnenswert ist aber auch: Gegenüber seiner eigenen Freundin hatte der Angeklagten Judenhass durchaus erkennen lassen.
Richter gehen von Streifzug aus
Richter Volker Talarowski mahnte den Angeklagten beim Urteil eindringlich „in sich zu gehen und sich von dem zweifellos vorhandenen Gedankengut loszulösen“. Dass der Anschlag auf die Synagoge rein politisch motiviert gewesen sei, habe man angesichts weiterer am Tatabend offenbar von dem Angeklagten beschossener Pkw und Gebäude (dem Planetarium) letztlich nicht sicher feststellen können. „Es scheint ein Streifzug gewesen zu sein“, hieß es.
Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann hatte den Angeklagten hingegen in seinem Plädoyer eindeutig als Rechtsextremisten überführt gesehen. „Der Angeklagte ist ein Nazi“, legte sich der Ankläger fest.
Den nächtlichen Schuss auf die Bochumer Synagoge nannte Bachmann „eine Schande“. Der 37-Jährige sei eindeutig ein „Antisemit“ und ein „Rassist“. Nur so sei zu erklären, dass er vor dem Urteil über seinen Verteidiger sogar ausdrücklich noch habe ausrichten lassen, dass er „alle beschlagnahmten NS-Sachen“ (die für sich genommen nicht verboten seien) auch wiederhaben wolle. Das unterstreiche sein verfestigt rechtes Gedankengut.
Urteil ist rechtskräftig
Der Angeklagte hatte kurz vor der Urteilsberatung erklärt: „Es tut mir leid, dass ich so viel Ärger bereitet habe. Ich möchte mich wirklich entschuldigen.“
Der Schuldspruch lautet unter anderem auf Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, Brandstiftung, Verstoß gegen das Waffengesetz und unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln.
Der Angeklagte nahm das Urteil an und wurde unter Auflagen aus der U-Haft entlassen.
Rechtsextreme Anschläge auf Bochumer Synagoge und Kita?: „Sein Ziel war es, völlig zu zerstören“
Nach Anschlag auf Bochumer Synagoge: Polizei nimmt Verdächtigen fest