Fragen und Antworten

Flüchtlinge: Stadt prüft zweiten Standort auf der Syburg

Während einer Bürger-Information über das "Haus Husen" auf der Syburg erhielten die Dezernentinnen Diane Jägers, Daniela Schneckenburger und Birgit Zoerner Applaus für ihre Fakten über Flüchtlinge in Dortmund. Es gab kritische Fragen und eine Überraschung: Die Stadt nannte einen zweiten potenziellen Standort für eine Flüchtlingsunterkunft.

SYBURG

, 12.08.2015 / Lesedauer: 4 min

Die Stadt Dortmund nimmt die frühere evangelische Jugendbildungsstätte und ehemalige Computer-Akademie "Haus Husen" an der Syburger Dorfstraße als Unterkunft für Flüchtlinge in Betrieb. Über die Pläne informierten die Dezernentinnen Birgit Zoerner (Soziales), Diane Jägers (Recht) und Daniela Schneckenburger (Jugend) am Mittwochabend (12.8.2015) im "Bürgerhaus Syburg" über 200 Besucher. Hier die wichtigsten Fakten:

Warum ist aktuell der Zeitdruck so groß?

Aktuell leben fast 4000 Flüchtlinge in Dortmund. Und die Stadt muss pro Woche zusätzlich 130 weiteren Flüchtlingen eine Unterkunft bieten. 2012 waren es etwa 300 - im gesamten Jahr und nicht pro Woche.

Welche Prognosen gibt es über die zu erwartenden Zahlen?

Belastbare Zahlen gibt es nicht. Laut Diane Jägers geht die "Tendenz nach oben". Und: "Es gibt keine Anzeichen, dass es weniger Flüchtlinge werden."

Welcher zweiter Standort kommt auf der Syburg in Frage?

Das Hotel "Landhaus Syburg" an der Ecke Westhofener Straße / Hohensyburgstraße / Syburger Dorfstraße. Eine Entscheidung ist nicht gefallen. Die Stadt prüft das zurzeit. Auch andere Städte mieten Zimmer in Hotels und Pensionen, um Flüchtlinge vor Obdachlosigkeit zu bewahren.

Wann soll der Betrieb im Haus Husen beginnen?

Die ersten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge könnten dort schon am 12. oder 13. August 2015 einziehen. Wenn fest steht, wer der Betreiber ist. Platz ist für 175 Personen. Laut Jugenddezernentin Daniela Schneckenburger ist in der Startphase nicht mit einer so hohen Zahl zu rechnen.

Welche Aufgaben hat ein Betreiber?

Er muss erfahren sein im Betrieb großer Flüchtlings-Unterkünfte und neben einem zuverlässigen Sicherheitskonzept auch bei der pädagogischen Betreuung der Jugendlichen überzeugen. Der Personalschlüssel liegt bei 1:5. Also ein Betreuer auf fünf Jugendliche.

Syburg verfügt über keine Infrastruktur. Wie kann da Integration gelingen?

Vor dieser Frage steht auch die Stadt. Das "Haus Husen" steht zwar schon seit Monaten auf einer Liste zu prüfender Immobilien und war wegen seiner abgeschiedenen Lage nie erste Wahl. Laut Sozialdezernentin Birgit Zoerner muss die Stadt mit steigenden Flüchtlingszahlen bei der Suche nach geeigneten Gebäuden aber von ihren Ansprüchen an die lokale Infrastruktur abweichen.

Wer sind die jugendlichen Flüchtlinge?

Die Leiterin einer Einrichtung mit 20 Flüchtlingen berichtete unter Tränen über die Lebenslage der Jugendlichen: "Manche Kriegs-Flüchtlinge sind stark traumatisiert. Sie wachen nachts schreiend auf und verkraften die Trennung von ihren Familien nicht. Einer unserer Bewohner hat die Nachricht erfahren, dass seine Mutter im Krieg getötet worden ist. Er leidet so sehr darunter, dass er sich nicht von ihr verabschieden konnte. Diese jungen Menschen brauchen unsere Unterstützung." Die Rednerin erhielt ermutigenden Applaus.

Wie sieht der Alltag in einer Unterkunft für Flüchtlinge aus?

"Schule, Mittagessen, Hausaufgaben" - so beschreibt die Einrichtungs-Leiterin die Tagesstruktur. Die Jugendlichen seien dankbar und wollten der Gesellschaft etwas zurückgeben: "Sie engagieren sich bei der Tafel und halten das Umfeld im Stadtteil sauber oder pflanzen Blumen." Sie spricht auch von Problemen - von Problemen, die individuell und auch typisch sind für 16- bis 18-Jährige.

175 Jugendliche im Haus Husen - ist das nicht zuviel?

"Ja", sagt Jugenddezernentin Schneckenburger, "wir wissen, dass kleinen Gruppen besser sind". Aber der herkömmliche Apparat funktioniert nicht mehr. Also müssen Notlösungen her. Das Haus Husen ist eine Notlösung.

Wie lange soll die Notlösung dauern?

Läuft alles nach Plan, ist das Haus Husen nur für drei Monate eine Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Dann sollen dort Flüchtlings-Familien einziehen. Jedoch nicht für immer. Wann die Stadt die Unterkunft wieder herunterfahren kann, kann sie selbst nicht beeinflussen.

Welche Kritik äußerten Bürger?

Eine Frau lehnte die Unterbringung von Flüchtlingen im Landhaus Syburg im alten Dorfkern aus "wirtschaftlichen" Gründen ab. Denn in unmittelbarer Nähe liegen die touristischen Ziele des Stadtteils. Weiterer Kritikpunkt war die - wie bereits erwähnt - schwache Infrastruktur: kein Lebensmittelladen, schlechte Busverbindungen etc. Ein Bürger wollte wissen: "Wird jetzt der Nahverkehr verbessert?" 

Wie war die Atmosphäre auf der Bürgerinformation?

Die Stadt lieferte viele wichtige Details und begründete die Not präzise: Vom globalen Problem runter bis zur Syburg. Das war anschaulich und fundiert. Die miserable Akustik (schwache Lautsprecheranlage) erschwerte die Konzentration. Erfreulich: Information und Diskussion verliefen sehr sachlich. Es gab keine abfälligen Zwischenrufe über Asylbewerber. Die Dezernentinnen nahmen sich so viel Zeit, wie die Bürger wollten. Jeder konnte Fragen stellen.

Bieten Syburger Bürger ihre Hilfe an?

Die Bürger-Info war nach 90 Minuten beendet. 40 Syburger trugen sich in einer Helferliste ein. Weitere Hilfsangebote wurden mündlich übermittelt. Auf der Versammlung war ein fürs Dorf typische Gemeinschaftsgefühl spürbar.