Hafer, Mandel und Soja: Wie nachhaltig und gesund sind pflanzliche Milchalternativen?
Ernährung
Immer mehr Deutsche greifen bei Milch auf pflanzliche Alternativen zurück. Ein Ernährungsexperte erklärt, welche Milchalternative am nachhaltigsten ist und worauf wir beim Kauf achten sollten.

Von Soja bis Hafer: Es gibt in den Supermarktregalen mittlerweile zahlreiche Alternativen zur klassischen Kuhmilch. © picture alliance / dpa
Beim Konsum von Kuhmilch gehen Tierschützer und ‑schützerinnen auf die Barrikaden, bei einigen pflanzlichen Alternativen werden Naturschützer und ‑schützerinnen laut, und die Bezeichnung der Produkte als „Milch“ ist sogar gerichtlich verboten. Wer die klassische Kuhmilch im Kühlschrank ersetzen möchte, verliert schnell den Überblick. Dennoch greifen immer mehr Menschen im Supermarkt zu Pflanzendrinks aus Getreide oder Nüssen wie Soja, Hafer, Reis, Haselnuss, Cashew oder Mandel.
Europameister der Pflanzendrinks
Laut dem Marktforschungsunternehmen POS Pulse hat sich der Umsatz pflanzlicher Milchalternativen in Deutschland von 2018 bis 2020 mehr als verdoppelt. Im Vergleich mit elf europäischen Ländern sind wir im Bericht des Smart-Protein-Projekts sogar Pflanzendrink-Europameister und liegen mit 396 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2020 weit vor Spanien, Italien, England und Frankreich. Die steigende Nachfrage nach Milchalternativen sorgt für immer vollere Supermarktregale.
So sehr sich die vielen Produkte in ihrer Zusammensetzung unterscheiden, so sehr ähneln sie sich in ihren Namen. Denn seit 2013 legt eine EU-Verordnung fest, dass nur Produkte, die aus „der normalen Eutersekretion von Tieren“ stammen, als Milch bezeichnet werden dürfen. Namen wie Soja-, Hafer- oder Reismilch sind also tabu, eine der wenigen Ausnahmen bildet der Begriff Kokosmilch.
Klimaschädling Kuhmilch
Klimaschutz ist einer der wichtigsten Gründe für den Kauf von Pflanzendrinks. Denn sie verursachen in den meisten Fällen deutlich weniger Treibhausgasemissionen und verbrauchen in ihrer Herstellung nur etwa ein Drittel so viel Wasser wie Kuhmilch. Aber sollten wir deshalb gleich komplett auf dieses leckere Getränk verzichten? Immerhin macht Milch müde Männer munter! Vielleicht sorgt genau diese Werbebotschaft aus den Fünfzigerjahren noch heute dafür, dass wir Deutschen pro Person im Durchschnitt fast 50 Liter Kuhmilch im Jahr trinken. Dadurch nehmen wir viel Energie und wichtige Nährstoffe auf, allerdings hinterlässt jeder von uns auch einen CO₂-Fußabdruck von etwa 160 Kilogramm im Jahr.
Neben diesen negativen Umwelteinflüssen schauen Kritiker und Kritikerinnen der beliebten Kuhmilch auch auf den Einsatz von Pestiziden und auf das Tierwohl: Milchkühe werden oft nicht artgerecht gehalten, sie stehen permanent unter Stress, sind andauernd schwanger und bekommen viele Medikamente zugeführt. Doch auch die diversen unterschiedlichen pflanzlichen Milchalternativen sind umstritten. Drinks aus Soja, Mandel, Hafer und Kokos sind in Deutschland am beliebtesten. Mit anderen Alternativen aus Getreide- oder Nusssorten wie Reis, Cashew, Haselnuss, Dinkel oder Hanf stehen sie vor allem aufgrund ihres geringeren Nährstoffgehalts und ihrer vielen Zusatzstoffe in der Kritik.
