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Gigantische Omikron-Welle greift Deutschland jetzt von drei Seiten an
Coronavirus
Auch in Deutschland steigt die Zahl der neuen Corona-Fälle wieder im Turbo-Tempo. Doch das Schlimmste scheint noch bevorzustehen, denn: Eine gewaltige Omikron-Welle hat unser Land umzingelt.
Am Mittwoch, 5. Januar 2022, meldet das Robert-Koch-Institut (RKI) 58.912 neue Infektionen mit dem Coronavirus, 18.869 mehr als vor einer Woche. Auch die Inzidenz steigt seit einigen Tagen wieder deutlich und liegt jetzt bei 258,6. Mit diesen Daten steht Deutschland im europäischen Vergleich zur Zeit noch gut da, aber das wird sich sehr bald ändern. In diesem Punkt sind sich alle Experten einig.
Und wer den Virologen, den Epidemiologen und Immunologen nicht glauben mag, dem sei ein Blick auf die Karte mit den aktuellen Europa-Zahlen zur Corona-Lage empfohlen. Da zeigt sich: Deutschland ist im Norden, Westen und Süden von Ländern umzingelt, in denen sich in Windeseile eine gewaltige neue Corona-Welle aufgebaut hat.
Die Omikron-Variante hat sich in der Tat als viel, viel ansteckender erwiesen als alle Varianten des Coronavirus zuvor. In zahlreichen Ländern hat sie bereits jetzt die Fallzahlen auf bisher in der Pandemie nie erlebte Werte katapultiert. In Frankreich liegt die Inzidenz heute bei 1.870, in Großbritannien bei 1.919, in Italien bei 1.342 und in Dänemark bei 2.168, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.
In Schleswig-Holstein hat der Omikron-Sturm bereits begonnen
Dass das Virus nicht an der Grenze halt macht, dürfte inzwischen auch dem letzten Optimisten klar sein. Schon jetzt zeigt sich beispielsweise in Schleswig-Holstein, was das bedeutet. Unser nördlichstes Bundesland war bisher ein regelrechter Musterknabe im Kampf gegen das Coronavirus, wies im Ländervergleich eigentlich immer mit die niedrigsten Fallzahlen auf. Und jetzt?
Heute meldet das RKI für Schleswig-Holstein eine Sieben-Tage-Inzidenz von 352,8. Dabei hatte Schleswig-Holstein bis zum Silvestertag, als man eine Inzidenz von 218,4 meldete, an keinem einzigen Tag in der Pandemie die Schwelle von 200 überschritten. Und jetzt geht es in wenigen Tagen hoch auf mehr als 350. Die Nähe zu Dänemark wirkt sich hier ganz offensichtlich aus.
Hohe Impfquote senkt die Zahl der Neuinfektionen nicht
Bemerkenswert beim Blick auf die Corona-Daten ist, dass sich auch eine hohe Impfquote praktisch nicht auf die Zahl der Neuinfektionen auswirkt. Beispiel Island: Dort liegt die Impfquote bei 82,69 Prozent und die Sieben-Tage-Inzidenz bei 2.104,5. Oder Portugal: Da beträgt die Impfquote 89,56 und die Inzidenz 1.545,2.
Diese Daten sind ein starkes Indiz dafür, dass die Experten mit ihren vorsichtigen Einschätzungen richtig liegen: Auch eine vollständige, zweifache Impfung schützt nicht wirklich gut vor einer Infektion mit der Omikron-Variante. Der Schutz wird offenbar lediglich durch eine Booster-Impfung verbessert.
Weniger schwere Erkrankungen, was heißt das?
Aber, auch das zeigen die Zahlen: Bisher scheint sich ebenfalls zu bestätigen, dass Omikron weniger schwere Covid-19-Erkrankungen auslöst als die Vorgänger-Varianten. Und vor einem schweren Verlauf der durch Omikron ausgelösten Erkrankungen scheinen die Impfungen ebenfalls gut zu schützen.
Wäre es anders, wäre das Gesundheitssystem jetzt bereits in vielen Ländern zusammengebrochen. In Großbritannien etwa riefen mehrere Kliniken am Dienstag (4. Januar) den Katastrophenfall aus. Hauptursache dafür war neben den vielen Corona-Fällen das fehlende Personal, das entweder selbst infiziert, erkrankt oder in Quarantäne war.
Die Folgen für den Corona-Gipfel am Freitag
Bund und Länder, die am Freitag über die jetzt erforderlichen Schritte beraten werden, stehen dabei vor drei extrem schwierigen Abwägungsproblemen:
1. Bisher gibt es strikte Vorschriften für eine relativ lange Quarantänezeit, wenn jemand Kontakt zu einem Omikron-Infizierten hatte. Das Ziel ist klar: Die Ausbreitung von Omikron soll verlangsamt werden. Das aber könnte dazu führen, dass in Krankenhäusern, Pflegeheimen, bei der Feuerwehr, in den Schulen, im öffentlichen Nahverkehr und an vielen anderen Stellen ein normaler Betrieb nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, weil das Personal fehlt. Und auch die Wirtschaft insgesamt könnte lahmgelegt werden.
Was also tun? Sollte man die Quarantänezeit verkürzen? Aber wie viel größer ist das Risiko dann, dass Omikron doch wie ein Tsunami durch unser Land rast und am Ende gleichfalls das ganze Land stillsteht?
2. Wenn Omikron in der Regel nur leichte Erkrankungen auslöst, warum dann härtere Maßnahmen? Die Antwort ist klar, aber eben auch schwer vermittelbar. Selbst wenn die Zahl der schweren Corona-Verläufe und damit der Einweisungen in Kliniken und der Behandlung auf den Intensivstationen bei Omikron-Infizierten tatsächlich so viel geringer sein sollte als bei anderen Varianten, gilt: Bei riesigen Fallzahlen reicht auch eine winzige Quote an schweren Verläufen, um unser Gesundheitssystem in die Überlastung zu führen, zumal eben auch die Beschäftigen im Gesundheitswesen nicht vor einer Infektion und einem Ausfall geschützt sind.
3. Es gibt ein weiteres Argumentationsproblem. Derzeit steigt die Zahl der Infektionen zwar, aber die Hospitalisierungs-Inzidenz sinkt und auch auf den Intensivstationen ist die Lage heute nicht mehr so dramatisch wie noch vor einigen Wochen. Zudem steht Deutschland im europaweiten Vergleich ja noch gut da.
Die in den vergangenen Wochen getroffenen härteren Maßnahmen haben offensichtlich gewirkt und das wird jetzt zum Bumerang: Wie soll man da schärfere Maßnahmen begründen? Es gibt ja kein zweites Parallel-Deutschland, in dem man hätte testen können, was eigentlich ohne die im November und Dezember getroffenen Maßnahmen passiert wäre. Daher lässt sich weder wissenschaftlich exakt nachweisen, wie erfolgreich die getroffenen Maßnahmen gewirkt haben, noch, wie weitere Maßnahmen wirken werden. Das macht es sehr schwierig, Verständnis für harte Entscheidungen zu wecken.
Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
