Spätestens Anfang Februar ist es wohl so weit: Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer in Herten erhalten ein Schreiben mit dem Grundsteuer-Jahresbescheid. Für manchen Adressaten könnte das Brief-Öffnen mit einem Schock verbunden sein. Insbesondere Eigentümer von älteren Ein- oder Zweifamilienhäusern müssen mit viel höheren Summen rechnen. Grund: neue Bewertungsgrundlagen durch das Finanzamt, die schon 2018 in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verlangt worden waren, aber erst jetzt in Kraft treten.
Die mögliche Kostenexplosion für Privatleute abmildern könnte ein neuer Hebesatz für die Grundsteuer B. Doch neben Herten haben sich auch die meisten anderen Kommunen im Kreis Recklinghausen dagegen entschieden. Allerdings gibt es Ausnahmen: Ausgeschert sind die größte Kreis-Stadt sowie der bisherige Hebesatz-Spitzenreiter. Ein Überblick.
Herten
Der Rat der Stadt Herten hatte am 4. Dezember den Doppelhaushalt für 2025/26 verabschiedet. Darin enthalten sind auch die künftigen Hebesätze, bei denen aber alles beim alten bleibt. Die Grundsteuer A (unveränderter Hebesatz: 285 Prozent) müssen nur wenige Menschen entrichten: Sie gilt lediglich für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke. Die große Mehrheit der 63.217 Einwohner (Stand: 31.12.2022) ist aber von der Grundsteuer B betroffen: Sie fällt nicht nur für Gewerbeimmobilien, sondern auch Wohneigentum an. Zahlen müssen sie zunächst deren Besitzer, jedoch darf die Summe über die Nebenkostenabrechnung auf Mieter umgelegt werden. Diese „Wohnsteuer“ liegt in Herten seit der letzten Erhöhung im Jahr 2023 auf einem sehr hohen Niveau: 920 v.H. ist gleichbedeutend mit dem zweithöchsten Hebesatz im Kreisgebiet, der sogar bundesweit Seltenheitswert hat.
Gladbeck
In der heimischen Negativliste rangiert Gladbeck seit Jahren ganz oben. Bis zum Jahreswechsel lag dort der Grundsteuer-B-Hebesatz bei 950 v.H.. Doch die Verwaltung ging bei der Verabschiedung des Haushaltes für 2025 einen Schritt, den das NRW-Finanzministerium zwar vorab empfohlen, letztlich aber nur wenige Städte im Kreis RE gewagt hatten: In der Ratssitzung am 10. Oktober wurde die Einführung differenzierter Hebesätze beschlossen. Die Absenkung des Hebesatzes für Wohnimmobilien auf 929 führt dazu, dass Privatleuten die schlimmsten Grausamkeiten im Zuge der Grundsteuerreform erspart bleiben. Damit die städtischen Einnahmen im Vergleich zu den Vorjahren aber nicht sinken, musste allerdings im selben Atemzug der Hebesatz für Nicht-Wohngrundstücke um mehr als 700 Punkte erhöht werden: Mit dem neuen Wert von 1673 dürfte so mancher Unternehmer nicht einverstanden sein und könnte rechtlich dagegen vorgehen.
Genau deshalb nahm Hertens Kämmerer Dr. Oliver Lind, wie viele seiner Kreis-Kollegen, Abstand vom Modell der Landesregierung: Langwierige juristische Auseinandersetzungen könnten die Städte in finanzielle Unwägbarkeiten stürzen – und ihre Schuldenstände noch weiter in die Höhe treiben.
Recklinghausen
Trotz dieser Argumentation gibt es ausgerechnet in der größten Kreis-Stadt jetzt zwei unterschiedlich hohe Hebesätze bei der Grundsteuer B – vorher galt ein einheitlicher in Höhe von 695 Prozent. Die Verwaltung hatte dem Rat für seine Sitzung am 2. Dezember zwei Vorschläge unterbreitet. Über alle Parteigrenzen hinweg votierte die Lokalpolitik für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger: Damit Wohnen nicht noch teurer wird, wurde eine wohneigentumsfreundliche Lösung gewählt. Soll heißen: Für Wohngrundstücke wird nur noch ein Hebesatz von 663 v.H. genommen, für Nicht-Wohngrundstücke sind 1173 fällig. Die Einnahmen durch die Grundsteuer B werden auf diese Weise stabil bei 25 Mio. Euro liegen. Eine große Widerspruchswelle erwarten die Verantwortlichen nicht, zumeist sei ohnehin das Finanzamt der richtige Ansprechpartner.

Marl
Die Option gesplitteter Hebesätze hatte auch die Marler Verwaltung erwogen. Doch dazu kam es nicht: In der letzten Sitzung vor dem Jahreswechsel am 12. Dezember legte der Rat fest, dass es für 2025 bei einem einheitlichen Hebesatz von 790 Prozent für die Grundsteuer B bleibt und die Stadt auf Einnahmen in Höhe von 1,5 Millionen Euro verzichtet. Bereits einen Monat zuvor hatte der Rat auf dringende Empfehlung des Kämmerers Daniel Greb die Einführung geteilter Hebesätze abgelehnt. Maßgeblich war dabei das Argument der Rechtssicherheit. Zudem hatte die Stadt bis in den Herbst hinein nicht die Software für die Berechnung und Verschickung der Bescheide mit geteilten Hebesätzen zur Verfügung.
Dorsten
Auch die Lippestadt lässt den Hebesatz unverändert – in diesem Fall bei 870. „Der Bürger wird an der einen oder anderen Stelle unbeeinflusst von uns sein blaues Wunder erleben“, erwartet CDU-Fraktionsvorsitzender Holger Krajewski. Mit den alten Hebesätzen verzichtet die Stadt voraussichtlich auf rund 2 Millionen Euro Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr, sieht aber ebenfalls eine höhere Rechtssicherheit. Widersprüche gegen die Grundsteuerbescheide könnten so in der Regel zurückgewiesen werden, „da sich die Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid des Finanzamtes richten werden“, so Bürgermeister Tobias Stockhoff.
Weitere Städte im Kreis RE
Ähnliche Gedankengänge gab es auch in den Haushaltsdebatten der anderen Kreis-Städte. Das führte dazu, dass es beim Hebesatz für die Grundsteuer B in Castrop-Rauxel, Haltern am See, Datteln und Oer-Erkenschwick ebenfalls keine Veränderungen gibt: Er bleibt weiterhin jeweils bei 825 Prozent. Auch Waltrop entschied sich gegen eine Neuregelung: Hier liegt der Hebesatz bei 700 v.H. und ist damit nun der niedrigste einheitliche im Kreisgebiet.

Neue Grundsteuer-Bescheide in Herten
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