Sind Pflanzendrinks für Mensch und Natur die gesündere Alternative? Welcher Drink ist der nachhaltigste? Und worauf sollten wir beim Kauf von Milchalternativen achten? Ernährungscoach Thomas Rohlfing ordnet für uns das Chaos in den überfüllten Supermarktregalen.
Haferdrink: die beliebteste Milchalternative in Deutschland
Haferdrinks haben 2021 am häufigsten den Weg in die deutschen Kühlschränke gefunden. Ernährungsexperte Thomas Rohlfing wundert das nicht: „Ökologisch betrachtet ist diese Milchalternative vor allem wegen ihres Heimvorteils eine gute Wahl“, sagt der Coach für vegane Ernährung.
„Hafer kann regional angebaut werden, verbraucht im Vergleich weniger Platz und schneidet in der gesamten Ökobilanz aufgrund kurzer Transportwege und eines niedrigen Wasserverbrauchs in der Herstellung sehr gut ab.“ Pro Liter Haferdrink würden 48 Liter Wasser genutzt und 0,9 Kilogramm CO₂ ausgestoßen, erklärt Rohlfing. Trotzdem könne der Haferdrink in Sachen Nachhaltigkeit von einer pflanzlichen Alternative übertroffen werden.
Sojadrink: der nachhaltigste Pflanzendrink
Mit einem CO₂-Fußabdruck von einem Kilogramm und einem Wasserverbrauch von nur 28 Litern pro Liter Flüssigkeit schneidet diese Milchalternative laut dem Experten in der Umweltbilanz am besten ab. Doch Thomas Rohlfing warnt: „Ob der Sojadrink seinen Platz ganz oben auf dem Treppchen verdient, hängt von der Art und vom Ort des Sojaanbaus ab. Wer auf Nachhaltigkeit achten möchte, wählt am besten Biosojadrinks aus europäischen Sojabohnen.“ Wichtig: Der Hinweis „Hergestellt in Deutschland“ kann auch bedeuten, dass der Drink hierzulande nur abgefüllt und verpackt wurde.
Mandeldrink: das Schlusslicht in Sachen Nachhaltigkeit
Aufgrund des langen Transports der Mandeln und des mit Abstand höchsten Wasserverbrauchs unter den Pflanzendrinks kann der Mandeldrink seinen zweiten Platz in der Beliebtheit mit Blick auf die Umwelt in den Augen des Experten nicht verteidigen. Im Gegenteil: Beim Thema Nachhaltigkeit bildet der Mandeldrink sogar das Schlusslicht. „Für einen Liter Flüssigkeit werden stolze 371 Liter Wasser verbraucht“, erklärt Thomas Rohlfing.
Auch die Herkunft des Rohstoffes sei problematisch: „80 Prozent der weltweit verarbeiteten Mandeln kommen aus Kalifornien. In den heißen Anbaugebieten rauben die riesigen Monokulturen der ursprünglichen Flora und Fauna den Platz und das Wasser. Außerdem werden für die Bestäubung der vielen Mandelbäume jedes Jahr Milliarden Bienen nach Kalifornien gebracht und auf den Plantagen verteilt“, sagt der Experte. Auch bei der Wahl des Mandeldrinks gilt also: lieber zu den nachhaltigeren Produkten greifen, die ihre Rohstoffe aus Europa beziehen.
Zutaten und Nährwerte vergleichen
Haben wir unter den vielen verschiedenen Sorten von pflanzlichen Milchalternativen die passende für uns gefunden, gilt es, zwischen den diversen Produkten der unterschiedlichen Hersteller das Passende auszuwählen. Werbeaussagen auf den Verpackungen, wie „völlig ungesüßt“ oder „ideal zum Aufschäumen“, seien dabei nicht immer hilfreich und würden von den Herstellern häufig sogar dazu genutzt, von problematischen Zusatzstoffen abzulenken, sagt Thomas Rohlfing.
