Frank verliert mit Schiffsunglück sein Zuhause „Am Rand des Wahnsinns gibt es kein Geländer“

Frank verliert mit Schiffsuntergang sein Zuhause: „Am Rand des Wahnsinns“
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Als die Motoryacht „Frieda“ am 21. Dezember 2022 langsam aber stetig im Hafenbecken der Marina Rünthe unterging, war Skipper Frank nicht an Bord. „Zum Glück musste ich das nicht direkt miterleben“, sagt der 61-Jährige heute, ein Jahr später. „Ich erhielt den Anruf mit dem Satz: Komm mal zu Deinem Boot. Das Wasser ist auf der ungünstigen Seite.“

Bislang war Frank, der seinen Nachnamen nicht veröffentlichen möchte, nicht in der Lage, darüber zu sprechen, was ihm geschehen ist: Denn damals war das Schiff sein Hauptwohnsitz. An Bord war sein gesamtes Hab und Gut, sämtliche Erinnerungsfotos, sämtliche Schriftstücke, alle Urkunden und Zeugnisse waren von jetzt auf gleich weg. Das Wasser zerstörte einfach alles. „Für mein Leben war das ein Meilenstein. Es gibt ein Davor und ein Danach“, sagt Frank nun.

Inzwischen kann der Mann wieder lachen und blickt optimistisch nach vorne. Er ist frohen Mutes und hat sein Leben weitestgehend wieder im Griff. Doch das war lange Zeit anders. Ohnehin von einer psychischen Erkrankung geplagt, musste er ein neues Lebenskonzept für sich entwickeln. Denn: „Jeder Euro extra ist gerade einer weniger zum Leben“, bilanziert er. „Wenn ich zwei Glühwein trinke, ist das Wochenbudget erschöpft.“

Dass er das ohne Verbitterung sagen kann, grenzt an ein Wunder. Denn sein Leben war ein steiniger Weg mit vielen Aufs und Abs. Sein Berufsleben begann er als Post-Beamter im Bereich Telefonie, doch dieser wurde privatisiert. Frank wuchs mit der IT-Technologie, wurde zum Spezialisten, bis der Burn-out kam. Er zog die Reißleine, krempelte sein Leben um, und fiel ins andere Extrem: Ein zu ruhiger Job führte ihn ins Bore-out. Wieder kämpfte er sich auf die Beine, und veränderte seinen Lebensstil radikal. Statt von nun an im großen Haus mit Themenzimmern zu leben, zog er auf die „Frieda“. Er dachte, lediglich mit dem Nötigsten. „Aber selbst das war zu viel“, resümiert er heute.

Die "Frieda" sank im Dezember 2022 bis auf den Grund des Hafenbeckens.
Mit dem Boot ging das gesamte Leben von Skipper Frank unter. Er verlor alles. © Stephanie Tatenhorst

Denn beim Untergang des Schiffes wurde alles zerstört. Ein gesunkenes Boot sei nicht mit einem abgebrannten Haus vergleichbar, weiß Frank. „Eine Gebäude- oder Hausratversicherung gibt es nicht für Boote“, erklärt Frank. Alles, was auf dem Boot war, war daher nicht versichert. Und das Wasser vernichtete wirklich nahezu alles. Er schätzt den finanziellen Wert der Gegenstände auf 20.000 bis 30.000 Euro, die plötzlich einfach weg waren. Vom ideellen Wert ganz zu schweigen.

Es gab daher vor einem Jahr wirklich nur einen Gedanken, der Frank buchstäblich über Wasser hielt: „Den Menschen im Ahrtal geht es noch schlechter.“

Dennoch ist der 21. Dezember 2022 für ihn zum besonderen Datum geworden. „Den Tag vergesse ich genauso wenig wie meinen Geburtstag.“ Denn so schwer die Zeit danach auch war: Es gab viele Menschen, die Frank sofort halfen. Zum Teil Wildfremde.

Die "Frieda" wurde mit einem Kran aus dem Wasser des Datteln-Hamm-Kanals gehoben.
Die „Frieda“ wurde mit einem Kran aus dem Wasser des Datteln-Hamm-Kanals gehoben. Alles an Bord war vom Wasser zerstört worden. © Stephanie Tatenhorst

„Ich bin zweifach angesprochen worden, indem man mir Wohnraum anbot“, staunt Frank. Vor allem über die Formulierung, mit der das passierte. Ganz vorsichtig sei der Satz: „Ich kenne nicht Deine Situation, aber...“ gefallen, erinnert sich Frank. Das fing ihn auf und gab ihm Hoffnung. „Dass es das in diesen Zeiten noch gibt“, sagt er. Doch es war auch kurz vor Weihnachten. „Abzusaufen ist vermutlich immer schlimm. Aber dann auch noch zu der Zeit, wo man sich auf die Feiertage freut“, sagt Frank.

„Später wurde mir so manches Bierchen angeboten. Einer meinte sogar, das könne man doch alles gar nicht nüchtern ertragen“, erinnert er sich - und kann heute darüber lachen. Vor einem Jahr stand er jedoch wirklich vor dem Nichts. Fremde Hilfe brauchte er nicht. Sein soziales Umfeld nahm ihn auf. „Aber ich war dennoch nur zu Gast“, sagt er. Als das schwierig wurde, buchte er vom letzten Geld sechs Wochen Türkei-Urlaub und grübelte dort über sein Leben nach.

„Ich hatte das Gefühl, dass überall Game over steht“, sagt Frank rückblickend. „Ich war völlig depressiv.“ Doch auch wenn es sich für ihn anfühlte, als wäre er mit der „Frieda“ untergegangen und würde ertrinken, „irgendwie bekam ich doch Luft.“ Und so dachte er darüber nach, wie er die Weichen neu stellen könnte.

Zunächst kontaktierte er wieder einmal seine Psychotherapeuten. „In einer Klinik lernst Du die Techniken“, sagt er. „Du bekommst aber nicht die Lösung Deiner Probleme geliefert.“ Und so entwickelte er für sich ein Konzept wie früher im Berufsleben: „Betriebsablauf beobachten und gegebenenfalls lenkend eingreifen.“

Und was macht er nun? „Am wichtigsten: Akzeptieren, dass es ist, wie es ist“, sagt er. Denn: „Am Rand des Wahnsinns gibt es kein Geländer.“ Er sei dabei, sich wieder ein Leben aufzubauen. „Es war ein Jahr im Umbruch“, sagt er. Seine Ziele für 2024: „Ich möchte wieder meinen kleinen Ort mit Wohlfühlfaktor haben. Mit Bastelecke, Küche im Landhausstil und einem kleinen Pizzaofen.“ Wo, das will er öffentlich nicht sagen. Denn: „Ich will nicht die Giraffe im Zoo sein, die von allen angestarrt wird.“