Generalprobe für A 40-Sperrung geglückt

Das Szenario sah mehr nach Katastrophe als nach Kultur aus: Die Autobahn gesperrt, überall Helfer mit Warnwesten und mitten in der stockdunklen Nacht die THW-Laster mit ihren grellen Scheinwerfern.

Grevenbroich (dpa)

16.05.2010, 17:11 Uhr / Lesedauer: 2 min

Picknick-Tische auf der gesperrten Autobahn A540 bei Grevenbroich.

Picknick-Tische auf der gesperrten Autobahn A540 bei Grevenbroich.

Auf einem wenig befahrenen Autobahnstück zwischen Neuss und Grevenbroich hat die Kulturhauptstadt Ruhr 2010 am Wochenende für ihr wohl spektakulärstes Projekt geprobt: die Sperrung der «Ruhrgebiets-Schlagader» A 40 auf 60 Kilometern zwischen Dortmund und Duisburg am 18. Juli.

Es war ein erfolgreicher Probelauf: Nach rund zweieinhalb Stunden standen die 400 Tische, 800 Bänke, Toiletten, Absperrungen und Schilder auf dem Probekilometer der Autobahn. Einziger Verletzter: ein Küchenhelfer des technischen Hilfswerks, der sich beim Catering in den Finger schnitt. In zwei Monaten müssen in derselben Zeit auf der A 40 allerdings 60 Mal so viele Tische aufgebaut werden. Rund 5000 Helfer vor allem des THW und Freiwillige der Kulturhauptstadt werden im Einsatz sein. 2010-Chef Fritz Pleitgen ist optimistisch: «Die Generalprobe ist gelungen, das Unternehmen kann steigen.»

Die A 40, im Ruhrgebiet meist mit ihrem alten Namen B 1 oder Ruhrschnellweg genannt, ist für die Region weit mehr als eine Straße. Über die Autobahn fahren jeden Tag rund 100 000 Menschen, viele von ihnen stehen in den ständig hin- und her wandernden Baustellen täglich im Stau. Auch das sorgt für eine besondere Beziehung. Etwa eine Million Anwohnern leben mehr oder weniger weit von der Straße entfernt - manche nur Meter weg hinter ihrer Schallschutzmauer.

Die A 40 ist zwischen Duisburg, Oberhausen, Essen, Gelsenkirchen, Bochum und Dortmund so etwas wie die heimliche Mitte der Ruhrregion. Ruhr-Musiker haben ihr schon mehr als eine Hymne im Stil von Grönemeyers «Bochum» gewidmet. Ideen, die Straße abzusperren und für Veranstaltungen zu nutzen, gab es schon oft. Sie scheiterten aber bisher stets am Aufschrei der Verkehrsplaner und Anliegerstädte. Die Kulturhauptstadt konnte das Wagnis erstmals durchsetzen.

An den Tischen wollen die Organisatoren Alltagskultur sehen - mit einem Schwerpunkt auf Alltag. Es wird Skatclubs und Stehgeiger, Tipp- Kick-Spieler und Posaunenchöre geben. Taubenzüchter, Fußballfanclubs und Paare, die öffentlich Goldene Hochzeit feiern. Kritik der Feuilletons, dies sei platt und beliebig, lässt die Organisatoren ungerührt. «Wenn wir etwas schaffen, für das eine Million Menschen zusammenkommen und feiern, ist das wertvoll», sagt Projektleiter Ralph Kindel. Das Interesse ist bundesweit groß: Diesen Montag beginnt der Vorverkauf für die letzten 5000 Tische.

Ruhr 2010-Chef Pleitgen, gebürtiger Duisburger, verbindet mit dem Projekt sogar einen alten Traum jedes «Ruhris»: Das Kirchturmdenken in der mit über fünf Millionen Menschen riesigen, aber traditionell zersplitterten Region endlich zu überwinden. Die Städte arbeiteten in der Vorbereitung vertrauensvoll zusammen wie sonst selten. «Vielleicht ist das der emotionale Gründungspunkt des Ruhrgebiets.»

www.ruhr.2010.de/still-leben

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