Martin Oschinski mit Landrat Mario Löhr und Dezernent Ludwig Holzbeck vor dem neuen Verwaltungsgebäude an der Zechenstraße

Martin Oschinski (M.) – hier mit Landrat Mario Löhr (r.) und Dezernent Ludwig Holzbeck – leitet den Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis Unna, der unter anderem die Bodenrichtwerte ermittelt. © Max Rolke/Kreis Unna

Grundsteuer-Ärger: Bund der Steuerzahler stützt Praxis der Finanzämter

rnBodenrichtwerte

Wird die Grundsteuer B künftig auf unfairer Grundlage erhoben? Eigentümer kritisieren ein pauschales Bewertungsverfahren. Der Bund der Steuerzahler schlägt sich auf die Seite der Behörden.

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, 12.10.2022, 17:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Finanzämter versenden bereits die ersten Feststellungsbescheide, die Grundlage für die Berechnung der Grundsteuer B werden. Einzelne Hausbesitzer beklagen dabei eine Ungerechtigkeit: Ihr Grundeigentum werde zu hoch bewertet.

Vereinfacht ausgedrückt werden bei der Ermittlung der zu zahlenden Grundsteuer der Steuermessbetrag und der örtliche Steuerhebesatz miteinander multipliziert. Das Ergebnis daraus ist die an die Kommune zu zahlende Grundsteuer.

Bodenrichtwerte pauschal und damit nicht gerecht?

Der Steuermessbetrag wird derzeit von den Finanzämtern für jedes Grundstück neu festgesetzt. Der Fröndenberger Bernd Weskamp hat bereits Post vom Finanzamt erhalten und kennt seinen neuen Messwert damit.

Kritik übt der Grundstückseigentümer dabei an der Berechnungsgrundlage des Finanzamtes. Es wird nämlich bei der Bewertung des Grundstücks auch der örtliche Bodenrichtwert zugrunde gelegt.

Die Bodenrichtwertzonen seien aber mitunter derart groß gefasst, dass abwertende Faktoren für einzelne Grundstücke dabei unter den Tisch fielen, zum Beispiel die Lage an einer Bahnlinie oder an einer Hauptverkehrsstraße.

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Bernd Weskamp hat den Messbetrag für die neue Grundsteuer B bereits von seinem Finanzamt erhalten. Der Fröndenberger richtet sich nun gegen die Bodenrichte, die einen Großteil der Berechnung ausmachen.

Bernd Weskamp hat den Messbetrag für die neue Grundsteuer B bereits von seinem Finanzamt erhalten. Der Fröndenberger richtet sich nun gegen die Bodenrichte, die einen Großteil der Berechnung ausmachen. © Archiv/Udo Hennes

„Das hören wir täglich“, sagt Markus Berkenkopf vom NRW-Landesverband des Bundes der Steuerzahler. Denn Bodenrichtwerte gibt es in Nordrhein-Westfalen qua Gesetz in jeder Kommune; für kreisfreie Städte oder für Landkreise werden sie vom jeweiligen Gutachterausschuss für Grundstückswerte ermittelt.

Individuelle Bewertung praktisch kaum durchführbar

Berkenkopf schaut sich derzeit an, wie sich die Grundsteuerreform auf die öffentlichen Haushalte auswirken wird. Sein Kollege Hans-Ulrich Liebern hat dagegen die Belastung der Steuerpflichtigen im Blick.

Auch wenn der Bund der Steuerzahler eine Interessenvertretung der Steuerzahler ist, bringt Liebern für die Berechnungsmethode des Steuermessbetrages durch die Finanzämter Verständnis auf.

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Das Bundesverfassungsgericht habe gefordert, dass künftig zeitgemäße Werte für die Grundstücke zu ermitteln seien. Für die Bewertung in Westdeutschland gilt bisher als Stichtag der 1. Januar 1964, für die neuen Bundesländer gar der 1. Januar 1935; auch Neubauten waren über Jahrzehnte auf Grundlage der damals ermittelten Einheitswerte bemessen worden.

Wenn nun also millionenfach neue Einheitswerte für Grundstücke ermittelt würden, müsse schlicht auf ein „pauschaliertes Verfahren“ zurückgegriffen werden, so Liebern. Andernfalls lande man bei einer individuellen Bewertung jedes einzelnen Grundstücks – wofür man Jahrzehnte benötigte, zumal der Wert amtlich festzustellen ist und keine privaten Wertgutachten eingereicht werden können.

