Gladbach trauert stolz - «Bock» auf die Europa League
Es fehlte nicht viel. Borussia Mönchengladbach stand kurz vor dem Erreichen der Champions-League-Gruppenphase. Das 2:1 bei Dynamo Kiew indes ist ein Beweis: Die «Fohlen» sind auch international wieder salonfähig.

Juan Arango (M) stürmt mit dem Ball von Kiews Wukojewitsch verfolgt. Foto: Sergey Dolzhenko
Granit Xhaka stand eine halbe Stunde vor Mitternacht minutenlang wie eine Statue auf dem Rasen des Olympiastadions von Kiew. Reglos und zutiefst enttäuscht nahm der 8,5 Millionen teure Neuzugang von Borussia Mönchengladbach einen Sieg zur Kenntnis, der eigentlich keiner war: Das erhoffte Fußballwunder war ausgeblieben.
Dementsprechend fiel die Erstreaktion des 19 Jahre alten Schweizer Nationalspieler aus: «Ich war wütend auf uns selbst. Wir haben's im Hinspiel vermasselt.» Und weil dieser Gedanke einfach nicht weichen wollten, sinnierte Xhaka so lange vor sich hin, bis ihn die Kollegen vom Spielfeld holten.
Erst als seine Wut über das 1:3 von Mönchengladbach verraucht war, bahnten sich Stolz und Eigenwertschätzung in Xhakas Gefühlswelt ihren Weg. Denn spätestens mit dem 2:1 (0:0) bei Dynamo Kiew traten die Profis von Borussia-Trainer Lucien Favre endgültig einen Beweis an: Die «Fohlen», in den siebziger Jahren eine feste Größe des europäischen Fußballs, sind international wieder salonfähig.
Mike Hanke ließ sich unter diesen Umständen zu großen Worten hinreißen. «Das war ja fast wie Bayern München oder Real Madrid», sagte der Mönchengladbacher Stürmer ob einer Tatsache: Er und seine Kollegen führten den ukrainischen Gegner teilweise so vor, dass die Dynamo-Fans unter den 66 862 Zuschauern ihr Team gnadenlos auspfiffen.
60 Prozent Ballbesitz, und das auswärts, sprechen Bände. «Ich habe mit keiner meiner Mannschaften ein solch dominantes Spiel wie hier in Kiew erlebt», kommentierte Borussias überragender Innenverteidiger Martin Stranzl den couragierten Auftritt, dem nur eines fehlte: die Vollendung mit dem Erreichen der Königsklassen-Gruppenphase.
Das Eigentor von Jewgeni Chatscheridi (70. Minute) und Juan Arangos Kopfballtreffer (78.) waren zu wenig für den Bundesligisten. Der Nigerianer Ideye Brown machte in einer dramatischen Schlussphase mit dem 1:2 (88.) aus dem Borussia-Erfolg einen Sieg, den Hanke als einen der bittersten seiner Karriere einordnete: «Ja. Schließlich war ich noch nie in der Champions-League-Gruppenphase.»
Für Kapitän Filip Daems war es «ein fast perfektes Spiel». Und hätte Patrick Herrmann nach 70 Sekunden aus Arangos herrlicher Vorlage das 1:0 gemacht - wer weiß, was dann wirklich möglich gewesen wäre. Nun indes steht fest, dass es keine 8,6 Millionen Euro Antrittsgeld für den Auftritt auf Europas Top-Fußballbühne gibt, sondern die vergleichsweise bescheidene Summe von 1,3 Millionen Euro für den Wettbewerb der Kategorie zwei.
Trotzdem waren sie schnell stolz auf ihre Leistung, nachdem der Frust weg war. «Wenn wir das dritte Tor gemacht hätten, hätten alle gesagt: Wow, was für eine geile Mannschaft», meinte Hanke, der jetzt einfach «Bock» auf die folgenden internationalen Aufgaben hat: «Wir können stolz sein. Und wir freuen uns drauf. Wir werden Spaß daran haben» - am liebsten unter anderem mit Inter Mailand als Gruppengegner. Hanke: «Gegen die zu Hause - Hammer!»
Egal, gegen wen: Das, was die Borussen jetzt vorhaben, ist unabhängig von Gegnern. Sie wollen wachsen, sich entwickeln. Xhaka: «Wir sehen doch, dass wir Spiel für Spiel besser werden.» Auch bei Tony Jantschke, wegen eines Cuts über dem rechten Auge mit mehreren Stichen genäht, war der Frust «nicht so groß. Wir waren absolut dominant, haben sogar 2:1 gewonnen. Wir sind auf einem guten Weg.»
Kleine Schritte nach vorn zu machen, wie es der erfahrene Martin Stranzl vorhat - das ist das Ziel: «Wir haben viele junge Spieler. Wenn die aus solchen Erfahrungen lernen und sich weiterentwickeln, schaut's doch gar nicht so schlecht aus.»