Der Coach für vegane Ernährung rät dazu, sich vor dem ersten Kauf die Mühe zu machen, die Zutatenlisten und Nährwerttabellen der Produkte zu vergleichen. Kuhmilch enthält besonders viel Kalzium und Proteine. Außerdem sind in ihr wichtige Mineralien wie Kalium, Magnesium, Phosphor und Jod enthalten, und sie ist reich an Vitaminen wie B12, B2 und D – Nährstoffe, die als Zusatzstoffe in den Pflanzendrinks Sinn machen können, sagt Thomas Rohlfing. „Bei Personen, die nicht so sehr auf ihre Ernährung und die Nährstoffzufuhr achten können oder möchten, kann es sinnvoll sein, Pflanzendrinks zu kaufen, denen Mineralien und Vitamine zugesetzt sind.“
Zugesetzter Zucker schreckt den Experten dagegen nicht ab. „Auch Kuhmilch enthält von Natur aus viel Zucker in Form von Laktose“, erklärt Thomas Rohlfing. „Haferdrinks kommen durch die Fermentation im Endprodukt auf ähnlich viel Zucker, und den weniger süßen Pflanzendrinks aus Mandel und Soja wird häufig Süße zugesetzt, um den Geschmack zu optimieren. Durch welches Produkt ich Zucker aufnehme, macht also kaum einen Unterschied.“ Wer sich um Zucker Gedanken mache, solle laut Rohlfing vielmehr den eigenen Konsum von Süßgetränken, Gebäck und Süßigkeiten überdenken als den Milchersatz.
Der richtige Pflanzendrink: Fazit des Experten
„Welcher Pflanzendrink der richtige ist, ist letztendlich eine Frage des Geschmacks“, sagt der überzeugte Veganer Thomas Rohlfing, der selbst zum natürlichen Biohaferdrink ohne Zusatzstoffe greift. Die Nährwerte, die er früher über Kuhmilch bekommen habe, nehme er heute über andere Lebensmittel zu sich. Erwachsenen, die sich teilweise oder vollständig vegan ernähren möchten, rät der frühere Meteorologe, täglich in unterschiedlichsten Varianten Vollkorngetreide mit Hülsenfrüchten zu kombinieren und „den Regenbogen zu essen“.
Gemeint ist eine möglichst bunte farbliche Vielfalt an Gemüse und Obst, Nüssen und Samen. Auch Mineralwasser könne wichtige Nährstoffe wie Kalzium liefern, erklärt der Experte und gibt einen hilfreichen Tipp: „Mit einem einfachen Anruf beim Wasserversorger lässt sich auch klären, wie viel gesundes Kalzium im Leitungswasser enthalten ist.“
Wer sich ebenfalls für einen Pflanzendrink ohne Zusatzstoffe entscheide, könne beim Kauf außerdem auf das Biosiegel achten. Wer allerdings bewusst zu einer Milchalternative mit Zusätzen greife, müsse meist auf dieses Siegel verzichten, erklärt Thomas Rohlfing. „Laut Bioverordnung dürfen Zusatzstoffe in Biodrinks zwar aus technologischen Gründen enthalten sein, aber nicht, wenn sie ‚nur‘ der Nährstoffversorgung dienen.“ Ob mit Biosiegel oder ohne: Neben dem individuellen Geschmack und der Entscheidung für oder gegen ausgewählte Zusatzstoffe komme es noch auf regionale Rohstoffe an und auf ein bisschen Geduld an, sagt der Ernährungscoach.
Zeit geben zum Umgewöhnen
Auch bei Thomas Rohlfing hat die Umstellung von Kuhmilch auf pflanzliche Alternativen nicht sofort geklappt. Sein Tipp: mit viel Zeit das Sortiment durchprobieren und nicht so schnell aufgeben. „Auch für mich war der Geschmack von Haferdrinks am Anfang ziemlich ungewohnt“, erinnert sich der Experte. „Ich habe den Pflanzendrink erst im Müsli ausprobiert und den Anteil immer mehr gesteigert. Nach ein paar Wochen hatte sich mein Geschmack umgewöhnt, und heute schüttelt es mich bei dem Gedanken an Kuhmilch.“
RND
Der Artikel "Hafer, Mandel und Soja: Wie nachhaltig und gesund sind pflanzliche Milchalternativen?" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.