 Unter einer Lupe ist ein kleines Spielzeughaus auf dem Bescheid zur Grundsteuer zu sehen,

Die Grundsteuerreform tritt zum 1. Januar 2025 in Kraft. Weil sich die örtlichen Hebesätze dann ändern könnten, haben eigenen Berechnungen der künftigen Steuerlast aktuell keine große Aussagekraft. © picture alliance / dpa

Das sei wohl im Einzelfall unbefriedigend, aber nur so praktikabel. Bei besonders großen Grundstücken gebe es immerhin die Möglichkeit, beim Katasteramt eine Teilung zu beantragen, um das abgetrennte Flurstück, z. B. ein großer Garten im Hinterland, aus der Berechnung herauszuhalten.

Bei der aktuellen Neubewertung der Grundstücke könne man sich allerdings nicht dagegen wehren, dass die Bodenrichtwerte „extrem gestiegen“ seien, so Liebern. Zurückzuführen ist das auf viele Grundstücksverkäufe zu hohen Preisen.

Grundsteuer lässt sich erst 2025 errechnen

Wenn Grundstücksbesitzer mit dem neuen Messwert bereits jetzt ihre neue Steuerlast errechneten, komme in vielen Fällen eine Erhöhung dabei heraus. Dabei sei allerdings Vorsicht geboten, warnt Markus Berkenkopf.

Die Hauseigentümer könnten derzeit nur den aktuell geltenden Hebesatz – zweite Stellschraube neben dem Steuermessbetrag – ihrer Kommune heranziehen. Die Grundsteuerreform greife aber erst ab dem 1. Januar 2025. Erst dann wird die Grundsteuer erstmals nach den neuen Grundlagen erhoben. Der Wert, den die Hausbesitzer erhalten, sei daher wohl in dem meisten Fällen nicht aussagekräftig.

„Das wird nur in Einzelfällen eins zu eins passen“, gibt Berkenkopf zu bedenken. Denn die meisten Kommunen müssten wohl ihren Grundsteuer-Hebesatz ändern. Grund: In NRW soll die Grundsteuerreform aufkommensneutral umgesetzt werden. Heißt im Klartext: Kommunen sollen sich nicht gesund stoßen, sondern im Ergebnis ihre frühere Steuersumme behalten. Der örtliche Hebesatz könne also mal sinken oder mal auch steigen, damit die Kommune nicht mehr bzw. weniger als vor der Reform einnimmt.

Markus Berkenkopf prognostiziert: Grundstücke mit Gebäuden etwa aus den 1960er Jahren werden wohl künftig höher besteuert, die Grundsteuer für Häuser jüngeren Datums tendenziell eher sinken. Dass es Verlierer bei der Grundsteuerreform geben wird, hat auch der Fröndenberger Kämmerer bereits vorhergesagt.

Hintergrund

Berechnung der Grundsteuer

  • Der Bund der Steuerzahler NRW hat ein Musterbeispiel für die Berechnung der Grundsteuer B erstellt. Zugrunde gelegt ist ein fiktiver Einheitswert in Höhe von 35.800 Euro für ein Einfamilienhaus.
  • Die Berechnung der Grundsteuer erfolgt in zwei Rechengängen: Im ersten Schritt wird der Steuermessbetrag ermittelt. Hierbei wendet das Finanzamt die im Grundsteuergesetz festgelegten Steuermesszahlen auf den festgesetzten Einheitswert an (z. B. Einfamilienhaus 2,6 ‰; Zweifamilienhaus 3,1 ‰). Daraus ergibt sich im Beispiel die Rechnung 35.800 Euro x 2,6 ‰ = 93,08 Euro.
  • Im zweiten Schritt wird die Jahressteuer ermittelt, wobei der Steuermessbetrag mit dem örtlichen Hebesatz multipliziert wird.
  • Beispielrechnung für die aktuell teuerste und günstigste Gemeinde in NRW: Hebesatz in Hürtgenwald = 950 %; Steuerlast: 93,08 Euro X 950 % = 884,26 Euro; Hebesatz in Verl = 190 %; Steuerlast: 93,08 Euro x 190 % = 176,85 Euro.
  • Berechnungsbeispiele für Kommunen aus dem Kreis Unna: Bönen, 940 %, 874,95 Euro; Fröndenberg, 695 %, 646,91 Euro; Unna, 843 %, 784,66 Euro.