
Jetzt reicht‘s endgültig. Die Despoten in Katar und FIFA haben eine Grenze überschritten, ab der niemand mit einem Funken Anstand im Leib länger schweigen darf. Wer den Fußball liebt, muss jetzt handeln und zwar laut, deutlich und unüberhörbar.
Dabei geht es im Moment ja nicht einmal konkret um eine nur durch Korruption erfolgte WM-Vergabe. Es geht nicht um die Austragung in einem Land, in dem Menschenrechte so viel wert sind wie ein Furz im Wind.
Es geht nicht um den Irrsinn einer Winter-WM mitten in einer kochend heißen Wüste, nicht um unterbezahlte, ausgebeutete Fremdarbeiter, von denen viele ihr Leben auf den Baustellen der WM lassen mussten.
All diese gewaltigen, durch nichts zu entschuldigenden Punkte, die die europäischen, auch die deutschen Fußball-Verantwortlichen noch mit Bauchgrimmen hingenommen haben, sie sind es nicht, die das Fass zum Überlaufen bringen.
Es geht jetzt gerade mal um ein kleines Stückchen bunten Stoffs mit der Aufschrift „One Love“ („eine Liebe“) am Oberarm des Kapitäns einer Fußball-Mannschaft. Nicht größer als ein Bierdeckel soll es ein Zeichen gegen Diskriminierung, für Vielfalt und Toleranz setzen.
Nur eine homöopathische Dosis Protest
Auf dieses winzige Stückchen Stoff haben sich die europäischen Fußballer ihren Protest gegen die menschenverachtende Diskriminierung von Frauen, Homosexuellen, gegen die Ausbeutung von Fremdarbeitern in Katar zusammenschrumpfen lassen.
Und selbst dieses klitzekleine, kaum wahrnehmbare Mini-Statement, das eher einer homöopathischen Protestdosis gleichkommt, ist dem autokratischen Staat Katar und der FIFA zuviel. Katar gefällt die One-Love-Binde nicht, die FIFA kuscht, verbietet das Zeichen und droht mit einer Gelben Karte und Punktabzug.
Irans Fußballer riskieren ihr Leben, der DFB hat Angst vor einer Gelben Karte
Und was macht der DFB, was machen die anderen europäischen WM-Teilnehmer? Sie kuschen ebenfalls, sie lassen sich von der machtgeilen, undemokratischen und gierigen Allianz aus FIFA und Katar erpressen. Und das, weil eine Gelbe Karte droht?
Die Spieler des Iran riskieren mit ihrem Schweigen beim Abspielen der iranischen Nationalhymne als Zeichen gegen die Unterdrückung der Protestbewegung in ihrem Heimatland ihr eigenes Leben und das ihrer Familien daheim. Sie schweigen trotzdem. Den deutschen Kickern aber ist das Risiko einer Gelben Karte zu groß? Mich macht das fassungslos und verleidet mir endgültig den Spaß an diesem doch so wunderbaren Spiel.
Ein Sieg, der mehr wert wäre als jeder WM-Titel
Ich frage mich ernsthaft: Warum lässt sich der DFB, warum lassen sich die anderen europäischen Länder das gefallen? Warum drehen sie nicht einfach den Spieß um und sagen der FIFA: „Es reicht! Wenn wir die One-Love-Binde nicht tragen dürfen – alle Spieler und nicht nur der Kapitän, der dann noch die FIFA-Kapitänsbinde zusätzlich überstreift – dann fahren wir nach Hause! Dann spielt eure Wüsten-WM doch alleine zu Ende!
Was dann passiert? Zum einen, da bin ich mir sicher, würden die Spieler und Funktionäre des DFB bei ihrer Rückkehr nach Deutschland einen triumphalen Empfang erleben und als Helden gefeiert werden. Es wäre ein grandioser Sieg für den Fußball in Deutschland, der mehr wert wäre als jeder WM-Titel.
Zum anderen würde die FIFA natürlich toben, allen voran ihr von allen guten Geistern verlassener Präsident Infantino mit seinem Anbiederungs-Wohnsitz in Katar. Und dann? Wenn die FIFA nicht nachgibt, wäre das eben das Aus für die WM. Selbst wenn sie vom Rest der Fußball-Welt zu Ende gekickt würde, niemand würde sich mehr für sie interessieren, der Titel wäre wertlos.
Und wenn die FIFA mit weiteren Strafen droht? Mit dem Ausschluss von der nächsten WM, Geldstrafen oder was weiß ich? Egal, denn ohne europäischen Spitzenfußball ist die FIFA nichts. Erstklassiger Fußball ist doch die Geschäftsbasis auch für die korrupten Geldscheffler der FIFA.
Wer kann noch in den Spiegel schauen, ohne sich zu schämen?
Im Übrigen gibt es immer einen Punkt, an dem sich jeder einzelne, auch jeder Fußballer fragen muss: Was kann ich noch ertragen, ohne mich an jedem Morgen beim Blick in den Spiegel abgrundtief zu schämen? Wo muss ich Nein sagen, um vor mir selbst grad stehen zu können?
An genau diesem Punkt ist die Fußball-WM gerade angelangt. Entweder die FIFA-Funktionäre ziehen jetzt endlich die Reißleine in diesem unerträglichen Verbots-Wahnsinn oder fahrt nach Hause, Ihr Fußballer.
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