Im Rahmen einer europaweiten Razzia gegen die kriminelle Organisation ´Ndrangheta wurden am frühen Mittwochmorgen (3. Mai) auch in mehreren Städten in Nordrhein-Westfalen Häuser, Wohnungen und Büros durchsucht. Rund 500 Einsatzkräfte, darunter die Einsatzhundertschaft, das Spezialeinsatzkommando und Diensthundeführer, waren dabei im Einsatz, wie die Staatsanwaltschaft mitteilt.
„Es geht um Kokainschmuggel im Tonnenbereich und um sehr hohe Summen“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). „Wir holen die Kriminellen aus ihren mafiösen Parallelwelten.“ Es werde gegen 35 Verdächtige ermittelt, 18 seien verhaftet worden, teilte das Landeskriminalamt in Düsseldorf am Mittwoch mit.
Durchsuchungen gab es den Ermittlern zufolge in Essen, Wuppertal, Bergisch-Gladbach, Hagen, Hattingen, Castrop-Rauxel, Siegen und Bedburg, sowie im Kreis Mettmann. Es habe bei den Razzien keinen Widerstand gegeben, sagte eine Sprecherin des NRW-Landeskriminalamtes. Beteiligt an dem Einsatz waren auch die Einsatzhundertschaft des Spezialeinsatzkommandos und Diensthundeführer.
Eisdiele als Geldwaschanlage - Hauptbeschuldigter ein Mann aus Raum Hattingen
In Siegen wurde nach dpa-Informationen auch eine Eisdiele durchsucht. Den Besitzer trafen die Ermittler in seiner nahegelegenen Wohnung an und nahmen ihn in Haft. Es bestehe der Verdacht, dass es sich bei der geschlossenen Eisdiele in Siegen um eine Geldwaschanlage und Unterschlupf der kalabrischen Mafia, der `Ndrangheta, gehandelt hat, sagte ein leitender Ermittler.
Zudem sei einer der Mitarbeiter mit europäischem Haftbefehl gesucht worden. Das Kokain sei über Überseehäfen in den Niederlanden aus Südamerika nach Europa gebracht und dort mit präparierten Autos nach Italien geschmuggelt worden. Das Kokain sei mehrfach eingeschweißt worden, damit es für Spürhunde nicht zu wittern ist. Zudem seien die Autos vor jeder Fahrt auf Abhör- oder Ortungsgeräte der Polizei untersucht worden. Die belgische Polizei habe einen Mafia-Geldeintreiber in der Region Genk observiert und festgestellt, dass er Mitinhaber der Eisdiele in Siegen ist. Hauptbeschuldigter sei ein 62-Jähriger aus dem Raum Hattingen.
Zudem gab es SEK-Einsätze im Zusammenhang mit der bundesweiten Razzia in Bergkamen und Fröndenberg.
´Ndrangheta - mächtiger Mafia-Clan aus Kalabrien
Den Beschuldigten wird unter anderem Geldwäsche, bandenmäßige Steuerhinterziehung, gewerbsmäßiger Bandenbetrug sowie Rauschgiftschmuggel vorgeworfen. Das Verfahren wird durch eine gemeinsame Ermittlungsgruppe geführt, an der Europol und Eurojust beteiligt sind.
Auch andere Bundesländer nahmen an der Groß-Razzia teil. In Bayern wurden vier Menschen verhaftet, in Rheinland-Pfalz waren es zehn Personen. Jeweils ein Verdächtiger wurde im Saarland sowie in Thüringen festgenommen. Neben den bereits Bundesländern zählen weitere Sicherheitsbehörden aus Belgien, Frankreich, Italien, Portugal und Spanien dazu, die zeitgleich Razzien in ihren Zuständigkeitsbereichen durchgeführt haben.
Die ´Ndrangheta gehört zu den mächtigsten Mafia-Organisationen der Welt und ist längst international über die Grenzen Italiens hinaus aktiv. Beheimatet ist sie in der Region Kalabrien, der Spitze des italienischen „Stiefels“ auf dem Festland gegenüber der Insel Sizilien. Sie dominiert den internationalen Drogenhandel, verdient ihr Geld aber auch mit Waffenhandel, Geldwäsche und durch Korruption. Ihren Umsatz schätzen manche Experten auf mehr als 100 Milliarden Euro. Es gibt rund 160 Clans in Kalabrien mit schätzungsweise 6000 Mitgliedern.
Der Begriff ´Ndrangheta stammt aus dem Griechischen und bedeutet etwa Mut oder Treue. Die Mafia-Organisation soll sich in den 1860er Jahren gegründet haben, als eine Gruppe Sizilianer von der italienischen Regierung von der Insel verbannt wurde. Die ´Ndrangheta hat auch in Deutschland ein festes Standbein. Clans der Organisation waren etwa für die Mafia-Morde von Duisburg verantwortlich, bei denen 2007 sechs Menschen vor einer Pizzeria erschossen wurden.
rej/dpa
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